Bauern in der Ukraine droht Produktionsstillstand

Preise für Energie und Getreide explodieren – Teures Erdgas bringt Düngerhersteller in Bedrängnis

Kriegsfolgen: Bauern in der Ukraine droht Produktionsstillstand

Fehlender Dieselkraftstoff gefährdet die Aussaat in der Ukraine.

Der ukrainische Agrarrat, dem circa 1.100 Unternehmen mit insgesamt rund 3,5 Mio. Hektar Anbaufläche angehören, warnt vor einem katastrophalen Produktionseinbruch, sollte der russische Angriffskrieg nicht bald beendet werden. Nach Angaben des Ratsvorsitzenden Andriy Dykun hat derzeit etwa die Hälfte aller ukrainischen Agrarbetriebe ihre Arbeiten eingestellt. Zwar seien nicht alle Mitarbeiter oder Betriebsleiter an der Front, doch angesichts der regional intensiven Kriegshandlungen trauten sich viele Bauern nicht auf die Felder, teilte Dykun mit.

Zusätzlich erschwert wird die Lage dem Ratsvorsitzenden zufolge durch den Zusammenbruch des Bankensystems. Die Bauern hätten somit oft keinen Zugriff auf Finanzmittel, um Saatgut und – wo überhaupt verfügbar – Dünger zu kaufen. Außerdem finde derzeit praktisch kein Handel statt, sodass die Landwirte auch über Verkäufe nicht an Liquidität gelangen könnten. Auch gebe es Fälle, in denen die russische Armee den Landwirten gewaltsam Treibstoff weggenommen und Maschinen zerstört habe.

Laut Dykun ist die Dieselversorgung im Land ohnehin prekär. Er weist darauf hin, dass 75 Prozent des ukrainischen Dieselkraftstoffs aus Russland stammten. Diese Lieferungen seien aber längst eingestellt. Die restlichen Versorgungslinien über den Seeweg seien ebenfalls gekappt. Man müsse also damit rechnen, dass die Feldarbeiten auch in den noch nicht vom Krieg betroffenen Landesteilen bald wegen Treibstoffmangels eingestellt werden müssten.

Der Ratsvorsitzende befürchtet deshalb sowohl im Inland als auch an den internationalen Agrarmärkten eine Lebensmittelkatastrophe, sollte sich an den aktuellen Rahmenbedingungen nichts ändern. Vor diesem Hintergrund appellierte er an den Westen, der kriegsgeschüttelten Ukraine Nahrung, Waffen und Diesel zur Verfügung zu stellen.

Heizölpreis kratzt an der 2-Euro-Marke

Bei den Energiepreisen gibt es derzeit kein Halten. Laut dem Branchendienst Tecson kostet schwefelarmes Heizöl letzte Woche in Deutschland im Schnitt 1,99 Euro pro Liter. Etliche Händler verlangen für den Liter Heizöl schon mehr als 2 Euro. Vorherige Woche hatte US-Präsident Joe Biden überraschend ein Importverbot für Rohöl aus Russland erlassen. Der vordere Terminkontrakt der Nordseesorte Brent hatte sich daraufhin in der Spitze auf 130 $ (119 Euro) pro Barrel, also 159 Liter, verteuert – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Heizölpreise auch in Deutschland.

Das US-Ölembargo hat die Rohölexporte Russlands schlagartig einbrechen lassen. Und Großbritannien hat bereits angekündigt, ab Dezember ebenfalls kein russisches Öl mehr kaufen zu wollen. Damit steigt der Druck auf die Bundesregierung, sich dem Boykott anzuschließen. Bundeskanzler Olaf Scholz schließt dies bislang kategorisch aus und verweist auf eine viel größere Abhängigkeit Deutschlands von russischem Rohöl.

Yara drosselt erneut die Ammoniakproduktion

Yara International hat Anfang März die Düngerproduktion seiner beiden Werke in Ferrara sowie Le Havre gedrosselt, die unter Volllast auf einen Jahresausstoß von zusammen 1 Mio. Tonnen Ammoniak und 900.000 Tonnen Harnstoff kommen. In anderen Werken werden ohnehin schon geplante Wartungsarbeiten vorgezogen, weshalb Yara die Auslastung seiner europäischen Ammoniak- und Harnstoffkapazitäten aktuell mit nur 45 Prozent angibt. Das Unternehmen mit Sitz in Oslo reagiert mit der Produktionseinschränkung offensichtlich auf die zuletzt rekordhohen Erdgaspreise und die damit verschlechterten Herstellermargen.

Infolge des russischen Einmarschs in die Ukraine war der Erdgaspreis in Europa zuletzt erstmals überhaupt auf mehr als 200 Euro/MWh gestiegen. Am wichtigen niederländischen Handelspunkt TTF wurde die Megawattstunde am vorigen Freitag in der Spitze für fast 214 Euro gehandelt, mit weiter steigender Tendenz. Energieanalysten begründen die jüngste Preishausse mit den aktuell stark schwankenden Erdgasmengen, die Russland durch die Jamal-Pipeline nach Deutschland liefert. Der hohe Erdgaspreis bringt Düngerhersteller wie Yara International in Bedrängnis, da Erdgas bekanntlich der wichtigste Grundstoff der Stickstoffdüngerproduktion ist.

Bundeslandwirtschaftsministerium – Auswirkungen des Ukraine-Krieges: Unterstützung ist angekündigt

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat erste Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Auswirkungen des Ukraine-Krieges abzumildern. Zentrale Herausforderungen für die Landwirtschaft stellen derzeit insbesondere die hohen Energiepreise sowie Engpässe auf dem Futtermittelmarkt dar. Sorgen bereiten vor allem sich abzeichnende Ausfälle bei der Getreideernte in der Ukraine sowie bei Lieferungen von Ölsaaten, Eiweißpflanzen und Getreide aus dem umkämpften Land.

Wie das Ressort am Freitag letzter Woche mitteilte, wird in diesem Jahr die Nutzung des Aufwuchses auf ökologischen Vorrangflächen der Kategorien „Brache“ und „Zwischenfrüchte“ zu Futterzwecken freigegeben. Damit könnte ein Beitrag zur Futterversorgung geleistet und die Wirkungen der steigenden Futtermittelpreise für die Landwirte abgemildert werden. In die gleiche Richtung zielt eine geplante finanzielle Stärkung der Eiweißpflanzenstrategie. Damit solle die Versorgung mit GVO-freien Eiweißfuttermitteln gestärkt werden. Attraktiver gestalten will man bestehende Programme zur Förderung der Energieeffizienz und der Erneuerbaren Energien in der Landwirtschaft.


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