Traditionsschmieden: Die Letzten ihrer Art

Seit über 220 Jahren krachen im Frankenwald die Hämmer auf glühende Stahlstücke und formen daraus Werkzeuge. Die Traditionsschmiede Krumpholz hat eine Nische entdeckt, aus der ein massives Standbein wurde: Hochwertige Gartenwerkzeuge.

Handwerk: Traditionsschmieden: Die Letzten ihrer Art

Die Abläufe in der Schmiede Krumpholz laufen hier zwischen den Maschinen und Mitarbeitern Hand in Hand, ohne viel Kommunikation weiß jeder, was als nächstes zu tun ist. Ein zweites Mal wird hier kein Stück erhitzt.

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Drei Generationen: Senior Georg Krumpholz (links) zusammen mit seinem Sohn Claus und Schwiegertochter Elke sowie Juniorchef Claus Georg.

Der Weg zu einer bekannten Marke war für die oberfränkische Schmiede nicht einfach, denn die händisch geformten Geräte konkurrieren mit günstigen Produkten aus Fernost. Immer mehr Kunden wollen bei der Arbeit aber wieder etwas Langlebiges in der Hand haben. Dinge, die man über Generationen vererben kann. Das war jedoch nicht immer so: Als in den 90er Jahren die Fertigungsmöglichkeiten in Osteuropa erschlossen wurden, gingen viele Aufträge eher dort hin, die Produktion in Deutschland war zu teuer, da die hohe Qualität nur Wenige interessierte. Im Bauwesen und in der Forstwirtschaft war häufig nur noch der Preis entscheidend. In den 2000ern kam schließlich noch mehr günstige Ware aus China auf den europäischen Markt.

Auch eine von Krumpholz belieferte große Baumarktkette versuchte daher, den Preis stark zu drücken: „Das wäre wirtschaftlich jedoch nicht mehr machbar gewesen, weshalb wir den Kunden ziehen ließen“, erzählt Juniorchef Claus Georg Krumpholz. Er ist die achte Generation am Guttenbergerhammer, wie der im Wald versteckt gelegene Ort offiziell heißt. Im Jahr 2003 übergab Großvater Georg das Geschäft an seinen Sohn Claus, der die zuvor als Konkurrenz angesehenen Länder in Osteuropa nun als neuen Markt entdeckte. „Dort war der Slogan ‚Made in Germany‘ noch sehr viel wert, außerdem wurde noch viel mit der Hand gearbeitet, weshalb unsere Produkte dort sehr gut ankamen“, erklärt der inzwischen ebenfalls zum Familienunternehmen gehörende Enkel Claus Georg Krumpholz. „Trotzdem war es zum Überleben zu wenig – und zum Sterben zu viel.“ Direkte Konkurrenz habe man in Deutschland kaum noch, laut seines Wissens gäbe es lediglich noch einen Betrieb in Norddeutschland, der jedoch nur Spaten schmiede. Eigentlich ein Zeichen, dass für ihre Produkte hierzulande einfach kein Markt mehr vorhanden ist.

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In den Öfen werden die Werkstücke zum Glühen gebracht.

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Im ersten Arbeitsschritt drückt ein Stempel das Loch für den späteren Stiel in den Rohling eines Spalthammers.

Der Zufall wollte es dann, dass etwa im Jahr 2005 die Großmutter mit einem uralten Sauzahn in die Schmiede kam: Das universelle Gartenwerkzeug war technisch noch völlig in Ordnung, es bedurfte lediglich eines neuen Stiels. Inspiriert durch das historische Werkzeug entstand die Idee, dieses Segment künftig stärker auszubauen und damit neben der Baubranche und der Forstwirtschaft einen komplett neuen Kundenstamm zu gewinnen. „Hier trafen wir einen Nerv, der Trend zum Garten war gerade im Kommen. Anders als im Profisegment spielt beim Hobby das Geld weniger eine Rolle, hier kaufen viele eher emotional. Bei Firmen dagegen wird wesentlich wirtschaftlicher gedacht“, weiß der 31-jährige Juniorchef. Für den Verkauf zielte man auf kleine Gartenmärkte und entsprechende Einzelhändler, was anfangs nicht einfach war. Denn dort war Werkzeug bisher nicht üblich, das kaufe man schließlich im Baumarkt. Schlussendlich konnte man aber drei Gartencenter überzeugen, ihre Produktpalette ins Sortiment zu nehmen.

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Der Rohling eines Spalthammers in der Presse.

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Am Hammer bekommt der Stahl von Hagen Mund seine Form aufgezwungen.

Das Modell funktionierte und sprach sich herum, es folgten immer mehr Kunden aus der grünen Branche, heute sind es über 120 Händler. So gelang es dann, Krumpholz als eigenständige Marke zu etablieren, vorher war man meist nur ein unbekannter Zulieferer gewesen. Ein entsprechendes Shopsystem für Einzelhändler hat man inzwischen ebenfalls parat, wodurch die Produkte ansprechend präsentiert werden können. Der Sauzahn geht inzwischen jedes Jahr etwa 5.000 mal über den Tisch. Daneben diverse andere Geräte, wobei verschiedene Werkzeuge zusätzlich auch um eine spezielle Variante für Frauen erweitert wurden, etwa den Damenspaten. So bleiben die Franken weiter innovativ und entwickeln auch neue Formen wie den Spork, eine Mischung aus Spaten und Gabel für viele Einsätze: Damit kann man harte, schwere Erde umgraben und lockern, Wurzeln durchtrennen, Unkraut entfernen, den Boden lockern, Pflanzarbeiten erledigen sowie den Rasen lüften und dessen Kante abstechen. Große Ketten wolle man künftig jedoch nicht mehr beliefern, da dort häufig noch immer der Preis über der Qualität stehe. Die kleinen Einzelhändler, die unter anderem auch online verkaufen, passten viel besser zum Familienunternehmen. Dadurch belaufen sich deren Bestellungen dann zwar jeweils auf geringere Stückzahlen, was durch viele solcher Kunden einen größeren logistischen Aufwand bedeutet, dafür sei man aber nicht von einem Großkunden und dessen preislichen Vorstellungen abhängig.

Eigenen Katalog erstellt

Als vor sechs Jahren der Durchbruch als Marke immer deutlicher wurde, beschloss Claus Georg Krumpholz, dass die Firma einen eigenen, hochwertigen Katalog benötigt. Neben seinem Studium der Werkstoffwissenschaften verbrachte er zusammen mit einem Freund viele Abende damit, digitale Fotos aller Produkte freizustellen, sprich den Hintergrund sauber auszuschneiden. Auch das zahlte sich aus, da nun viele neue Kunden auch auf Messen akquiriert werden konnten: „Eine der wichtigsten ist inzwischen die Internationale Pflanzenmesse IPM in Essen, dort wird uns der Stand eingerannt. Metall- und Eisenwarenmessen sind dagegen völlig uninteressant für uns geworden, da wir unsere potentielle Kundschaft dort nicht antreffen“, weiß Krumpholz.

Die Krönung der letzten Jahre waren dann verschiedene Preise. Neben regionalen Innovations- und Designpreisen von HWK und Landkreis folgte 2018 etwa der Taspo-Award: Krumpholz hat diesen als erstes Unternehmen der Werkzeugbranche überhaupt gewonnen. Er gilt als wichtigster jährlicher Branchenpreis der Gartenbau- und Gartencenterbranche. Ein Jahr später folgte die erneute Aufnahme in die „Marken des Jahrhunderts“, nach eigener Aussage die „Königsklasse der Marken der deutschen Wirtschaft“. Dort steht man neben bekannten Namen wie 4711, dem Duden oder Faber-Castell. Krumpholz wurde als einziges Unternehmen der Garten-, Forst- und Werkzeugbranche nach 2016 erneut ausgezeichnet. Ausschlaggebend waren „Innovative und nachhaltige Werkzeuge, die in puncto Technik, Verarbeitung und funktioneller Ästhetik Standards setzen.“ Seit 2017 ist Krumpholz zudem Mitglied des „Rat für Formgebung“, der vom deutschen Wirtschaftsministerium und einer Jury bestimmt wird. Unter anderem sind hier auch Größen wie Adidas, Bosch oder Porsche vertreten.

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Die Kanten der Spalthammer-Spitze werden nach Augenmaß vom glühenden Rohling abgekniffen.

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Das Härten im Wasser erfordert viel Erfahrung, denn Thermometer oder Stoppuhr gibt es hier nicht.

Außerdem wird bei Krumpholz heute auch wieder ausgebildet. Einer ihrer heute wichtigsten Männer musste dafür hartnäckig bleiben: Hagen Mund wollte unbedingt bei der Schmiede arbeiten, damals lief es dort aber noch nicht so rosig, weshalb man eigentlich keine Azubis beschäftigte. Er rief jedoch immer wieder an, was die Familie schließlich davon überzeugte, dass es der eigentlich als Koch Tätige ernst meint. Also stellte man ihn ein. Sieht man ihn heute mit einem über 1.200 °C heißen Stück Stahl in der Zange lässig durch die Werkstatt eilen, erkennt man sofort, dass er hier seine Leidenschaft gefunden hat: Geübt steuert er den wuchtigen mechanischen Hammer mit dem Fußpedal, damit genau die richtige Kraft auf den künftigen Spalthammer wirkt. Würde er blind Vollgas geben, spränge ihm das glühende Teil durch die Keilwirkung sofort unhaltbar entgegen. Schmieden braucht daher neben Kraft auch viel Gefühl und Erfahrung – ein Thermometer sieht man hier nirgends. Die Handwerker sehen der Glutfarbe die Temperatur an und wissen so auch ganz genau, wann sie das Stück bis zu welchem Punkt anschließend ins kalte Wasser tauchen müssen, um für jedes Werkzeug die individuell richtige Härte zu erreichen. Hagen Mund wurde bester Metall-Lehrling der Region und macht nun neben der Arbeit an Hammer und Presse seinen Meister. Geht es um neue Entwicklungen, sitzt er zusammen mit anderen Mitarbeitern und den Chefs auch schon mal bis spät in die Nacht an den Entwürfen. Insgesamt sind derzeit etwas über 20 Mitarbeiter bei Krumpholz beschäftigt.

Standort im Tal

Seit über 220 Jahren ist die Schmiede im Besitz der Familie, ein Teil der heute noch intakten Grundmauern ist jedoch schon über 300 Jahre alt. Während ihrer langen Geschichte wurde natürlich immer wieder an- und umgebaut. Da die Firma über die letzten Jahre langsam und beständig wuchs, wagte man sich schließlich an einen komplett neuen Anbau, der 2019 fertiggestellt wurde. So konnten die Maschinen auch an die erweiterten Produkte angepasst und umgestellt werden. Der große Hammer steht dafür auf einem über 20 m2 großen Fundament, das 3,5 m in die Tiefe ragt. Trotzdem spürt man jeden Schlag, wenn der 300 kg schwere Kopf nach unten gerammt wird. „Daher ist für uns der einsame Standort im waldigen Tal auch so wichtig, einfach in ein Gewerbegebiet umsiedeln funktioniert nicht: Unsere Nachbarn würden auf Grund der Vibrationen wahnsinnig werden“, erklärt Krumpholz. Durch den traditionellen Standort kann man auch auf die entsprechenden Energieformen zurückgreifen: Wo früher ein Wasserrad die Hämmer mechanisch antrieb, erzeugt heute eine Wasserkraftturbine den eigenen Strom, was die Maschinen nicht benötigen, speist man ins Netz ein.

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Händler beliefert Krumpholz durch individuelle Bestellung auch gerne mit Kleinmengen.

Auch kleinere Aufträge übernimmt man gerne. Vor einigen Jahren stand ein Kunde mit einer historischen Rodehacke vom Großvater vor der Türe. Das Gerät wird seit jeher zur Arbeit in schwerem, verwurzeltem Boden und zum Roden von Sträuchern wie Brombeeren im Forst verwendet. Das Problem des Herrn: Er hat zwei Söhne – und nur eine Hacke. Krumpholz fertigte nach dem Muster eine weitere für ihn und nahm das Werkzeug direkt in den Katalog auf. „Das verdeutlicht auch, dass wir ein Handwerksbetrieb bleiben wollen. Wir möchten gar nicht mit großen Marken konkurrieren, die von Supermarkt über Tankstelle bis Baumarkt überall verkaufen. Es ist groß, klein zu bleiben“, sagt Krumpholz. Dennoch hat man inzwischen auch den Export ausgebaut, der wie ein Franchise funktioniert: Der Name wird durch einen Generalimporteur in diversen Ländern geführt, neben ganz Europa sind so auch Südafrika, Australien, Russland und Südkorea erschlossen. „Das hätten wir vor zehn Jahren niemals gedacht und macht uns unheimlich stolz.“ Auch Corona konnte den Aufschwung nicht stoppen: Im Frühjahr bangte man lediglich eine Woche, da die Gartenmärkte schließen mussten. Dann kam die Heimwerker-Welle, da viele im Lockdown zuhause waren, wodurch die Verkaufszahlen der Online-Händler explodierten: Im Mai waren deren Umsätze bereits auf dem Stand des kompletten Jahres 2019. Zu Weihnachten werden meist ebenfalls viele ihrer Werkzeuge verschenkt, etwa das Waldläuferbeil aus der neu etablierten Outdoor-Sparte. Dafür müssen die Lager prall gefüllt sein. Daher stehen bei Krumpholz die Hämmer noch lange nicht still.

 


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