In Dresden striegelt man unterm Hallendach

Der österreichische Hersteller APV startet in diesem Jahr die Serienproduktion neuer Striegel für die mechanische Beikrautbekämpfung. Teil der Entwicklungsarbeit waren zahlreiche Messfahrten in der Bodenrinnenanlage der Technischen Universität Dresden. Wir schauten den Ingenieuren von APV dabei über die Schulter.

Forschung und Entwicklung: In Dresden striegelt man unterm Hallendach

André Grosa von der TU Dresden überprüft vor der nächsten Testfahrt die Arbeitstiefeneinstellung der Striegelzinken.

Es erinnert ein wenig an die Abläufe bei Filmaufnahmen. Auf ein Handzeichen setzt sich der Gerätewagen über der Bodenrinnenanlage in einer Halle des Bereichs Agrarsystemtechnik der Technischen Universität (TU) Dresden in Bewegung. Bestückt mit Messgeräten, Scheinwerfern und Videotechnik benötigt die elektrisch angetriebene Plattform nur wenige Sekunden für die Kamerafahrt. Vor jeder Szene hält Johannes Lehninger eine Nummerntafel vor die Linse. Der Ingenieur ist Produktmanager beim österreichischen Landtechnikhersteller APV. Aus seinem Hause kommen auch die „Stars“ bei den Filmaufnahmen – Striegelzinken in unterschiedlicher Stärke, Form und Ausführung.

„Demnächst starten wir mit der Serienproduktion von zwei neuen Maschinentypen“, informiert Lehninger. Es handele sich um Hackstriegel zur Beikrautbekämpfung in den Ausführungen AS und VS. AS stehe dabei für Ackerstriegel und VS für Variostriegel. APV reagiert damit auf einen Trend: Die Mehrheit der Landwirte ist davon überzeugt, dass mechanische Methoden der Unkrautregulierung zukünftig an Bedeutung gewinnen. Dies ergab eine aktuelle Mitgliederumfrage des VDI-Fachbereichs Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik (MEG). Neben Resistenzen gegenüber chemischen Pflanzenschutzmitteln und möglichen Umweltgefahren sehen die Umfrageteilnehmer die Gründe dafür in der zunehmend kritischen Haltung einer breiten Öffentlichkeit zum Herbizideinsatz.

Besonders stolz ist man bei APV auf das ausgeklügelte Zinken-Federn-System beim Variostriegel. Die Hülsen mit nacheinander wirkenden Druckfedern unterschiedlicher Härte verbinden die am unteren Rahmen befestigten Zinken mit dem oberen Rahmen des Striegelfeldes.

Gleichmäßiger Druck auf den Boden

Die dadurch bedingte indirekte Federung der stabilen Rundstäbe mit 35 mm Strichabstand bewirkt einerseits, dass jeder Zinken auch bei wechselndem Höhenniveau gleichbleibenden Druck auf den Boden ausübt. Das Hackstriegeln kann daher auch in einer Dammkultur wie Kartoffeln erfolgen, denn der Zinkendruck ist auf der Dammkrone, an den Flanken des Damms und in der Furche identisch.

Andererseits lassen sich durch ein Verschieben des unteren zum oberen Rahmen alle Zinken des Striegels in gleicher Weise vorspannen und so mit einem für die Bodenverhältnisse und die Arbeitsaufgabe passenden Zinkendruck beaufschlagen. „Es ist aber auch möglich, das Zinkenfeld ganz aus dem Federn-System auszuheben, sodass die Zinken nur noch mit ihrem Eigengewicht auf den Boden wirken“, erläutert Lehninger. Dies schaffe die Voraussetzung für ein kontinuierliches Striegeln zur Beikrautbekämpfung in sensiblen Kulturen. Und auch in empfindlichen Entwicklungsstadien der Pflanzen müssten keine Striegelpausen eingelegt werden, die die Gefahr einer übermäßigen Etablierung der Beikräuter bergen, sodass sie in der Folge mit mechanischen Verfahren kaum noch zu bekämpfen sind. Durch Bestückung der Hülsen des Zinken-Federn-Systems mit Federn unterschiedlicher Spannkraft lässt sich das Gerät zusätzlich an die Standortbedingungen und typische Arbeitserfordernisse anpassen.

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Mit dem Federnpaket von APV (oben schwarz) ist es möglich, auch auf Kartoffeldämmen alle Oberflächen mit demselben Zinkendruck zu bearbeiten. Aber auch in anderen Kulturen kann der Zinkendruck präzise eingestellt werden.

Zu den Besonderheiten gehört außerdem, dass die Zinken mit ihren sieben Biegungen nach dem Prinzip eines Scharnierbolzens am unteren Rahmen befestigt sind. In der quer zur Arbeitsrichtung sitzenden „Scharnierhülse“ können sich die 8 mm starken Rundstäbe bei gleichzeitiger stabiler Verbindung mit dem Rahmen frei nach hinten und oben bewegen. Ein seitliches Ausweichen wird jedoch durch die Zwangsführung weitgehend verhindert.

Dem perfekten Striegel auf der Spur

Doch zwischen den ersten Entwürfen des Striegels am Computer und der Serienproduktion lagen jede Menge Tüftlerarbeit, praktische Versuche und eben auch Tests wie in der Bodenrinne der TU Dresden. Die unabhängig von Witterung und Jahreszeit nutzbare Versuchsanlage im Hallenboden ist gut 28 m lang, 2,5 m breit und 1 m tief. Der sandige Lehmboden darin lässt sich auf eine vorgegebene Feuchte und Verdichtung einstellen. Der darüber geführte Wagen für Messungen und Videoaufzeichnungen verfügt über eine Dreipunktaufhängung, an der wie bei einem Traktor Geräte und Werkzeuge befestigt werden können.

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Federn mit unterschiedlicher Spannkraft in dem von APV entwickelten Zinken-Federn-System für den Variostriegel zur mechanischen Beikrautbekämpfung.

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Beim Variostriegel von APV sitzen die Zinken nach dem Prinzip des Scharnierbolzens am unteren Rahmen und sind mit dem oberen Rahmen über das Federsystem (Abb. links) verbunden.

„Heute starten wir hier in der Dresdner Bodenrinnenanlage unseren dritten und letzten Versuchstag und wir haben uns noch mal viel vorgenommen“, sagt APV-Ingenieur Christoph Schandl, während er verschiedene Striegel und Gerätschaften auf einer Arbeitsplatte ausbreitet. Der 22-Jährige hat maßgeblich an der Entwicklung des neuen Striegelsystems mitgewirkt. Tatsächlich herrscht dann bis in den späten Nachmittag hinein emsiges Treiben an der Bodenrinnenanlage. Gemeinsam mit den Wissenschaftlern der TU Dresden, Matthias Przybyla und André Grosa, absolvieren die Ingenieure aus der APV-Entwicklungsabteilung das geplante Testprogramm, kontrollieren die Einstellungen für die Videoaufzeichnungen und vermerken Zwischenergebnisse in den Protokollen. Die Versuche erfolgen mit Arbeitsgeschwindigkeiten von 2, 6 und 10 km/h in lockerem und zum Teil mit einer Walze verfestigten Boden. Die Breite der Anlage ermöglicht mehrere Fahrten in der Rinne. Dafür werden die Werkzeuge jeweils etwas versetzt am Messwagen befestigt. Ist kein Platz mehr für eine Werkzeugspur, wird die Bodenoberfläche in der Rinne mit einem Schild und gegebenenfalls zusätzlich mit einer Walze frisch hergerichtet.

Werkzeugspitzen für jedes Arbeitsziel

Die ersten Tests an diesem Tag weisen bereits über die unmittelbare Konstruktionssarbeit am AS- und VS-Striegel hinaus. Denn an dem Messwagen der Bodenrinne befindet sich eine Vorrichtung, an der nebeneinander Striegelzinken mit unterschiedlich gestalteten Werkzeugspitzen befestigt sind. Die Enden der Rundstähle wurden beispielsweise zu einer Platte ausgeformt. Andere haben aufgeschweißte Keile oder Mini-Erdhobel. „Striegel gibt es ja schon seit mehreren Jahrzehnten. Im Gegensatz zu anderen Bodenbearbeitungswerkzeugen erfuhren sie aber kaum eine Optimierung“, weiß Schandl. Parallel zur Konstruktion einer Werkzeugführung am Hackstriegel, die heutigen Anforderungen entspricht, sehe man daher ein Betätigungsfeld in der Entwicklung von Striegelzinken für verschiedene Arbeitsziele bei der Bodenbearbeitung. So würden die speziellen Werkzeugspitzen den Einzug verbessern und den Striegel in einer konstanten Arbeitstiefe halten. Im Test waren dafür 3 cm vorgegeben. Andere Ausformungen unterstützen das Aufbrechen von Erdkrusten oder befördern einen weiten Erdwurf.

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Das genaue Justieren der Werkzeugaufnahme am Messwagen der Bodenrinnenanlage ist Voraussetzung für vergleichbare Ergebnisse der Striegeltests und erforderte oft die Mitwirkung des gesamten Teams.

Neben der späteren Sichtung der Videos, die die Kamera bei der Fahrt in der Bodenrinnenanlage aufgezeichnet hat, gehört die sofortige visuelle Begutachtung des Arbeitsbildes zur Auswertung. Dazu leuchten die Mitarbeiter die vom Striegel gezogene Furche seitlich mit einem hellen LED-Strahler an, um den Kontrast zu erhöhen, und fertigen unter Hinzulegen einer Tafel mit der Nummer des Versuchs sowie eines Zollstocks ein Foto an.

Spurführung mit Hindernissen

Im Fokus der nachfolgenden Tests steht das Verhalten des VS-Zinken bei Hindernissen. Dafür stecken die Ingenieure des APV-Teams zwei blaue Stahlplatten in unterschiedlichen Winkeln zur Arbeitsrichtung in den Boden. Bei den Durchläufen in der Bodenrinnenanlage zeigt sich, dass der Variostriegel durch seine scharnierartige Aufhängung, wie im Computer berechnet, nicht zur Seite ausweicht, sondern nach hinten und oben gedrückt wird und nach dem Hindernis auf gleicher Spurlinie wieder in den Boden eintaucht.

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Szenenbilder von den Filmaufnahmen des Einsatzes unterschiedlicher Striegel in der Bodenrinnenanlage der TU Dresden.

Eine besondere Anspannung begleitet die Vorbereitung der abschließenden Tests des VS-Zinken unter den Gegebenheiten einer wechselnden Bodenhöhe. Dazu legt Matthias Przybyla mit dem schräg gestellten Schild am Messwagen einen Damm an und montiert ein Musterfeld des VS-Striegels in die Dreipunktaufhängung. Die Geräteaufnahme verfügt für das seitliche Verschieben über eine motorbetriebene Spindel. Sie wird bei einigen der in unterschiedlicher Geschwindigkeit durchgeführten Testfahrten in diesem Versuchsabschnitt zugeschaltet. Dadurch streichen die Zinken nach dem Start des Messwagens nicht nur in Fahrtrichtung auf dem Boden, sondern bewegen sich zugleich von der einen Seite des Damms über dessen Krone zur anderen Seite.

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Die 52 Versuche in der Bodenrinnenanlage brachten den Entwicklern Johannes Lehninger (v. l.) und Christoph Schandl (v. r.) von APV mit Unterstützung der Wissenschaftler Matthias Przybyla (h. l.) und André Grosa (h. r.) von der TU Dresden viele neue Erkenntnisse.

Freude und Erleichterung spiegeln sich in den Gesichtern der vier Akteure an der Bodenrinnenanlage als schließlich fest steht, dass sich die Zinken genauso verhalten wie geplant. An der gleichbleibenden Tiefe und Ausbildung der schräg über den Damm laufenden Striegelfurche zeigt sich, dass der Zinken an jedem Höhenpunkt des Damms mit konstantem Druck auf dem Boden aufliegt und an der schrägen Dammflanke nicht seitwärts abdriftet

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Zur Kontrasterhöhung bei der Begutachtung und beim Fotografieren des Arbeitsbildes der getesteten Werkzeuge wird die Striegelfurche schräg angestrahlt.

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Auf der Bodenrinnenanlage testete das APV-Entwicklerteam auch Striegel mit speziellen Werkzeugspitzen für die Bodenbearbeitung.

Am Ende der dreitägigen Untersuchungen in der Bodenrinnenanlage der TU Dresden steht die Zahl 52 auf der Nummerntafel zur Protokollierung der Versuchsreihen. 52 Tests im Rahmen eines Projekts, die das Entwicklerteam von APV und die Landtechnikbranche insgesamt auf dem Weg zum perfekten Striegel ein gutes Stück weiterbringen.


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