eilbote: Corona beherrscht nach wie vor die Schlagzeilen. Wie geht man bei Lemken mit den Einschränkungen um? Welche Konsequenzen haben sich für die einzelnen Abteilungen ergeben?
Anthony van der Ley: Wir haben frühzeitig gute Schutzmaßnahmen für unsere Standorte in Deutschland und im Ausland organisiert, deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Die Gesundheit unserer Mitarbeiter und ihrer Familien steht für uns an allererster Stelle! Außerdem haben wir sehr viele Kollegen in die Lage versetzt, mobil von zu Hause aus zu arbeiten. Und mit geeigneten Videotools haben wir die interne Kommunikation und vor allem den Kontakt zu unseren Kunden im In- und Ausland intensiv aufrechterhalten können. Wir sind sehr glücklich, dass wir – im Unterschied zu vielen anderen Unternehmen unserer Branche – im In- und Ausland über die gesamte Zeit der Krise hinweg unsere Produktion in allen Werken mit voller Auslastung aufrechterhalten konnten. So bieten wir allen Mitarbeitern sichere Arbeitsplätze und sind ein verlässlicher Partner für unsere Kunden. Aber am Ende fehlt natürlich der direkte Austausch.
Und welche Auswirkungen spüren Sie von der Marktseite, speziell seitens des Handels und der Endabnehmer?
Natürlich gibt es bei vielen Landwirten Einkommenseinbußen infolge von Covid-19. Die Preise für wichtige Agrarprodukte wie beispielsweise Kartoffeln oder Fleisch sind gesunken, da die Gastronomie als Abnehmer weitgehend weggefallen ist. Demgegenüber blicken wir weltweit auf Getreidepreise, die sich aktuell auf Rekordniveau bewegen. Das ist an vielen Stellen der positive Treiber für unser Geschäft. Deshalb können wir seit dem vierten Quartal 2020 bis heute einen sehr guten Auftragseingang verzeichnen.
Zusätzlich sind im ersten Quartal 2021 staatliche Konjunkturprogramme für deutsche und auch die französischen Bauern angelaufen, die die Nachfrage beleben.
2020 mussten Sie ein geringes Umsatzminus von vier Prozent verbuchen – trotz der Erweiterung des Programms um Düngerstreuer und der Steketee Hacktechnik, die den Absatz um 30 Prozent steigern konnte. Dies bedeutet doch im Umkehrschluss einen eher größeren Rückgang in Ihrem Kernprogramm?
Nein, dem ist nicht so. Steketee ist ja erst eine kleine Pflanze, aber dafür mit großen Wachstumsschritten. Und hier muss man sagen, dass unsere neue Hacktechnik bei den Kunden voll ins neue Konzept passt in dem Bestreben, sich nach alternativer Unkrautbekämpfung umzugucken. Wir sind deshalb dabei, unsere Produktionsmöglichkeiten weiter auszubauen. Unsere Düngerstreuer sind ebenso erfolgreich gestartet. Die hier erzielten Umsätze sind sehr gut. In unseren Stamm-Segmenten gibt es natürlich immer Verschiebungen, so zum Beispiel bei den Pflügen, wo drei trockene Jahre in Folge die Nachfrage gebremst haben. Aber das können wir gut aushalten, und neue Features sind auch hier am Start. Bei der Drilltechnik werden bald neue Modelle vorgestellt.
In Ihrem Geschäftsbericht heben Sie die deutlich positive Entwicklung in Russland, den USA und Großbritannien besonders hervor. Worauf führen Sie dies zurück, gab es in diesen Ländern Sondereffekte?
In Russland haben die Landwirte eine sehr gute Ernte eingefahren und dafür ordentliche Preise am Markt erzielt – also eine gute Basis für Investitionen. Außerdem hat der stark schwankende Kurs des Rubels dazu geführt, dass das verdiente Geld gerne wieder in Sachwerte investiert wurde. In den USA wurden die Landwirte zusätzlich durch Direktzahlungen der alten Trump-Regierung unterstützt.
Großbritannien ist einer unserer ältesten Auslandsmärkte, wo wir bestens etabliert sind. Dort gab es 2020 eine erfolgreiche Ernte und entsprechend gute Vermarktungsmöglichkeiten. Man kann aber zudem annehmen, dass der bevorstehende Brexit die Landwirte motiviert hat, Investitionen vorzuziehen. Genauso haben wohl die Vertriebspartner ihre Bestände an Geräten erhöht. Jetzt, wo der Brexit durch ist, erwarten wir dort eine weiter positive Geschäftsentwicklung.
Kommen wir zur Technik: In letzter Zeit tauchten immer wieder Prototypen neuer Pflugbauformen auf, zum Beispiel der „von der Heide Kurzpflug“ oder der „Huberpflug“ mit Scheibenscharen. Entwickelt auch Ihr Unternehmen alternative Bauformen und was halten Sie von den neuen Ansätzen, die teilweise ja auf alte Ideen aufsetzen?
Für innovative Ideen sind wir natürlich immer zu haben! Dabei haben wir vor allem die Qualität der Arbeitsergebnisse um Blick. Als der Pflugspezialist sehen wir viele interessante Weiterentwicklungen mit Blick zum Beispiel auf flacheres wasserkonservierendes oder erosionsarmes Arbeiten; wir arbeiten hierbei häufig in wissenschaftlichen Projekten oder mit findigen Landwirten zusammen und unterstützen bei Versuchseinsätzen. Die von Ihnen genannten Ideen werden aber möglicherweise Nischenprodukte sein – der wirtschaftliche Erfolg muss immer mitbetrachtet werden.
Wichtig für unsere Entwicklungen sind ebenso die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen. Ein Druck, den nicht nur die Landwirte spüren, sondern der auch uns umtreibt. Wir wollen innovative Lösungen anbieten, die mit den aktuellen Herausforderungen Schritt halten.
Apropos: Auch die Hacktechnik ist eine alte Idee, die mit moderner Kameratechnik und lernender Software die Qualität des Arbeitseinsatzes auf ein neues Level hebt. Daran arbeiten wir weiter.
Für Ihre Sätechnik kündigen Sie eine Großmaschine und die Erweiterung der Einzelkorntechnik an. Können Sie das konkretisieren?
Ja, das können wir bestätigen. Bei der „Großmaschine“ handelt es sich um eine Maschine im Segment der Kompaktdrillmaschinen. Aber wir möchten die Spannung noch etwas aufrechterhalten und der (möglichen) Agritechnica im November nicht vorgreifen. Details werden im Jahresverlauf folgen.
In der elektronischen Steuerungstechnik gibt es inzwischen ein für den Händler und Landwirt fast nicht mehr überschaubares Angebot. Wozu raten Sie dem Landwirt, der jetzt in diese Technik einsteigen will – besonders vor dem Hintergrund der Konnektivität? Was empfehlen Sie als ersten Schritt?
Hier zeigt sich die wichtige Rolle des Fachhandels, der der erste Ansprechpartner sein kann, um die Landwirte optimal zu beraten. Wir unterstützen als Hersteller mit einem umfassenden Schulungsangebot. Auch wenn wir aktuell keine Präsenzveranstaltungen anbieten können, führen wir intensive gute Webinare durch, um über neue Techniken und Technologien zu informieren. Darüber hinaus haben wir in allen Märkten eigene Mitarbeiter im Vertrieb und im Service, die den Fachhandel auch in diesen Fragen begleiten. Auf Hersteller-ebene engagieren wir uns seit Jahren für eine bestmögliche Konnektivität von Produkten unterschiedlicher Produzenten. CCI und AgriRouter sind dafür gute Beispiele.
Für das noch junge Jahr berichten Sie von einem „sehr guten Auftragseingang“. Welche Marketingmaßnahmen planen Sie, um diesen auf hohem Niveau zu halten? Welche Kommunikationswege gehen Sie und wie sehen Ihre Pläne hinsichtlich von Messeteilnahmen aus?
Eine Vielzahl von Faktoren lassen uns momentan einschätzen, dass 2021 insgesamt ein sehr gutes Jahr für die Landtechnik werden wird. Die Corona-Lage bleibt aber leider unübersichtlich und sorgt dafür, dass wir unsere Kommunikationsmaßnahmen „für alle Fälle“ ausrichten. Das heißt, wir planen zum einen regionale Roadshows in skalierbarer Größe, wo wir unsere Technik live und gleichzeitig sicher vorführen können.
Zum anderen organisieren wir bereits unser drittes Digitalevent, dieses Mal mit einem Live-Diskussionsforum mit hochkarätigen Teilnehmern. Da können sich interessierte Landwirte bestens informieren. Bei den beiden vorangegangen Terminen haben wir die Steketee Technik und unsere Azurit Einzelkorndrille von allen Seiten beleuchtet. Diese Sendungen finden die Landwirte auch nachträglich im Internet wieder.
Und wir hoffen immer noch, dass es auch für die Agritechnica ein durchführbares Konzept geben wird, denn so schnell wollen wir unser Branchenhighlight noch nicht aufgeben.
Die Fragen stellte Jürgen Boomgaarden.