„Bauernmilliarde“: Geteiltes Echo beim Fachhandel

Viel Kritik und wenig Lob für Förderprogramm – Ansturm auf Maschinenförderung – Fachhandel schreibt unzählige Maschinenangebote – Gebrauchttechnik erleidet Wertverlust – Erste Tranche schnell vergriffen – Viele Landwirte schauen in die Röhre – Händler fordern Verbesserungen

Investitionsprogramm Landwirtschaft: „Bauernmilliarde“: Geteiltes Echo beim Fachhandel

Bei der Antragsstellung wird den Landwirten einiges abverlangt. Der Programmstart lief holperig und die Formulare waren zum Teil schwierig verständlich.

Der Andrang war immens hoch. Gleich nach dem Start der Antragsstellung am 11. Januar brach das Onlineportal der Landwirtschaftlichen Rentenbank unter der Last der vielen Anfragen zusammen. Innerhalb weniger Stunden waren die verfügbaren 72,5 Millionen Euro aus dem „Investitionsprogramm Landwirtschaft“ für den Kauf von Maschinen und Geräten der Außenwirtschaft vergriffen. Zahlreiche Landwirte mühten sich vergeblich, ihren Förderantrag bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank einzureichen.

Viele Schattenseiten

In der Branche stößt das als „Bauernmilliarde“ bekannt gewordene Investitionsprogramm Landwirtschaft auf unterschiedliche, aber hauptsächlich kritische Meinungen. Schon im Vorfeld waren sich viele Praktiker sicher, dass das Förderbudget angesichts der allgemeinen Resonanz und der hochpreisigen Technik sehr schnell ausgeschöpft sein würde. In der Kritik steht auch das Prinzip, nach dem diejenigen Betriebe den Zuschlag erhalten, die sich am schnellsten um die Förderung bemühen. Ein Großteil der Interessenten sei dadurch leer ausgegangen. Und insbesondere kleinere Betriebe würden durch das Windhundverfahren wohl weniger in den Genuss einer Förderung kommen. Für sie sei es auch oft schwierig, kurzfristig die geforderte Kofinanzierung für neue Technik zu gewährleisten.

Nach Angaben vieler Fachhändler spielt die so genannte „Bauernmilliarde“ im durchschnittlichen bäuerlichen Bereich kaum eine Rolle. Anfragen kämen in erster Linie von Großlandwirten und Lohnunternehmern. Im Mittelpunkt ihres Interesses stünden vor allem Hightech-Maschinen mit Vollausstattung.

Großer Aufwand

Mit Überlastung zu kämpfen hatte aber nicht allein der Server der Frankfurter Förderbank. Bereits im Vorfeld des Programmstarts waren auch die Landmaschinen-Fachhändler im gesamten Bundesgebiet reichlich beschäftigt.

Beim Case IH Vertragshändler Thomas Gruber mit Stammsitz im oberbayerischen Ampfing gingen die ersten Anfragen interessierter Landwirte bereits Anfang Dezember ein. Fortan war die gesamte Vertriebsmannschaft einschließlich des Innendienstes gut beschäftigt und erstellte unermüdlich bis zum Programmstart unzählige Angebote. „Die Resonanz war extrem hoch, und die Anfragen der Landwirte erstreckten sich über alle förderfähigen Maschinenbereiche“, sagt Siegfried Höpfinger von der Geschäftsleitung des bayerischen Unternehmens. Noch aber habe er keinen Überblick, ob und welche Kunden erfolgreich einen Antrag einreichen konnten. Trotz des holprigen Starts befürwortet Höpfinger das Förderprogramm und hält es vom Grundsatz her für richtig: „Es gibt der Landwirtschaft ordentlich Schub für technische Modernisierung.“ – Und der sei überfällig, da die deutsche Landwirtschaft in puncto finanzielle Förderung im Vergleich zu anderen EU-Ländern ins Hintertreffen geraten sei.

Investitionsprogramm Landwirtschaft: „Bauernmilliarde“: Geteiltes Echo beim Fachhandel

Siegfried Höpfinger fordert eine Aufstockung der Fördergelder.

Investitionsprogramm Landwirtschaft: „Bauernmilliarde“: Geteiltes Echo beim Fachhandel

Philipp Bock hätte sich eine alternative Verwendung der „Bauernmilliarde“ gewünscht.

Modernisierung erforderlich

Zudem verfolge das „Investitionsprogramm Landwirtschaft“ das Ziel der Nachhaltigkeit. Umwelt- und klimaschonende Bewirtschaftungsweisen sollen unterstützt werden. „Schwerpunktmäßig geht es um die Reduktion von Emissionen“, erklärt Höpfinger. Gerade im Bereich der exakten Ausbringung von Wirtschafts- und Mineraldüngern sowie Pflanzenschutzmitteln schlummere hier noch einiges an Potenzial.

Allein das Düngen mit Gülle werde immer wieder kontrovers diskutiert. „Problem ist, sie stinkt.“ Die bodennahe Ausbringung komme in der Öffentlichkeit gut an, weil sie zum einen die Geruchsbelästigung minimiert und zum anderen die Ammoniakemissionen reduziert und gleichzeitig die Nährstoffverluste mindert. Höpfingers Credo: „Wir brauchen die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland und müssen sie daher auch auf einem hohen Niveau halten – egal ob konventionell oder Bio.“

Was Höpfinger allerdings kritisiert, ist die handwerkliche Umsetzung des Förderprogramms. Seiner Ansicht nach war das Vergabeverfahren nicht genügend durchdacht und zu wenig praxistauglich. Schon vor dem offiziellen Antragsstart habe es Schwierigkeiten gegeben. Die „Positivliste“, die die förderfähigen Maschinen und Geräte beinhaltet, sei immer wieder verändert worden. „Einige Maschinen wurden erst sehr spät gelistet, andere wiederum fielen ganz raus.“ Die Gründe dafür kennt Höpfinger bislang nicht. Auch versteht er nicht, warum Interessenten gleich drei Vergleichsangebote benötigen. „Ein Stammkunde, der gute Konditionen bei seinem Händler erhält, musste sich gezwungenermaßen weitere zwei Angebote bei anderen Händlern holen. Das war angesichts der kurzen Frist bis zum Antragsstart ein Riesenthema bei den Kunden.“

Siegfried Höpfinger arbeitet seit vielen Jahren für die Firma Thomas Gruber in Ampfing, die mit sieben Standorten in Ober- und Niederbayern aktiv ist und die Fabrikate Case IH und Steyr sowie unter anderen die Marken Amazone, APV, Bergmann und Fliegl betreut. Wie viele seiner Kollegen im Landmaschinenhandel erwartet auch er vorübergehend eine zurückhaltende Nachfrage und damit sinkende Preise bei Gebrauchtmaschinen – insbesondere jüngeren.

Fördermittel aufstocken

Allerdings sei das nicht so ein großes Thema im Freistaat mit seiner relativ kleinstrukturierten Landwirtschaft, die oft mit älteren Maschinen und kleineren Größenordnungen einhergehe. Bei diesen Maschinen sei der Wertverlust vergleichsweise gering. Dagegen hätten die Landwirte nun die Gelegenheit, gebrauchte Maschinen vergleichsweise günstig einzukaufen.

Dass die sogenannte „Bauernmilliarde“ die Preise für Dünge- und Pflanzenschutztechnik nach oben ziehen lässt, kann Höpfinger bislang noch nicht beobachten. Er rechnet aber mit höheren Endkundenpreisen aufgrund von Preiserhöhungen oder Konditionskürzungen durch die Hersteller.

Vor allem jedoch findet der Landmaschinenhändler aus Bayern den Fördertopf schlicht zu klein. „Meines Erachtens ist die Fördersumme im ersten Paket deutlich zu gering ausgefallen. Es hätte ein fünffach höherer Betrag sein müssen. Schließlich wollen die Landwirte modernisieren und auch investieren.“

Siegfried Höpfinger hofft daher auf eine deutliche Erhöhung des Fördervolumens in der zweiten – ursprünglich für das zweite Halbjahr 2021 vorgesehenen – Antragsrunde, die aufgrund der extrem hohen Nachfrage nun bereits im März starten soll: „Alle investitionswilligen Landwirte müssen die Möglichkeit erhalten, einen Zuschuss beantragen zu können.“

Immenser Aufwand

„Schon im Dezember kamen die ersten Anfragen – allerdings noch wenig konkret, weil noch niemand was Genaues wusste“, erinnert sich Philipp Bock, Geschäftsführer bei Greving Landtechnik, Ahaus. Wirklich extrem seien aber die Januartage vor dem Start der Antragstellung gewesen. „Ab dem ersten Arbeitstag im neuen Jahr waren alle Verkäufer von morgens früh bis abends spät nonstop damit beschäftigt, Angebote zu erstellen. Wir haben mindestens 300 individuelle Angebote in einer Woche rausgehauen. Das ist schon eine Kunst, in der kurzen Zeit“, schmunzelt er, glaubt aber nicht, dass mehr als zehn Prozent davon überhaupt zum Zuge kommen werden. „Und ob wir letztlich das Geschäft tatsächlich generieren können, ist noch eine ganz andere Frage.“

Nach dem chaotischen Start des Förderprogramms sei der Unmut bei den Landwirten groß. Nur ganz wenige hätten ihre Förderanträge einreichen können. Bock begrüßt, dass die zweite Runde der Mittelvergabe bereits im März starten soll. Er wünscht sich aber Nachbesserungen. Zum Beispiel bei der Förderrichtlinie für die Maschinen und Geräte, die eine Auslieferungsfrist bis Ende Oktober vorsieht. Es gelte, die Lieferfristen deutlich auszuweiten, um so für Sicherheit und Verlässlichkeit für Antragsteller und Lieferanten zu sorgen. Schließlich müssten die Kunden je nach Maschinenart mit deutlich längeren Lieferzeiten rechnen.

Der John Deere Vertriebspartner Greving ist mit sieben Standorten in Nordrhein-Westfalen vertreten und vertreibt in seinem Verkaufsgebiet Dünge- und Pflanzenschutztechnik der Marken John Deere, Kuhn und Amazone sowie Kotte Gülletechnik. Letztere sei besonders im veredelungsstarken Münsterland nachgefragt worden. – „Und zu 95 Prozent ganze Güllefässer.“ Traditionell Bestseller im Greving Vertriebsgebiet sind eigentlich Vakuumfässer; der Pumptankwagen ist in der Region eine typische Lohnunternehmermaschine. Allerdings bezuschusst das aktuelle Förderprogramm lediglich Pumptankwagen. Als Folge davon seien die Kompressorfässer, die man bereits vorgekauft habe, um kurzfristige Auslieferungen zu ermöglichen, aktuell nahezu unverkäuflich. Zudem würde die Gebrauchttechnik auf den Lagern entwertet.

Finanzamt profitiert auch

Viele Landwirte würden nicht beachten, dass die Zuschüsse steuerpflichtig sind. Während sie die rabattierte Technik über mehrere Jahre abschreiben müssten, werde der Zuschuss sogleich gewinnwirksam berücksichtigt und erhöhe steuerpflichtige Gewinne. „Das unterschätzen viele.“ Unterm Strich sieht der Greving Geschäftsführer das Förderprogramm sehr kritisch: „Hintergrund sollte eigentlich sein, dass verstärkt in umwelt- und ressourcenschonende Technik investiert wird.“ Doch schwerpunktmäßig nähmen die größeren und finanzstarken Betriebe, die diese Technik sowieso gekauft hätten, die Zuschüsse mit. Kleineren mittelständischen Betrieben helfe die Förderung dagegen eher nicht. „Für sie macht es trotz 40-prozentigem Zuschuss betriebswirtschaftlich keinen Sinn, 50.000 Euro in eine Pflanzenschutzspritze mit Section Control zu investieren“, sagt er und überlegt: „Vielleicht hätte die Bundesregierung die Bauernmilliarde besser in Öffentlichkeitsarbeit zur Imageförderung der Landwirtschaft oder ein Ausstiegsprogramm für Auslaufbetriebe investiert… “

Dagegen spricht Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner „von einem „der größten Modernisierungsprogramme für die Landwirtschaft in der Geschichte der Bundesrepublik“. Das Programm habe den Nerv und den Bedarf der Branche getroffen. Sie hat bereits angekündigt, weitere 72 Millionen Euro, die ursprünglich für das zweite Halbjahr 2021 vorgesehen waren, vorzuziehen. Die nächste Förderrunde soll demnach bereits Anfang März starten. Eingereichte Anträge sollen nicht verfallen.


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