Export: „Das ist Wahnsinn!“

Behörde inspiziert Pressen mit Zahnarztspiegel, um Pflanzenpartikel nachzuweisen – Britischer Exporteur von gebrauchten Landmaschinen gibt auf

Großbritannien: Export: „Das ist Wahnsinn!“

Nur penibel gereinigte Landmaschinen erhalten ein Exportzeugnis.

Hailsham ist eine kleine Ortschaft südöstlich von London und Sitz von Alex Holts „Holtractors“, einem Unternehmen, das auf den Handel mit gebrauchten Landmaschinen spezialisiert ist. Ein Großteil der Modelle wurde bislang in osteuropäische EU-Staaten exportiert. Alex Holt exportiert seit Jahrzehnten Landmaschinen, aber vier Monate nach dem Beginn der Brexit Exportkontrollen hat Holt jetzt beschlossen, nicht mehr in die EU zu liefern, berichtet die britische Landwirtschaftszeitung „Farmers Weekly“. Der am Tag vor Weihnachten abgeschlossene Handelsvertrag zwischen Großbritannien und der EU trat bereits Tage später, am 1. Januar 2021, in Kraft. Seither ist Großbritannien ein „Drittland“ und damit gelten weit strengere Auflagen als für den Handel innerhalb der EU: für den Export aller landwirtschaftlichen Produkte und Güter von Drittländern sind phytosanitäre Zertifikate notwendig, um die Landwirtschaft der EU vor Pflanzenkrankheiten und Erregern von Tierseuchen möglichst zu schützen. Gebrauchte Landmaschinen müssen deshalb auch nach einer vollständiger Reinigung geprüft werden, erst dann kann ein entsprechendes Exportzertifikat ausgestellt werden.

Zuständig für die phytosanitären Zeugnisse ist eine Behörde im britischen Landwirtschaftsministerium, Apha (Animal and Plant Health Agency), die bisher vor allem Reisepässe für Hunde und Katzen ausstellte und Dokumente von Lieferungen aus Drittstaaten zu beurteilen hatte. Mit Brexit jedoch ist die Nachfrage nach phytosanitären Zertifikaten für den Export dramatisch gestiegen.

Alec Holt hatte zwei Claas Ballenpressen für die Ausfuhr nach Rumänien vorgesehen. Obwohl die Pressen extrem gründlich gereinigt wurden, fielen sie zweimal bei der Apha Inspektion durch. Nachdem Holt die Ballenpressen komplett auseinandernahm, reinigte und wieder zusammensetzte – wurden die Zertifikate im dritten Anlauf schließlich ausgestellt. Die Prozedur kostete ihn drei Wochen und 2.000 £ (2.300 Euro) an Lohnkosten. Hinzu kamen die Kosten für die Apha Inspektionen und der Verlust eines Auftrags – angesichts der Verzögerungen verzichtete der Kunde auf die Lieferung einer dritten Claas Ballenpresse.

Apha habe keinerlei Erfahrung in der Exportkontrolle von Landmaschinen, sagte Alec Holt gegenüber Farmers Weekly. „Ich werde keine Maschinen mehr exportieren, dass man die Ketten abnehmen muss, um Samen zu finden, die dort im Schmieröl stecken und sich praktisch nicht entfernen lassen, ist der völlige Wahnsinn“.

Nach der ersten Inspektion hatte Apha kritisiert, dass die Unterseite des Kettenantriebs nicht gereinigt worden sei. Bei der zweiten Kontrolle seien die Ballenpressen durchgefallen, als die Inspektoren das Maschineninnere mit Taschenlampen ausleuchteten und Zahnarztspiegel einsetzten, um winzige Pflanzenpartikel nachzuweisen, sagte Holt.

Bei Apha ist man sich der Schwierigkeiten durchaus bewusst. Ein Landmaschinenauktionator bekam bei einer Besprechung mit der Behörde die Richtlinien zu sehen. Sie besagen, dass die Maschinen von jeglichen Boden- und Pflanzenbestandteilen befreit und in „neuem Zustand“ sein müssten. Der Auktionator erklärte gegenüber Farmers Weekly, den Apha Kontrolleuren sei klar, dass es unmöglich sei, bis zu 30 Jahre alte Landmaschinen durch Reinigen quasi in einen fabrikneuen Zustand zu versetzen.


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