Gebrauchtgeräte aus „eigener Aufzucht“

Das Essener Unternehmen Helmut Reiter ist Spezialist für Gabelstapler, Arbeitsbühnen, Teleskopstapler und Sonderfahrzeuge, verteilt auf die Bereiche Verkauf, Vermietung, Service und Ersatzteile. Eine wichtige Umsatzsäule ist die Vermarktung gebrauchter Flurförderzeuge, die oft aus der eigenen Mietflotte kommen. „Diese Gabelstapler sind gewissermaßen checkheftgepflegt“, erklärt Verkaufsleiter Oliver Koch im Gespräch mit dem eilboten.

Fokus Gebrauchte – Helmut Reiter: Gebrauchtgeräte aus „eigener Aufzucht“

Gebrauchtgeräte am Standort in Essen. Auch eigene Lkw gehören zum Unternehmen Helmut Reiter.

2019 führte die konjunkturelle Eintrübung, aber auch die Unsicherheiten aus den andauernden Handelskonflikten zu einem Nachfragerückgang bei Flurförderzeugen. Nun die Corona-Pandemie. Wie läuft das Geschäft?

Oliver Koch: Die Firma Helmut Reiter ist in verschiedenen Sektoren tätig. Zum einen in der Baubranche, wo wir in den letzten Jahren ein stetiges Wachstum von jährlich vier bis 5,5 Prozent erzielen konnten. Zum anderen in der Industriesparte; hier mussten wir 2019 einen gewissen Rückgang bei den Stückzahlen hinnehmen. Da in diesem Jahr „coronabedingt“ weniger Neuinvestitionen getätigt werden, verschieben sich die Umsatzanteile unserer vier Sparten aktuell vom Verkauf in Richtung Miete, Service und Ersatzteile. Derzeit sind eher gebrauchte Geräte gefragt. Diese bedürfen, je nach bereits geleisteter Arbeit, unterschiedlichster Reparaturen, so dass die Vermietung und der Service profitieren.

Kommen die Gebrauchtgeräte hauptsächlich aus Ihrer Mietflotte?

Wenn wir für unsere Gebrauchtkunden passende Geräte suchen, schauen wir uns vorrangig in unserem Mietpark um. Im Prinzip „züchten“ wir unsere Gebrauchten in unserer großen Mietflotte heran. Ein „normaler“ Einsatzumfang eines Mietstaplers beläuft sich auf etwa 1.000 Betriebsstunden im Jahr, so dass nach fünf Jahren rund 5.000 Stunden auf dem Zähler stehen. Häufig werden die Geräte aber in der Miete weniger bewegt, so dass sie im Vergleich zu den Leasingfahrzeugen erheblich weniger Betriebsstunden machen. Dementsprechend sind die Mietrückläufer in der Regel in einem guten Zustand und auch äußerlich attraktiv.

Bei Staplern gibt es keine Universallösung, die allen Unternehmen gerecht wird. Wie relevant ist eine breite Geräteauswahl?

Alle, die gebrauchte Gabelstapler verkaufen, versuchen, in jeder Produktklasse und in jedem Bereich etwas am Lager zu haben, um die Anfragen der Kunden bedienen zu können, die natürlich verschiedene Angebote vergleichen.

Unser großer Vorteil ist, dass wir die gesuchten Geräte aus der Miete herausnehmen können. Daher halten wir nur wenige alte Gebrauchte am Lager – schließlich werden sie auf dem Platz nicht besser und verlieren an Wert. Dagegen tragen die Mietmaschinen zum Umsatz bei und werden regelmäßig gewartet. Jedes Mietgerät, das rausgeht oder reinkommt, wird durchgecheckt, so dass es auch nach Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren noch problemlos an Interessenten verkauft wird. Zudem kennen wir ihre Servicehistorie und können somit unseren Kunden, die hochwertige und „ehrliche“ Gebrauchtgeräte suchen, entsprechende Fahrzeuge anbieten.

Fokus Gebrauchte – Helmut Reiter: Gebrauchtgeräte aus „eigener Aufzucht“

Das Elektrofahrzeug emuli ergänzt das Vertriebsprogramm.

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Über 1.500 Maschinen gehen in die Vermietung, davon viele Stapler.

Nach welchem Prinzip erfolgt die Aufarbeitung?

Die Grundlage bildet die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Prüfung nach der Unfallverhütungsvorschrift. Ähnlich wie beim TÜV fürs Auto werden dabei die funktions- und sicherheitsrelevanten Bauteile des Staplers überprüft. Wir checken die wichtigsten Teile, prüfen den Motor sowie den Hydraulikkreislauf und die Qualität der Hydraulikschläuche, die beim Stapler regelmäßig gewechselt werden müssen. Ein weiterer Punkt sind die Reifen, die in einem ordnungsgemäßen Zustand sein müssen. Selbstverständlich muss das Gerät sicher zu fahren sein und funktionieren.

Wichtig ist aber auch das äußere Erscheinungsbild. Gabelstapler sind Gebrauchsfahrzeuge und haben eigentlich immer Kratzer, Ratscher oder Beulen. Nur selten ist der Lack noch einwandfrei. Lackreparaturen sind daher häufig erforderlich.

Der größte Teil der Gebrauchten geht an Endkunden?

Ja, der Anteil liegt schätzungsweise zwischen 70 bis 80 Prozent. Alte Geräte mit vielen Betriebsstunden, für die der Reparaturaufwand enorm ist und die nicht im deutschen Markt abgesetzt werden können, verkaufen wir überwiegend an Gebrauchthändler in Europa.

Welche Bedeutung hat das Staplerzubehör bei den Gebrauchtgeräten?

Sicherlich hat jeder Kunde individuelle Anforderungen. Zum Beispiel ordern landwirtschaftliche Kunden häufig Drehgeräte zur Aufnahme und Entleerung von Kisten. Standardmäßig ist heute aber nahezu jeder Gabelstapler mit einem Seitenschieber ausgestattet, über den die Gabelzinken vom Fahrerplatz aus hydraulisch seitlich verschiebbar sind, um die Last exakt aufnehmen und absetzen zu können. Für wechselnde Lastbreiten werden häufig Zinkenverstellgeräte gefordert, mit denen der Abstand der Gabelzinken zueinander hydraulisch vom Fahrersitz aus verstellt werden kann.

Wie sehen Sie die Zukunft der Antriebsarten? Verdrängt der elektrisch betriebene Motor die Verbrennungsmaschine?

Die Verkaufszahlen der letzten Jahre zeigen deutlich, dass die Elektromotorisierung weiter zunimmt. So war es nur konsequent, mit emuli eine eigene Elektro-Marke in unserer Sparte Sonderfahrzeuge aufzunehmen. Dabei handelt sich um einen mit vielen An- und Aufbaugeräten auszustattenden Elektrotransporter, den wir als Neu- und Gebrauchtfahrzeug, mit kurzem und langen Radstand anbieten. Schließlich bietet die Elektromobilität auch zahlreiche Vorteile: Zum einen arbeiten die E-Geräte emissionsfrei. Zum anderen sind Wartungsaufwand und damit auch Wartungskosten geringer als bei Verbrennern. Das gilt auch für die Betriebskosten. Dagegen sind die Verbrenner in der Anschaffung zwar günstiger. Aber die Elektrofahrzeuge, insbesondere die Gabelstapler, amortisieren sich schneller über die Laufzeit. Beim Elektrostapler sind die herkömmlichen Blei-Säure-Akkus für den Einschicht-Einsatz über sechs bis acht Stunden ausgelegt. Danach – also oft zwischen den Schichten – ist ein Batteriewechsel erforderlich, der aber vergleichbar ist mit dem Tankvorgang des Verbrenners. Wer schnelles „Betanken“ beziehungsweise Zwischenladen während geplanter Unterbrechungen favorisiert, der setzt eher auf Batterien mit moderner Lithium-Ionen-Technologie.

Wie sieht es im Gebrauchtbereich aus?

Der Großteil der Kunden geht auf Verbrenner mit Diesel- oder Gasantrieb. Wir stellen jedoch auch hier einen Trend hin zur Elektromobilität fest.

Ist der Batterieaustausch bei Gebrauchten eine Option?

Nehmen wir einen 3-Tonnen-E-Stapler mit einer 80-Volt-Batterie, die auch bei guter und regelmäßiger Pflege altert und betriebsbedingt an Leistungsfähigkeit verliert: Ein Batteriewechsel nach mehrjährigem Gebrauch lohnt sich meist nur bedingt, da eine Batterieerneuerung im Verhältnis zum Marktwert des Gebrauchtgerätes schnell unwirtschaftlich wird. Natürlich gibt es die Möglichkeit, Blei-Säure-Batterien zu überarbeiten. In puncto Lithium-Ionen-Batterien gibt es noch offene Fragen. Wir beobachten die Entwicklung sehr gespannt.

Was ist die beliebteste Maschine im Gebrauchtbereich?

Im Gabelstaplerbereich ist das ein Diesel zwischen zwei und drei Tonnen Tragkraft.

Das Gespräch führte Annette Schulze Ising

Zur Person

Oliver Koch leitet die Abteilung Verkauf bei dem Unternehmen Helmut Reiter GmbH, Spezialist für Gabelstapler, Arbeitsbühnen, Teleskopstapler und Sonderfahrzeuge in Essen. Der 37-jährige Betriebswirt kennt das Geschäft, denn er arbeitet bereits seit 19 Jahren im Gabelstaplerbereich, davon fünf Jahre beim Unternehmen Helmut Reiter.

Fokus Gebrauchte – Helmut Reiter: Gebrauchtgeräte aus „eigener Aufzucht“

Oliver Koch.

Beim Essener Familienunternehmen haben die Kunden die freie Auswahl aus einem umfangreichen Programm mehrerer, sich ergänzender Hersteller. Hauptmarken sind Manitou und Yale sowie die Hausmarke emuli. Hinzu kommen ein Mietpark mit rund 1.500 Maschinen und ein breites Angebot an Gebrauchtmodellen. Neben dem Verkauf und der Vermietung von Flurförderzeugen ist der Service, als auch die Ersatzteilbeschaffung ein weiteres Standbein des Essener Full-Service-Anbieters.

Das mittelständische Unternehmen beschäftigt mehr als 150 Mitarbeiter und macht jährlich rund 40 Millionen Euro Umsatz. Gegründet wurde es 1960 von Helmut Reiter. Seit 2010 führt Robert Reiter das Unternehmen. Sein Sohn Max Reiter ist seit 2013 im Unternehmen tätig.

Kontakt
Oliver Koch
Helmut Reiter GmbH
D-45307 Essen
Telefon (02 01) 8 41 11- 82, Mobil 01 63 - 8 41 11- 82
oliver.koch @ helmutreiter.comwww.helmutreiter.com


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