Wenn Kräfte wirken, geht es um die Sicherheit

Grundsätzliches und Aktuelles über Räder und Reifen für den Agrarbereich erfuhren wir im Gespräch mit Dr. Michael Weißbach, für die Technik zuständiges Mitglied der Geschäftsleitung bei der Grasdorf Wennekamp GmbH. Die interessantesten Informationen haben wir für die Eilboten-Leser zusammengefasst.

Kompletträder: Wenn Kräfte wirken, geht es um die Sicherheit

Was landläufig als Felge bezeichnet wird, ist korrekterweise eigentlich ein Scheibenrad. Das Scheibenrad besteht aus der außen rundum laufenden Felge (Felgenring), in welche innen die Schüssel eingeschweißt ist. Nabenausschnitt und Lochkreis werden vor dem Einschweißen mit CNC-Maschinen aus der Schüssel herausgeschnitten. Ein Rad samt aufmontiertem Reifen bezeichnet man dann als Komplettrad.

Kompletträder: Wenn Kräfte wirken, geht es um die Sicherheit

Ein Anziehen der Radmuttern mit dem Drehmomentschlüssel ist unbedingtes Muss, weil das Rad ein sicherheitsrelevantes Bauteil ist – aber es wird noch zu selten praktiziert! Ein zu hohes wie auch zu niedriges Drehmoment kann schon nach kurzer Einsatzzeit das Rad dauerhaft schädigen. Denn das Rad muss nicht nur Unebenheiten abfedern und Schwingungen dämpfen, sondern auch Antriebs- und Bremskräfte übertragen, außerdem wirken Seitenführungskräfte und Gewichtskräfte ein. Weil die Kräfte zwischen Radnabe und Rad von Eisen auf Eisen kraftschlüssig übertragen werden, ist das richtige Drehmoment hier so wichtig. Die Höhe legt der Schlepper- oder Maschinenhersteller fest. Sie finden die jeweils geforderten Werte in der Betriebsanleitung, bei manchen Maschinen auf einem Aufkleber an den Schüsseln. 

 

Kompletträder: Wenn Kräfte wirken, geht es um die Sicherheit

Erste Anzeichen einer zu „lockeren“ Verbindung.

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Zerstörte Bolzenlöcher.

Sind die Radmuttern mit zu geringem Drehmoment angezogen, können die Kräfte über die Bolzen in die Schüssel einfließen (sichtbar z.B. bei nabenzentrierten Rädern am Gewindeabdruck in den Löchern). Das Material wird an dieser Stelle überdehnt, die Fließgrenze überschritten, so dass die Festigkeit des Materials leidet. Passiert das an mehreren Löchern, bilden sich Risse von einem Loch zum anderen. Ist das Anziehmoment hingegen zu hoch und drückt man mit zu viel Kraft, wird das Material ebenfalls weich und fließt weg.

 

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Je stärker das Schüsselmaterial, desto größer die Lebensdauer der Schüssel:

Durch eine Verformung lässt sich eine höhere Festigkeit der Schüssel erreichen, man spricht dann von einer gezogenen Schüssel. Im Bereich der Anlagefläche ist laut Dr. Weißbach jedoch die Materialstärke entscheidend. Gerade bei kleinen Lochkreisen, geringen Lochzahlen (z.B. 8-Loch) und schwierigen Einsatzbedingungen treten hohe Biegemomente auf. Wird jetzt nur auf den Preis geschaut und das Rad mit der „dünneren“ Schüssel gekauft, bleibt die Sicherheit auf der Strecke. Der Preis für eine 48 Zoll Schüssel z.B. steigt allein durch den höheren Materialeinsatz von 12 auf 15 mm um 35 bis 40 Euro.

 

 

 

 

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Verschweißung zwischen Felge und Schüssel: Setzt man die Lebensdauer bei Sternverschweißung gleich 100 %, so beträgt sie bei Quadroverschweißung nur 20 %, bei Rundumverschweißung aber 150 %, so die Erkenntnisse bei Grasdorf Wennekamp. Auch rundum verschweißte Schüsseln kosten mehr, weil man deutlich mehr Materialien verbraucht.

 

Kompletträder: Wenn Kräfte wirken, geht es um die Sicherheit

(1) und (2)

Kompletträder: Wenn Kräfte wirken, geht es um die Sicherheit

(3)

 

Die Festigkeit einer einseitig verschweißten, aber mit Übermaß gepressten Schüssel (1) – so wird häufig in der Großserienproduktion gearbeitet – ist etwa genauso groß wie die einer beidseitig rundum verschweißten Schüssel (3). Die Festigkeit einer nur auf Maß gepressten Schüssel (2) soll deutlich niedriger sein im Vergleich mit einem beidseitig rundum verschweißtem Rad. Grundsätzliches Problem bei den einseitig verschweißten Schüsseln ist jedoch die Lackierung im nicht verschweißten Bereich, weil die Felgen hier schneller Rost ansetzen können. Grasdorf Wennekamp verschweißt deshalb alle Räder beidseitig rundum mit einem Roboter.

 

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Rad mit tiefgezogener Schüssel. Vorteil: Krafteinleitung im Zentrum des Felgenrings

Kompletträder: Wenn Kräfte wirken, geht es um die Sicherheit

Bei tiefgezogenen Schüsseln liegt die Verbindung zum Felgenring fast in der Felgenmitte! Damit erfolgt eine gleichmäßiger verteilte Krafteinleitung in das Zentrum des Felgenrings! Bei Rädern mit hoher Einpreßtiefe (ohne tiefgezogene Schüssel) liegt der Einschweißpunkt weiter außerhalb des Felgenringzentrums, was die Gefahr einer Überlastung mit anschließender Haarrissbildung erhöht.

 

Kompletträder: Wenn Kräfte wirken, geht es um die Sicherheit

Druckverluste im Reifen können durch Haarrisse im Rad verursacht werden. Diese feinen Risse entstehen durch Überlastung des Rades bzw. eine nicht ausreichende Qualität. Lässt sich also bei Druckverlusten am Reifen selbst keine Beschädigung entdecken, sollte man nicht gleich einen Schlauch in den Reifen montieren, um den Druckverlust zu stoppen. Vielmehr gilt es, das Rad mit Leckspray auf Haarrisse zu überprüfen. So vermeiden Sie, dass sich mögliche Haarrisse weiter ausdehnen und früher oder später zu einem Bruch des Rades führen.

 

 

 

 

 

 

 

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Rundlaufgenauigkeit optimiert: Eigentlich ist die Rundlaufgenau- igkeit in der DIN 7823 definiert, die jedoch aus den siebziger Jahren stammt, als die Schlepper noch nicht mit 50 km/h gefahren wurden. Grasdorf Wennekamp legt deshalb heute eine eigene, strengere Norm zugrunde, die abhängig vom Raddurchmesser einen Seiten- bzw. Höhenschlag von maximal 1,2 (bei Raddurchmesser 15 bis 20 Zoll) bis 4,0 mm (bei Raddurchmesser 40 bis 48 Zoll) zulässt.

Um die Rundlaufgenauigkeit zu optimieren, muss zunächst der Felgenring ausgemessen und die Schüssel auf das passende Maß runtergedreht werden. Erst dann wird sie in den Felgenring eingesetzt, danach geheftet. Bei dem Heften wird noch einmal der Höhen- und Seitenschlag überprüft. Dank dieser Vorgehensweise liegt der Reklamationsanteil für Seiten- und Höhenschläge bei Grasdorf Wennekamp unter 1 Prozent.

 

 

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Der Trend geht zu bodenschonenden Rädern, vor allem dort, wo passive Bodenbearbeitung praktiziert wird. Denn wer z.B. an der Spritze mit schmalen Rädern im nassen Frühjahr 20 cm tiefe Spuren hinterlässt, muss sie später bei der Bodenbearbeitung mit viel Aufwand wieder einebnen. In der Praxis arbeitet man mehr und mehr mit breiteren Fahrgassen (z.B. werden drei Reihen Getreide/Fahrgasse weniger gesät), um entsprechend breitere Räder einsetzen zu können. Bei bis zu 36 m Arbeitsbreite hält sich Minderertrag durch die breitere Spur in Grenzen, der spätere Arbeitsaufwand bei der Bodenbearbeitung hingegen ist deutlich geringer. Bei der Anhängerbereifung hingegen wird noch zu sehr auf den Anschaffungspreis geschaut! Sekundäreffekte, die durch zu schmale und mit zu hohem Luftdruck gefahrene Reifen entstehen (Zugleistungsbedarf, Spurtiefen) sind oftmals deutlich teurer als eine optimale Bereifung.


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