Regenmessung mit Mobilfunknetz

Je mehr Niederschlag fällt, desto schwächer wird das Signal, mit dem die Funkmasten Informationen austauschen

Forschung: Regenmessung mit Mobilfunknetz

48 Stunden akkumulierter Niederschlag mit dem Radarmessnetz des Deutschen Wetter Dienstes (DWD) im Vergleich zur Richtfunk-Regenkarte.

Ob bei der Hochwasserfrühwarnung oder in der Landwirtschaft – Regenmessungen sind von großer Bedeutung. Doch weltweit fehlen für viele Regionen präzise Daten, weil flächendeckende Messungen bislang zu teuer sind. Ändern könnte sich das mit einer neuen Methode, die gerade ihren Praxistest bestanden hat. Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Augsburg gelang die erste deutschlandweite Regenmessung mit dem Mobilfunknetz. Jetzt ist der Einsatz der Technologie in Westafrika geplant.

Regen kann die Leistungsfähigkeit eines Mobilfunknetzes erheblich beeinträchtigen. Doch was Telekommunikationsunternehmen Kopfzerbrechen bereiten kann, ist für die meteorologische Forschung ein Glücksfall: „Wir haben aus dieser Interaktion zwischen Wettergeschehen und menschlicher Technologie eine gänzlich neue Methode zur Regenmessung entwickelt“, sagt Professor Harald Kunstmann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), dem Campus Alpin des KIT. „Wenn ein Mobilfunknetz vorhanden ist, brauchen wir weder eine neue Infrastruktur noch zusätzliches Bodenpersonal.“ Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Augsburg gelang seinem Team am KIT nun die erste flächendeckende Regenmessung mit der neuen Methode in Deutschland: Aus der niederschlagsbedingten Abschwächung der Funkverbindung zwischen mehreren tausend Mobilfunkmasten konnten sie zeitlich hoch aufgelöste Regenkarten generieren. „Beim Vergleich mit den Messwerten des Deutschen Wetterdienstes zeigt sich, dass wir eine hohe Übereinstimmung erzielt haben“, erklärt Maximilian Graf aus dem Forscherteam.

Möglich wurde die Niederschlagsbestimmung aufgrund der Richtfunkantennen, die in Mobilfunkmasten zur Übertragung über weite Strecken eingesetzt werden. „Genutzt wird hier eine Frequenz von 15 bis 40 Gigahertz, deren Wellenlänge der typischen Größe von Regentropfen entspricht“, erklärt Dr. Christian Chwala, Koordinator der Forschungsarbeiten an der Universität Augsburg. „Je mehr Niederschlag fällt, desto schwächer wird das Signal, mit dem die Sendemasten Informationen austauschen. Wir haben ein Jahr lang jede Minute die aktuelle Abschwächung von 4.000 Richtfunkstrecken gemessen. Der daraus entstandene Datensatz ist aufgrund seiner Auflösung und Größe weltweit einzigartig.”

Neben den klassischen Methoden der Datenanalyse nutzten die Forscher Künstliche Intelligenz (KI), um das Regensignal aus den verrauschten Messwerten herauszufiltern. „Auch andere Faktoren wie Wind oder die Sonne können zu leichten Abschwächungen des Signals führen. Mit Hilfe unserer KI konnten wir erkennen, wann eine Abschwächung auf Regen zurückzuführen ist“, sagt Julius Polz, ein weiterer Wissenschaftler der Forschungsgruppe. „Wir haben sie inzwischen so trainiert, dass wir ohne Kalibrierung mit traditionellen Methoden zur Regenmessung auskommen.“ Damit eigne sich eine Anwendung auch in Regionen ohne nennenswerte Niederschlagsmessungen, die für das Training der KI in Frage kommen könnten, beispielsweise in Westafrika.

Für Deutschland funktioniert die Methode allerdings vor allem im Frühjahr, Sommer und Herbst. „Graupel und Schneeregen führen nämlich zu einer überdurchschnittlichen Abschwächung, und Schnee lässt sich mit dem Mobilfunknetz gar nicht messen“, erklärt Harald Kunstmann. Aktuell laufen mehrere Projekte der Forscher zur Regenmessung mit Richtfunkstrecken, unter anderem mit dem Schwerpunkt auf Deutschland in Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst und dem Landesamt für Umwelt Sachsen. Zur Zeit starten weitere Projekte in Tschechien und in Burkina Faso, wo erstmals eine landesweite Erfassung von Richtfunkstrecken in Afrika aufgebaut werden soll.


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