Mit Wissen und smarter Technik mehr Milch vom Grünland

In fünf Schritten gelangen der Rinderhof Agrar GmbH und weiteren Betrieben eine deutliche Verbesserung der Grünlandbestände und damit der Futterqualität. Technische Unterstützung erhalten die Landwirte durch die teilflächenspezifische Nachsaat im Rahmen des Projekts Smart4Grass.

Grundfutter: Mit Wissen und smarter Technik mehr Milch vom Grünland

Die sensorgesteuerte Säeinheit auf dem Grünlandstriegel Green.Rake von Düvelsdorf dosiert die Saatgutmenge entsprechend der Bestandsdichte.

Grundfutter: Mit Wissen und smarter Technik mehr Milch vom Grünland

Bei einer Wiesenbegehung im thüringischen Seub- tendorf erläutert Grünlandexperte Hans Koch (links)die unterschiedliche Wurzelausbildung der Gräser.

Wenn Hans Koch über Wiesen spricht, spürt man schnell seine Leidenschaft fürs Grünland. Der BayWa-Berater macht keinen Hehl daraus, dass es ihn ärgert, wenn diese Kultur unterbewertet und stiefmütterlich behandelt wird. Denn insbesondere für viehhaltende Betriebe biete das Grünland bei durchdachter Pflege eine ganze Reihe interessanter Möglichkeiten für Kosteneinsparungen und mehr Effizienz bei gleichzeitiger Verbesserung des Umweltschutzes.

Um zu zeigen, was machbar ist, hoben die Unternehmen BayWa, Düvelsdorf, Fritzmeier Umwelttechnik und FarmFacts die Initiative Smart4Grass aus der Taufe. In diesem Rahmen werden seit 2015 insgesamt acht Agrarunternehmen bei der nachhaltigen Aufwertung ihrer Grünlandbestände mit Know-how und Technik unterstützt. Zu ihnen gehört die Rinderhof Agrar GmbH im thüringischen Seubtendorf, die bei einer Gesamtnutzfläche von 1.700 ha rund 500 ha Grünland als Futtergrundlage für 600 Milchkühe mit Nachzucht und 500 Bullen bewirtschaftet. In den Ställen und beim Pflanzenbau sowie in der Biogasanlage mit einer Leistung von 365 kWel sind 37 Mitarbeiter und 4 Lehrlinge beschäftigt.

Im vergangenen Jahr hatten der Agrarbetrieb sowie die Projektpartner von Smart4Grass Landwirte aus der Region eingeladen, um die bisher erzielten Ergebnisse vorzustellen.

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Der Gründlandstriegel Green.Rake von Düvelsdorf mit der über den Federdruck einstellbaren Einebnungsschiene und den einzeln in Parallelogrammen geführten Striegelfeldern mit 50 mm Zinkenabstand.

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Sensorkopf des Isaria von Fritzmeier mit zwei Infrarot- und zwei Normallicht-LED sowie dem mittig sitzenden Detektor.

Höhere Milchleistung durch besseres Grundfutter

Erstmals wurde bei diesem Termin zudem die neu entwickelte Methode der teilflächenspezifischen Grünlandnachsaat auf einer Wiesenfläche vorgeführt. In diesem Frühjahr ist eine weitere Veranstaltung dieser Art in Seubtendorf geplant.

„Als Herr Koch an mich herantrat, war ich erst skeptisch. Schließlich hatten wir nach Verlassen des KULAP-Programms selbst schon einiges für die effiziente Nutzung unseres Grünlands getan, unter anderem durch Meliorationsmaßnahmen. Seit dem vergangenen Jahr setzen wir außerdem einen Greenmaster von Güttler als Pflegegerät ein“, berichtet Geschäftsführer Bernd Prager. Doch die Ergebnisse von Smart4Grass nach nunmehr vierjähriger Laufzeit hätten ihn überzeugt.

Im Schnitt konnten die beteiligten Betriebe nach Aussage von Koch die Jahresmilchleistung ihrer Kühe um 400 bis 500 kg pro Tier durch eine 10- bis 15-prozentige Verbesserung des Grundfutters insbesondere beim Proteingehalt steigern. „In diesem Jahr werden wir, sofern die Landwirte damit einverstanden sind, genaue Zahlen zu den erzielten Effizienzsteigerungen und Kostenersparnissen veröffentlichen“, kündigt der Grünlandexperte an.

Die kontinuierliche Aufwertung der Flächen erfolgt bei Smart4Grass in fünf Schritten, die sich je nach Bedarf wiederholen, um eine gleichbleibend hohe Futterqualität zu erzielen. Am Anfang steht die Bodenuntersuchung mittels Beprobung. Darauf sowie auf Wiesenbegehungen und Satellitenkarten von FarmFacts, die unter anderem die teilflächenspezifischen Ertragspotenziale aufzeigen, basiert dann die Grünlandbestandsaufnahme. Im dritten Schritt erfolgt die erforderliche Düngung der Wiesen (Phosphat, Kalk). Es folgen abgestimmte Pflegemaßnahmen durch Striegeln, Abschleppen und Walzen. Der fünfte Schritt beinhaltet die Nachsaat und Dokumentation.

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Erstmals präsentierten Fritzmeier Umwelttechnik und Düvelsdorf ihr System zur teilflächenspezifischen Grünlandnachsaat auf der Agritechnica 2017.

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Bernd Scheurich von Düvelsdorf informiert über die Funktionen und Einsatzmöglichkeiten des Grünlandstriegels Green.Rake mit Säeinheit.

Mehr Spielraum bei der Düngerausbringung

„Wichtig ist es, dran zu bleiben und zu verinnerlichen, dass Grünland die gleiche überlegte Herangehensweise erfordert wie etwa ein Weizenbestand“, nennt Koch als Erfolgsrezept. Dann sei es möglich, Grassilage zu erzeugen, die auf dem Niveau von Milchleistungsfutter liege oder diesem doch zumindest nahe komme, also mit einem Energiegehalt von 6,8 bis 7,1 Megajoule (MJ) und 16,5 bis 19 % Protein.

Ein bislang noch wenig beachteter Effekt bei der Grünlandverbesserung sei außerdem die Möglichkeit der Derogation, die Betrieben mit hohem Grünlandanteil mehr Spielraum bei der Düngeausbringung eröffne. Gemäß alter Düngeverordnung können demnach auf Antrag mit jedem über dem Durchschnitt liegenden Prozent Protein in der Grasernte pro Hektar etwa 30 kg Stickstoff mehr als die festgelegte N-Gesamtmenge gedüngt werden. „Im Moment ist da noch einiges in der Schwebe, aber ich denke, dass solch eine Regelung für Tierhalter in den Auslegungsverordnungen zum Düngegesetz ihren Niederschlag findet“, meint Koch. Schließlich gebe es dafür überzeugende Argumente. So hätten Versuche gezeigt, dass die dichtere Grasnarbe die zusätzlichen Nährstoffgaben komplett aufnimmt und auch benötigt, was Auswaschungen ins Grundwasser entgegen stehe und dem Gedanken eines geschlossenen Stoffkreislaufs entspricht.

Für eine Derogation bei der Düngeausbringung spreche ebenso die Aussicht auf eine Reduzierung klimaschädlicher Sojatransporte über weite Strecken. Koch hat überschlagen, dass die Erhöhung von drei Prozentpunkten Protein auf 100 ha Wiese einem Äquivalent von 50 t Sojaschrot entspricht. „In Deutschland gibt es rund acht Millionen Hektar Grünland. Etwa die Hälfte davon wird für Wiederkäuer gepflegt. Gelänge es, weitere drei Millionen Hektar in die Bewirtschaftung einzubeziehen, ließen sich 80 Prozent der Sojaimporte einsparen“, rechnet der Experte vor.

Bei Einsatz eines Schlitzgerätes, gegebenenfalls durch einen Dienstleister, sei es besonders effizient, wenn die Ausbringung von Gülle oder Gärresten mit der Nachsaat kombiniert werde. „Wir haben das ausprobiert. Es funktioniert sehr gut“, sagt Koch.

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Ist Wegerich oder Ampfer in der Wiese, dann findet man handbreit außenherum nichts anderes.

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Organische Substanz wie Restgras vom letzten Schnitt wird beim Striegeln eingearbeitet und wirkt wie Dünger.

„Beißen Sie doch mal selbst ins Gras“

Aber auch beim Düngen gelte es, überlegt vorzugehen. Werde beispielsweise nicht vorher die jährige oder gemeine Rispe rausgestriegelt, dünge man dieser „direkt ins Maul“, da ihre Wurzeln höher liegen als die der Gräser. Die belebende Wirkung der Bodenbelüftung durch regelmäßiges Striegeln lasse sich durch das wechselweise Anlegen von gestriegelten und ungestriegelten Streifen testen.

Ebenso müsse beim Schnitt die gleiche Sorgfalt walten, wie bei der Ernte in anderen Kulturen. Im Weizen würde schließlich auch niemand eine Feuchtfläche mit Befall von Fusarium oder Steinbrand einfach mit reindreschen und so die ganze Partie verderben. Bei der Grasernte nehme man das in der Praxis weniger genau und mähe alles ab, einschließlich der Randbereiche.

Um die Unterschiede beim Grünland-Futter, das den Tieren vorgesetzt wird, zu verdeutlichen, empfiehlt Koch gern, mal selbst ins Gras zu beißen und freut sich dann über die verdutzten Gesichter seiner Zuhörer. Er meint es jedoch ganz wörtlich. Denn bei hochwertigen Gräsern schmeckt man nach kurzem Kauen den Zuckergehalt von 17 bis 18 Prozent, dagegen hat man bei gemeiner Rispe, Storchschnabel, Wiesenfuchsschwanz oder Ampfer einen eher bitteren oder sauren Geschmack im Mund.

„Grünland ist unter dem Gesichtspunkt der Kulturlandschaftspflege ein politischer Faktor. Doch der Landwirt muss abwägen, welche Flächen er ins Umweltprogramm nimmt“, rät Koch. Auf einer KULAP-Wiese dürfe schon mal was blühen. Für eine effiziente Grundfutterproduktion gehörten solche Pflanzen jedoch nicht ins Gras.

Zu beobachten sei, dass sich klassische Gräser wie Wiesenrispe, Wiesenschwingel, Glatthafer oder Straußgras zunehmend schwerer durchsetzen. Den Grund dafür sieht der Experte in den höheren Maschinengewichten. Auf den dadurch verursachten Bodendruck würden gerade die alten Gräser sensibel reagieren, insbesondere durch eine geringere Wurzelausbildung. Neben der strikten Vermeidung unnötiger Überfahrten und bodenschonender Bereifung könne hier das Gülleeinschlitzen als Gegenstrategie wirken.

Bei der Wahl des Saatguts für die Wiesennachsaat plädiert Koch für ein modifiziertes Vorgehen, das die unterschiedlichen Keimzeiten berücksichtigt. So brauche man im Frühjahr Arten, die innerhalb von acht Tagen auflaufen, beispielsweise Deutsches Weidelgras und Weißklee. Dagegen hätten Rotklee, Wiesenschwingel oder Lieschgras eine Dormanz von 21 Tagen, an denen es möglichst feucht sein sollte. Diese Arten setze man daher im August und September für die Nachsaat ein, wenn eine höhere Wahrscheinlichkeit für Tau besteht.

Prinzipiell kämen für Hochleistungsfutter nur zum optimalen Zeitpunkt gesäte Gräser- und Kleearten mit einer 8er Futterwertzahl in Betracht. Rotklee enthalte, ähnlich wie der auf Sandböden eingesetzte Hornklee, Tannin. Dieser Stoff stabilisiere das Protein in der Silage. An der Kennzeichnung „M“ lassen sich Grasarten mit Mooreignung erkennen. Das hat mit dem Moor im eigentlichen Sinne nichts zu tun, sondern bedeutet, dass sie für wechselfeuchte Standorte geeignet, also robust gegen Staunässe und Austrocknung sind. Diese Fähigkeit besitzen etwa zehn Prozent der Deutschen Weidelgrassorten.

Lückensensor steuert die Grünlandnachsaat

Ein Problem ist bislang, dass die Nachsaat mehr oder weniger ungeregelt und nicht nach dem tatsächlichen Bedarf auf den unterschiedlichen Arealen des Grünlands erfolgt. Dadurch wird an lichten oder gar kahlen Stellen zu wenig, in dichtem Bestand dagegen unnötig viel gesät.

Hierfür fanden die Smart4Gras-Projektpartner Fritzmeier Umwelttechnik und Düvelsdorf eine Lösung. Sie besteht aus dem Grünlandstriegel Green.Rake mit aufgesattelter Säeinheit und Walze sowie zwei am Frontbereich des Traktors montierte Isaria Pflanzensensoren. Das System war eine Neuheit auf der Agritechnica 2017 und wurde bei der Infoveranstaltung zur Grünlandverbesserung in Seubtendorf erstmals im Praxiseinsatz vorgeführt.

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Josef Prücklmaier, Produktmanager und Entwicklungsingenieur bei Fritzmeier Umwelttechnik.

Die beiden Sensoren sind jeweils mit vier LED-Lampen ausgestattet, die Licht in unterschiedlichen Wellenlängen abstrahlen – im infraroten als auch im sichtbaren Spektralbereich. In der Mitte des Sensorkopfs misst ein Detektor das von den Blättern bzw. der Bodenoberfläche reflektierte Licht und leitet das Signal an den Bordcomputer weiter. Dort errechnet eine Software aus den eingehenden Daten und bereits gespeicherten Kalibrationskurven als Referenzwert Vegetationsindizes für die Bodenbedeckung und die Stickstoffaufnahme der Pflanzen. „Für eine verlässliche Berechnung benötigt man sehr viele Kalibrationskurven, die wir auf Wiesenflächen in ganz Deutschland mit Handgeräten aufgezeichnet haben“, erläutert Fritzmeier-Projektmanager Josef Prücklmaier.

Die Vegetationsindizes und die für die Justierung des Sensors zu Beginn manuell eingegebene Anzahl der Tage nach dem letzten Schnitt wiederum bilden die Grundlage für den Algorithmus zur Online-Steuerung der pneumatischen Säeinheit auf dem Striegel. So regelt sich automatisch die Saatgutdosierung entsprechend der Pflanzendichte. Das entlastet nicht nur den Fahrer und spart Saatgut, sondern dient auch der Unkrautregulierung. Denn Ampfer, dessen Samen zum Teil über die Gülle auf die Fläche kommen, zum Teil durch die Maschinen breit gefahren werden, braucht ca. 80 Tage um sich in einer Bestandslücke zu etablieren. Nachgesätes Deutsches Weidelgras keimt bereits nach acht Tagen, schließt die Lücke und wirkt dadurch als natürlicher Gegenspieler.

Bei der Vorstellung des Grünlandstriegels Green.Rake verweist Bernd Scheurich von Düvelsdorf unter anderem auf die einzeln aufgehängten und in einem Parallelogramm geführten Striegelfelder, was eine gute Bodenanpassung gewährleiste. Bei Einstellung des Zinkendrucks durch Veränderung des Winkels der Striegelzinken wird der daraus resultierende Höhenunterschied über das Parallelogramm ausgeglichen. Dadurch könne aggressiv mit spitzem Winkel gestriegelt werden, ohne dabei übermäßig stark auf den Boden zu drücken. Die pneumatische Sämaschine liefert der österreichische Hersteller Technik-Plus. Die Seed.Con-Steuerung, die die Signale des Isaria-Sensors von Fritzmeier einbezieht, ist eine Eigenentwicklung von Düvelsdorf.

Im Rahmen des Smart4Grass-Projektes sind bereits Weiterentwicklungen für eine optimale Grünlandpflege angedacht. So soll der Pflanzensensor künftig nicht nur die Lücken erkennen, sondern auch die Biomasse messen und daraus die teilflächenspezifische Düngergabe berechnen. Möglich ist auch eine Kombination mit der Striegelintensität. So würde sich bei Bestandslücken neben der Nachsaatmenge auch die Striegelintensität erhöhen, damit sich die Grassamen besser etablieren. Ebenso könnte in Arealen mit starkem Unkrautdruck aggressiver gestriegelt werden.

Auf Nachfrage tritt Bernhard Limbrunner, Leiter Digital Farming und Sensor Technology bei Fritzmeier, Befürchtungen entgegen, dass durch den Wechsel des Sensorspezialisten zum neuen Vertriebspartner CNH die Fortsetzung des Projekts Smart4Grass gefährdet sei. „Wir bleiben auf jeden Fall dabei und planen, den kürzlich vorgestellten kompakten Pflanzensensor Isaria Basic für die Steuerung der teilflächenspezifischen Grünlandnachsaat mit einzubeziehen“, informiert Limbrunner.

Sobald es die Witterung erlaubt, rollt der Grünlandstriegel mit sensorgesteuerter Sämaschine auch wieder auf den Wiesen der Rinderhof Agrar GmbH in Seubtendorf. „Gerade für die Ausbesserung der Schäden, die der trockene Sommer 2018 hinterlassen hat, ist es wichtig, das Saatgut optimal einzusetzen“, sagt Grünlandexperte Hans Koch.


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