Die Stärkungsspritze unter das Wurzelwerk gibt Pflanzen Schub

Lohnunternehmer Uwe Schiller entwickelte ein Verfahren zur Injektionsdüngung in stehenden Kulturen und auf Grünland. Die Bandablage des flüssigen Gärprodukts aus Reststoffen der Milchindustrie erfolgt mittels selbst konstruierter Applikationstechnik.

Innovation: Die Stärkungsspritze unter das Wurzelwerk gibt Pflanzen Schub

Applikation von nitratfreiem Flüssigdünger mit dem Reiheninjektor vom Lohnunternehmen DST Agrar in einem Getreidebestand.

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Lohnunternehmer Uwe Schiller entwickelte ein Verfahren zur Injektionsdüngung in Kulturen mit Reststoffen aus der Milchverarbeitung.

Wer sich die Wirkung landwirtschaftlicher Düngung vor Augen führen will, dem empfiehlt Uwe Schiller eine regelmäßige Begutachtung der Schläge aus der Vogelperspektive. „Drohnenfotos von Ackerkulturen erinnern immer ein bisschen ans Malen nach Zahlen“, sagt der Lohnunternehmer. Denn auf den Luftbildern würden sich sowohl die Wegstrecke als auch die Arbeitsweise des Düngerfahrzeugs abzeichnen. Jede Unregelmäßigkeit in der Spurführung und bei der Dosierung sei nachvollziehbar.

Der gebürtige Niederrheiner ist Inhaber des Unternehmens DST-Agrar mit Sitz in Pöhsig, einem Ortsteil der sächsischen Kleinstadt Grimma (Landkreis Leipzig). Kern seines Dienstleistungsangebotes ist die Düngung. Darin sieht er mehr als nur die Ausbringung von Pflanzennährstoffen zum bestmöglichen Zeitpunkt. „Um den wachsenden Anforderungen beim Umwelt- und Klimaschutz gerecht zu werden, muss Düngung zukünftig eine Reihe weiterer Kriterien erfüllen“, so Schiller. Das beginne bereits bei der Bereitstellung von Düngemitteln, die mit dem geringstmöglichen Einsatz von Energie und Primärrohstoffen erfolgen sollte. Aber auch durch das Schließen heute vielfach unterbrochener Nähr- und Wertstoffkreisläufe ließen sich nach Ansicht des gelernten Landwirts vorhandene Ressourcen nachhaltiger und effizienter nutzen.

Bei der Suche nach Substanzen aus der Lebensmittelverarbeitung, die sich als Dünger für den Pflanzenbau eignen, stieß Schiller auf eine milchigtrübe Flüssigkeit, die gleich in mehrfacher Hinsicht ein Reststoff ist.

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Zusätzliche Hydraulikzylinder drücken das Schlitzgerät auf den Acker, um eine gleichmäßige Tiefenführung zu gewährleisten.

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Das Injektionsgerät verfügt über 37 einzeln aufgehängte Schare und hat, vollständig ausgeklappt, eine Arbeitsbreite von zwölf Metern.

Ein Reststoff in mehrfacher Hinsicht

Es handelt sich um vergorene und nach der Biogasproduktion in einem speziellen Verfahren aufbereitete Dünnschlempe. Dünnschlempe ist ein Nebenprodukt aus der Herstellung von Bio-Ethanol, die in diesem Fall wiederum auf Rückständen der Käseherstellung basiert (siehe Kasten). Die wässrige Lösung enthält nur 0,6 % Stickstoff (nitratfrei, 19 % als Ammonium) aber 1,7 % Phosphat, mehr als 4 % Kalium sowie über 14 Prozent organische Substanz mit den Spurenelementen Natrium, Schwefel und Magnesium. „Natrium, von dem die Lösung circa 14 kg/t enthält, verbessert die Regulierung des Wasserhaushalts der Pflanzen und ergänzt dadurch die Wirkung des Kaliums“, sagt Schiller. Außerdem zeigten die regelmäßigen Analysen einen Gehalt von gut 15 kg Kohlenstoff pro Tonne. Die Applikation von 3 t Flüssigdünger entspreche somit der Humuswirkung von 1 t eingemischtem Stroh.

Damit eignet sich das in konstanter Zusammensetzung anfallende Nebenprodukt als organisches NPK-Düngemittel zur Pflanzenernährung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit. Dies gilt auch für Ökobetriebe, da der Flüssigdünger als Betriebsmittel nach den Richtlinien des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) zertifiziert ist. Für den konventionellen Einsatz stellt die DST-Agrar auf Wunsch durch Zumischung von Ammoniumsulfat-Lösung (ASL), das der Dienstleister ebenfalls als Nebenprodukt bezieht, einen nitratfreien Flüssigvolldünger bereit.

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Die milchigtrübe Flüssigkeit entsteht durch das Vergären von Dünnschlempe und ist ein wertvoller NPK-Langzeitdünger.

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Der auf einem Doppelachsen-Fahrgestell montierte Tank des Injektionsgerätes fasst 14.500 Liter Flüssigdünger.

Den Nährstoffkreislauf klimaschonend schließen

„So kann der ermittelte Phosphat- und Kalibedarf für die gesamte Vegetationsperiode in einer Gabe ausgebracht und gleichzeitig die N-Düngermenge ohne Ertragseinbußen reduziert werden“, merkt der Firmenchef an. Auch Gülle, Gärreste und Jauche ließen sich durch die Zugabe des organischen NPK-Düngers aufwerten und damit deren Transportwürdigkeit erhöhen.

Eine Besonderheit sei der Gehalt an Milchsäurebakterien (ca. 13 bis 18 kg/t). Sie würden das Bodenleben aktivieren und so die Mineralisierung der organisch gebundenen Nährstoffe befördern. Zudem habe man eine hemmende Wirkung auf pilzliche Erreger festgestellt.

Nicht zuletzt schließe sich – ganz im Sinne der von Deutschland verfolgten Nachhaltigkeitsstrategie – mit der nahezu vollständigen Nutzung des Reststoffs aus der industriellen Herstellung von Lebensmitteln (Kat.3-Material) als Pflanzendünger ein bislang unterbrochener Nährstoffkreislauf zwischen Pflanze, Tier und Boden.

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Die Scheiben vor den Düngerscharen zum Durchschneiden des Bodens haben einen Durchmesser von 55 Zentimetern.

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Durch die Injektion des Flüssigdüngers entsteht in der Kultur kein bleibender Schaden.

Bessere Lockwirkung durch tiefe Ablage

Parallel zur Erschließung von Düngemitteln befasste sich Schiller mit Technik zur effizienten und umweltgerechten Ausbringung. Dabei nutzte der 59-Jährige seine Erfahrungen mit dem Cultanverfahren, bei dem Flüssigdünger mittels Injektionsrädern in den Boden der Kultur eingespritzt wird. Dadurch entsteht ein Düngerdepot, aus dem sich die Pflanzen mit ihren bereits ausgebildeten Wurzeln über einen längeren Zeitraum mit Nährstoffen, vornehmlich sofort einlagerungsfähigem und bodenstabilem Ammonium, versorgen. Angestrebte Effekte sind die Einsparung von bis zu 20 % Stickstoff und die Vermeidung von Nitratauswaschungen.

„Die Speichen an den Injektionsrädern dringen allerdings nur etwa 3 bis 5 cm in den Boden ein“, benennt Schiller das Problem bei dieser Technologie. Der obere Bereich sei aber infolge der Klimaveränderung immer häufiger ausgetrocknet. Das vermindere den Düngeeffekt enorm. Als Alternative entwickelte er ein gezogenes Scheibenrad-Injektionsgerät. Es legt das Düngerband in bis zu 15 cm Tiefe mit einem Reihenabstand von 32 cm ab. „Dadurch verringert sich nicht nur die Gefahr, dass die Nährstoffe austrocknen. Die tiefer abgelegten Nährstoffe, vornehmlich der immobile Phosphor, intensivieren durch ihre Lockwirkung außerdem die Ausbildung der Wurzelsysteme. Wodurch sich wiederum die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen bei Trockenperioden verbessert“, merkt Schiller an.

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Als Lager für den Flüssigdünger dienen witterungsbeständige Spezialsäcke am Firmenstandort oder direkt beim Kunden mit einer Kapazität zwischen 100.000 und 300.000 Litern.

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Befülltes flexibles Lager für den Flüssigdünger.

37 Düngerschare auf 12 Metern Arbeitsbreite

Hauptkomponenten der Innovation sind das auf einem doppelachsigen Fahrwerk montierte Fass mit 14.500 l Fassungsvermögen sowie die an der verlängerten Deichsel angebrachten Aggregate zum Applizieren, Pumpen und Verteilen des Flüssigdüngers. In einer zweiten, gezogenen Variante befindet sich das Fass auf dem Systemschlepper Claas Xerion.

Das Injektionsgerät verfügt über 37 einzeln aufgehängte Schare und hat, vollständig ausgeklappt, eine Arbeitsbreite von 12 m. Vor den Düngereinlegescharen, die sich auf eine Injektion im Bereich zwischen 6 und 15 cm einstellen lassen, läuft eine Scheibe, die den Boden bis auf eine Tiefe von 20 cm vorschneidet. Bei einer Arbeitsgeschwindigkeit von 8 bis 9 km/h werden 300 PS, in bergigem Gelände 400 PS Zugkraft benötigt. Das komplette Gespann mit gefülltem Fass wiegt rund 34 t. Das relativ geringe Gewicht ist gut für den Boden, reicht aber nicht, um die Aggregate bei trockenen Verhältnissen in konstanter Tiefe zu führen. Dafür sorgen Hydraulikzylinder, die das Schlitzgerät mit einer zusätzlichen Kraft von 12 t auf den Acker drücken.

Die Regelung der injizierten Flüssigdüngermenge erfolgt über Durchflussmesser und die entsprechende Steuerung der Ventilöffnung. Überschüssige Mengen fließen über einen Bypass zurück in den Tank. „Für die Nährstoffabdeckung reichen in aller Regel 3 t/ha. Das zeigen die nachfolgend durchgeführten Analysen. Wir müssen bei der Bedarfsermittlung aufpassen, dass es nicht zu einer Überversorgung mit Natrium kommt“, berichtet Schiller vom praktischen Einsatz der Düngertechnologie auf jährlich rund 4.000 ha in Westsachsen, der Oberlausitz und Südbrandenburg. Bei einem Mix von organischem NPK-Dünger mit ASL bestimmt die schlagbezogene Stickstoff- und Phosphorbilanz das Mischungsverhältnis. „Die Ausbringmenge an Stickstoff können wir dabei auf 0,8 t/ha, gegebenenfalls auch weniger reduzieren, bei gleichzeitiger Versorgung mit den anderen Pflanzennährstoffen. Das ist zum Beispiel auf sehr leichten Standorten hilfreich“, ergänzt Martin Kretzschmar. Der 32-jährige Landwirtschaftsmeister leitet den Standort der DST-Agrar im brandenburgischen Dahme.

Mehr Nachfrage als verfügbare Kapazität

Auf Wunsch übernimmt das Unternehmen unmittelbar vor der Applikation eine Analyse der wichtigsten Bodenparameter. Zum Einsatz kommt dafür ein sogenannter Sensorspaten, der die Werte praktisch in Echtzeit auf dem Display anzeigt. Ebenso ist eine Kontrolle des Düngeerfolgs per Drohnenkamera möglich.

Die Saison zur Einbringung des Flüssigdüngers beginnt für den Dienstleister am 1. Februar zunächst auf Grünland. Dann folgen Getreide, anschließend Mais. „Ich bekomme mehr Aufträge, als ich bewältigen kann. Lohnunternehmen, die ihren Kunden dieses bislang einmalige Düngeverfahren anbieten wollen, können sich gern bei mir melden“, sagt Schiller. Die Kulturen werden meist schräg zur Saatrille mit dem Scheibenrad-Injektionsgerät überfahren. Durch die präzise Ablage von bis zu 3.200 l/ha ohne die Gefahr von Abdrift und Ammoniakverlust ist eine Applikation bis zu einem Meter an Gewässerrändern zulässig.

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Firmenchef Uwe Schiller mit dem Sensorspaten zur Bodenanalyse und Martin Kretzschmar, Leiter des Standorts Dahme, mit einer Drohne für die Kontrolle des Düngeerfolgs vor dem selbst entwickelten Scheibenrad-Injektionsgerät.

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Mit der Messspitze des Sensorspatens können vor der Düngerausbringung die wichtigsten Bodenparameter in Echtzeit ermittelt werden.

Ziel ist Ablage mit regelmäßigen Lücken

Als Zwischenlager für beide Düngerkomponenten dienen witterungsbeständige Spezialsäcke des französischen Herstellers Labaronne Citaf. Die flexiblen Behälter mit einer Kapazität zwischen 100.000 und 300.000 l befinden sich an den Firmenstandorten oder auch direkt bei den Kunden. Den Transport zwischen Lebensmittelindustrie, Lager und Einsatzort übernehmen Tankfahrzeuge mit Pumptechnik an Bord. Darüber hinaus stehen zwei, ebenfalls mit eigener Pumptechnik ausgestattete Dreiachs-Fässer für die Pufferung am Feldrand zur Verfügung. Jedes der Scheibenrad-Injektionsgeräte muss in der Saison täglich mit 125 t Dünger, also rund fünf Lkw-Ladungen, beliefert werden.

Der Firmenchef knobelt an einer weiteren Verbesserung des Verfahrens. Kürzlich gelang die Fertigstellung einer Gerätemodifikation, die eine Injektion des Flüssigdüngers bis in eine Tiefe von 20 cm ermöglicht. „Dies erfolgt dann aber nicht in stehenden Kulturen, sondern beispielsweise in die Ernterückstände vor der Neuaussaat“, erläutert der Lohnunternehmer. Damit die Pflanzenwurzeln auf ihrem Weg zum Depot weiteren Boden und damit Nährstoffe und Wasser erschließen, arbeitet er gemeinsam mit Forschenden an der TU Chemnitz an einem System zur Impulsinjektion, das den Düngerstreifen mit regelmäßigen Unterbrechungen in den Boden einbringt. „Das wäre dann eine Ablage wie bei der Cultandüngung mit Injektionsrädern, nur eben zwei Etagen tiefer und damit deutlich wirkungsvoller“, meint Schiller.

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Erster Einsatz des modifizierten Reiheninjektors mit 20 Zentimetern Ablagetiefe und 6 Metern Arbeitsbreite am Claas Xerion auf einem abgeernteten Getreidefeld.

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Die neueste Variante des Reiheninjektors für eine 20 Zentimeter tiefe Ablage des Flüssigdüngers nach der Ernte wird in der Endversion noch mit einem vorlaufenden Scheibenrad komplettiert, das den Boden entsprechend vorschneidet.

Hintergrund – So entsteht NPK-Dünger aus Dünnschlempe

Das Verfahren zur stofflichen und energetischen Nutzung von Dünnschlempe basiert auf Forschungen des Dresdener Fraunhofer-Instituts für keramische Technologien und Systeme IKTS in Kooperation mit der Sachsenmilch Leppersdorf GmbH. Dünnschlempe, die viele organische Säuren enthält, verbleibt bei der Herstellung von Bioethanol aus Reststoffen der Molkereiverwertung und wurde früher kostenaufwendig entsorgt.

Die Verarbeitung der Schlempe erfolgt in mehreren Prozessschritten. Zunächst vergären deren organische Bestandteile in einem nach dem EGSB (Expanded-Granular-Sludge-Bed)-Prinzip arbeitenden Hochleistungsvergärungsreaktor zu Biogas. In der darauffolgenden Prozessstufe werden die anorganischen Inhaltsstoffe, insbesondere Ammonium und Phosphat, durch die Zugabe von Reaktorchemikalien abgetrennt. Im Ergebnis entsteht der NPK-Langzeitdünger.

W. Rudolph


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