Ein ungewöhnlich großer Labortrakt empfängt den Besucher im hessischen Werk Michelstadt des Folienherstellers RKW.
„Das hier ist die Eingangskontrolle für jede Charge an Rohstoffen, die angeliefert wird“, erklärt Marion Link, Marketingleiterin der Agri-Sparte von RKW. Denn hier werden täglich rund 100 Tonnen Silofolie hergestellt. „Wenn da nur wenige Krümel vom falschen Material enthalten sind, kann das großen Schaden beim Kunden verursachen, indem das Futter verdirbt“, sagt Link.
Genaue Eingangskontrolle
Darum untersuchen die Mitarbeiter die Chargen unter dem Mikroskop, kontrollieren die Schüttdichte, bestimmen den Fließindex, die Reißkraft und die Dicke und weitere Parameter, die für die Qualitätskontrolle wichtig sind. Dabei stammen inzwischen nicht mehr alle Granulate von Vorlieferanten. RKW verwendet wie andere Hersteller auch einen wachsenden Anteil an recyceltem Material. „Früher haben wir hier im Werk auch gebrauchte Silofolie aus der Landwirtschaft aufbereitet, aber das ist sehr aufwendig“, berichtet Link. Dabei wird die Folie gewaschen, da im Ausgangsmaterial für neue Folien keine Verunreinigungen sein dürfen. Das war mit viel Schmutz auf dem Anlagengelände verbunden. Diese Arbeiten überlässt RKW jetzt professionellen Recycelunternehmen.
In Michelstadt dagegen bereitet der Hersteller im „Trockenverfahren“ Reste aus der Produktion auf, die dann wieder in den Prozess eingeschleust werden. Nach dem Zerkleinern der trockenen Folie wird sie bei 300 °C erhitzt und geschmolzen. Die Masse wird über eine langsam drehende Schnecke transportiert. Am Ende entsteht ein Granulat als Ausgangsmaterial für neue Folien. „Wir stellen hier am Tag 24 Tonnen Granulat aus recycelter Folie her“, erklärt Link.
In der gesamten Branche nimmt das Recyc-ling und damit auch der Anteil von wiederverwerteter Folie zu. „Die beste Maßnahme, um den Kunststoffeintrag in die Umwelt zu vermeiden, ist eine effektive, flächendeckende Sammlung der Folien kurzfristig nach der Nutzung und eine nachgelagerte werkstoffliche Verwertung“, sagt Jan Bauer, Prokurist bei der RIGK GmbH, dem Systembetreiber der Initiative ERDE (Erntekunststoffe Recycling Deutschland).
Die Initiative ERDE (www.erde-recycling.de) engagiert sich seit 2012 für die Rücknahme gebrauchter Agrarfolie. Ziel ist es, bis zum Jahr 2022 65 Prozent der über 65.000 Tonnen Folien und Netze wieder zu verwerten, die in der Landwirtschaft jährlich gebraucht werden – nicht nur für die Ernte von Grünfutter, sondern auch im Gemüsebau. Unterzeichner der freiwilligen Selbstverpflichtung sind neben der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) und den teilnehmenden Herstellern der Deutsche Raiffeisenverband, der Bundesverband Agrarhandel sowie der Bundesverband Lohnunternehmen.
Fast 21.000 Tonnen Folien gesammelt
Im Jahr 2019 sammelte ERDE etwa 20.500 Tonnen Folien ein, die wiederverwertet wurden. Jährlich gibt es mehr als 450 Sammeltermine für den Bereich der Silo- und Stretchfolien und Ballennetzen bundesweit und zusätzlich über 1.200 mobile Sammlungen direkt bei den Landwirten. Dabei gilt: Je sauberer die Folie an den Sammelstellen abgegeben wird, desto effizienter sind die Folgeprozesse Transport und Verwertung.
Laut Erde bringt die Rückgabe finanzielle Vorteile für die Landwirte: Während die herkömmliche Entsorgung bzw. energetische Verwertung je nach Region 150 bis 200 Euro pro Tonnen kostet, ist bei der Rückgabe über das ERDE-System nur die Hälfte der Kosten fällig.
In 2019 wurden nach Angaben der IK knapp 40 % der Silo- und Stretchfolien von ERDE gesammelt und recycelt. Rund 60 % der Sammelmenge wurde in Deutschland recycelt, die übrigen 40 % im EU-Ausland. Aus den gebrauchten Folien werden unter anderem neue Agrar- und Baufolien, Bewässerungsschläuche und Müllbeutel erzeugt.
Noch machen Silo- und Stretchfolien mit zwei Dritteln den Großteil der Anwendungen aus, zukünftig werden aber auch Spargelfolien, Garne und Mulchfolien in den Kreislauf integriert. Damit strebe ERDE eine ganzheitliche Verwertungslösung für alle Erntekunststoffe an. „Das Konzept der Rücknahme funktioniert nur, wenn Hersteller, Inverkehrbringer und Landwirte eng zusammenarbeiten“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbandes, Henning Ehlers. Neben RKW setzen auch andere Hersteller verschiedene Anteile von Regranulaten aus dem Recycling in den Agrarfolien ein. Die Stretchfolie „Sustane“ von bpi enthält zum Beispiel 30 % Recyclatanteil.
Trioplast hat im Oktober 2020 als erster Hersteller einen blauen Engel für eine Silofolie erhalten. Für diese Auszeichnung muss ein Unternehmen nachweisen, dass seine Produkte mindestens 80 % recyceltes Material (Post-Consumer-Abfälle) enthalten. Die Silagefolie mit dem Namen Trioblack besteht zu mehr als 96 % aus recyceltem Kunststoff und ist zu 100 % recycelbar.
Bereits seit 1985 recycelt der Hersteller Folien. In drei der zehn europäischen Werke von Trioplast gibt es Recyclinganlagen für gebrauchte Silofolien.
Schritte beim Recycling
Typische Aufbereitungsschritte sind das Zerkleinern, Reinigen, Wiederaufschmelzen und Granulieren. Daraus lassen sich dann, wenn die Abfälle sortenrein eingesammelt werden, neue Folien oder – bei Mischabfällen – andere Gegenstände produzieren wie zum Beispiel Tragetaschen, Müllsäcke, Parkbänke oder Zaunpfosten. Ist keine andere Verwendung mehr möglich, bleibt nur die Verbrennung zur energetischen Nutzung. Da Kunststoffe einen hohen Heizwert haben, lassen sich damit Erdöl oder Kohle ersetzen.
Bei den typischen Agrarfolien vor allem im Silofolienbereich kommen verschiedene Varianten von Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) zum Einsatz. Die Hersteller verwenden dabei meist bei jedem Produkt nur einen Rohstoff. „Das ist mit Blick auf das Recycling ein großer Vorteil“, sagt Heiko Weber, Geschäftsführer des Recyclingunternehmens AFA Nord aus Hohenwestedt (Schleswig-Holstein). Hierfür müssen Silage- und Stretchfolien getrennt erfasst werden. Das gleiche gilt für Garne und Netze: Garne werden in der Regel aus PP hergestellt, Netze aus HDPE.
Neben dem steigenden Anteil von Recyclingmaterial sorgen auch Biokunststoffe für eine steigende Nachhaltigkeit bei den Folien. Agrarfolien oder Vliese bestehen häufig aus Polyethylen (PE) oder aus Polypropylen (PP). Beide Kunststoffe werden üblicherweise „petrochemisch“, also aus Nebenprodukten von Erdöl oder Erdgas, hergestellt.
Biokunststoffe im Kommen
Doch Kunststoffe lassen sich auch aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen und werden dann als biobasierte Kunststoffe oder „Biokunststoffe“ bezeichnet. „Bio“ bezieht sich hierbei auf die biogene Herkunft der verwendeten Rohstoffe.
Biobasierte Kunststoffe lassen sich aus einer Vielzahl pflanzlicher Rohstoffe herstellen. Dafür nutzen die Hersteller meist natürlich vorkommende Polymere wie Stärke und Cellulose oder auch kleinere Moleküle wie Zucker oder Fettsäuren als Ausgangsbasis für die Produktion.
„Wir konzentrieren uns bei der Biokunststoffproduktion auf Reststoffe, weil sie nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen. Das ist auf Dauer nachhaltiger“, sagt Dr. Thomas Gröner, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung beim Folienhersteller RKW aus Frankenthal (Rheinland-Pfalz). Dazu gehört z.B. Tallöl, das bei der Papierproduktion anfällt. Daraus stellen die Vorlieferanten von RKW Bio-PE her.
Der Anteil von Biokunststoffen am weltweiten Kunststoffmarkt beträgt ungefähr 2 %, die jährliche Wachstumsrate 3 bis 4 %. In absoluten Zahlen könnte die weltweite Produktion von Biokunststoffen laut Landesgesellschaft BioPro Baden-Württemberg von 2,1 Mio. Tonnen im Jahr 2018 auf 2,6 Mio. Tonnen im Jahr 2023 ansteigen. Im Vergleich zur jährlichen Produktionskapazität konventioneller Kunststoffe von 335 Mio. Tonnen erscheint der Anteil an Biokunststoffen nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Gründe für das geringe Wachstum sieht BioPro in tiefen Ölpreisen, einer erst langsam anlaufenden politischen Unterstützung und einem begrenzten Marktzugang. „Außerdem sind Biokunststoffe noch um ein Vielfaches teurer als herkömmliche Chemikalien“, ergänzt Gröner.
Zudem gelten Biokunststoffe nicht per se als die bessere Alternative. „Aus vergleichenden Ökobilanzen einfacher Gegenstände und Verpackungen wissen wir, dass sich die Umweltauswirkungen nicht wesentlich verbessern, wenn die Rohstoffe bio – statt fossilbasiert sind“, schreibt das Umweltbundesamt.
Doch auch bei der konventionellen Folienherstellung bleibt die Entwicklung nicht stehen. „Eine Tendenz im Bereich Agrarfolien ist, dass immer dünnere Folien mit gleicher Leistungsfähigkeit produziert werden. Dabei kommt es zum Einsatz optimierter oder neuer Rohstoffe“, sagt Bauer (RIGK).
Neue Folienkonzepte
Dazu tragen neue Rohstoffe, aber auch neue Herstellungsverfahren, zum Beispiel bei der Extrusion, bei. „Eine dünnere, aber unverändert leistungsfähige Folie schont die Ressourcen, benötigt weniger Verpackungsmaterial und senkt die Material- und Transportkosten“, nennt RKW-Marketingleiterin Link die Vorteile.
Ein Beispiel ist die Folienkombination „O2 Barrier“ von RKW aus einer Unterziehfolie mit 20 µm und einer Silagefolie mit 80 µm. Übliche Dicken sind heute dagegen 40 µm für Unterziehfolien und zwischen 120 µm und 200 µm bei Silofolien. „Die neue Kombination hat ein bis zu 40 % leichteres Rollengewicht und benötigt rund 60 % weniger Material als herkömmliche Folien“, sagt Link. Übrigens lässt sich auch diese Folieneinheit aus zwei verschiedenen Materialarten recyceln. Denn wenn die Folie auf dem Silo liegt und das Futter Feuchtigkeit abgibt, verändert sich das Polyamid: Es wird gummiartig. Damit wird Folie reißfester. Gleichzeitig lösen sich beide Folien voneinander und können getrennt entsorgt werden.
„Bei Silageballen hat die Nutzung von Mantelfolienbindung eine sehr große Verbesserung gebracht“, erklärt Michael Hövel vom Folienhersteller bpi agriculture aus Belgien.
Weitere Vorteile laut Hövel: Mehr Schutz, weniger Verluste, frisches und wohlriechendes Futter und eine einfachere Handhabung. Dazu seien sie vollständig recyclingfähig im Gegensatz zu Garn- oder Netzbindung. Verluste durch Schimmel oder Nacherwärmung seien deutlich reduziert und ein großer Vorteil gegenüber Ballen mit Garn- oder Netzbindung sowie Freilandsilage oder Fahrsilos. Die Folienmenge sinkt aber auch im Verhältnis zum Siliergut, weil Größe der Silos und die Menge sowie Dichte im Ballen zum Teil deutlich gewachsen sind.
Das Gleiche betrifft andere Agrarkunststoffe: Der Hersteller Tama aus Münster bietet Netze mit bis zu 30 % und Garne mit bis zu 25 % Materialersparnis bei gleichen Leistungsdaten an.
Damit lässt sich folgendes festhalten:
■ Immer mehr Folien werden wiederverwertet. Das bedeutet weniger Eintrag in die Umwelt und weniger Rohstoffe.
■ Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen sorgen dafür, den Anteil von fossilen Rohstoffen wie Erdöl oder -gas zu reduzieren.
■ Die Hersteller arbeiten daran, bei gleichbleibender Qualität die Foliendicke immer weiter zu reduzieren.