Goldene Zeiten für Abgasprüfer

Nach dem Abgasbetrug bei Diesel-Pkw rücken auch die Emissionen von Traktoren und mobilen Landmaschinen stärker in das Blickfeld der Politik. Gefordert werden Tests mit mehr Praxisbezug

EU-Verordnung 2016/1628: Goldene Zeiten für Abgasprüfer

Mobile Abgasprüfung an einem Rübenroder unter realen Einsatzbedingungen.

EU-Verordnung 2016/1628: Goldene Zeiten für Abgasprüfer

Das Equipment für die mobile Abgasprüfung von Non-Road-Maschinen wiegt einschließlich Stromaggregat mehr als 100 kg. Oben links das Ansatzrohr mit Massenstrommesser und Ableitung von Motorgase zu den Analysegeräten.

Landwirt Rolf K. ist in Sorge. Die Aussaat dauert länger als geplant. Und für morgen hat sich nun auch noch der Abgasprüfer angesagt. Sein Schlepper wurde in diesem Jahr per Los für einen der vom Gesetzgeber verlangten turnusmäßigen Abgastests unter Praxisbedingungen bestimmt, hieß es in einem Schreiben, das er zuvor erhalten hatte. Der An- und Abbau der mobilen Prüfvorrichtung beanspruche jeweils einen Tag. Während der zweitägigen Prüfdauer könne er normal mit dem Schlepper arbeiten, müsse aber mit Unterbrechungen zur Nachjustierung der Messtechnik rechnen…?

Dieses Szenario ist fiktiv. Völlig frei erfunden ist es jedoch nicht. Tatsächlich gibt es aus dem Bereich der Umweltpolitik seit längerem die Forderung, die tatsächlichen Abgasemissionen von „nicht für den Straßenverkehr bestimmten mobilen Maschinen und Geräten“ (non-road mobile machinery, NRMM) zu erfassen und den zulässigen Schadstoffausstoß gesetzlich festzulegen. Das Problem: Im Gegensatz zu Pkw und Lastkraftwagen gibt es für diese insbesondere auf dem Bau sowie in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzten Fahrzeuge keine Abgasgrenzwerte, sondern nur für die darin verbauten Dieselmotoren.

NRMM-Motoren mit einer Leistung unter 56 kW und ab 130 kW müssen seit diesem Jahr die europäische Abgasnorm der Stufe V erfüllen, um eine Typengenehmigung zu erhalten. Für die volumenstärkste Klasse im Bereich zwischen 56 bis 130 kW gilt dies ab 2020. Verglichen mit den ersten Motoren der Stufe I, die um 1999 auf den Markt kamen, bedeutet die Emissionsstufe V eine Reduktion der Mono-Stickoxide NO und NO2 (zusammengefasst bekannt als NOx) und deren Kohlenwasserstoffverbindungen um 94 Prozent.

EU-Verordnung 2016/1628: Goldene Zeiten für Abgasprüfer

Zu den praxisüblichen Lastzyklen für die Messung der Abgasemissionen gehört beim Rübenroder auch das Abbunkern am Feldrand.

Motortest bei kontrollierten Bedingungen

Eine besondere technische Herausforderung gegenüber der Abgasstufe IV ist die Reduzierung der im Verbrennungsprozess erzeugten Rußpartikel. Für die Motoren zwischen 19 und 560 kW ist in der aktuellen Norm hierfür erstmals eine Obergrenze festgelegt. Dank moderner Technologien zur Abgasreinigung wie Dieseloxidationskatalysator (DOC), Dieselpartikelfilter (DPF), Abgasrückführung (EGR, engl.: exhaust gas recirculation) und selektive katalytische Reduktion (SCR) mittels AdBlue (Harnstoffeinspritzung in den Abgasstrom) erfüllen die Nonroad-Motoren diese Anforderungen.

Dies müssen sie jedoch nicht im realen Fahrbetrieb (Real Driving Emissions, RDE) nachweisen. Die hohe Typenvielfalt und die unterschiedlichen Einsatzprofile führten in diesen Bereichen zu einer Komponenten- bzw. Baugruppenzertifizierung. Die Emissionsprüfung und die Verbrauchsmessung erfolgen bisher nur mit dem Motor auf einem Motorenprüfstand und nicht mit dem Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand. Am Motorenprüfstand werden Lastpunkte (Drehmoment, Drehzahl) eingestellt, die für den tatsächlichen Einsatz in einem Bagger, Traktor oder Mähdrescher repräsentativ sind. Der über einen Zeitraum von 21 Minuten abzufahrende NRTC (Non-Road Transient Cycle) ist in den entsprechenden EU-Verordnungen genau vorgeschrieben.

Mit der Praxis hat das allerdings nicht viel zu tun. Denn bei den Tests im klimatisierten Prüfraum herrschen kontrollierte Bedingungen. Die Ansaugluft und der Kraftstoff sind temperiert. Je nach verwendeter Norm kann die reine Motorleistung ohne Zusatzverbraucher wie Lichtmaschine, Wasserpumpe oder Lüfter angegeben werden. „Allein der Leistungsbedarf des Lüfters beträgt je nach Durchmesser und Bauart mehrere kW“, sagt Dr. Andreas Ai, Bereichsleiter Fahrzeugtechnik im DLG-Testzentrum in Groß-Umstadt. Durch die unvermeidlichen Verluste, die in den verschiedenen Anbauaggregaten sowie im Getriebe entstehen, vermindere sich die vom Motor bereit gestellte Leistung bis zum Rad oder zur Zapfwelle um bis zu 30 Prozent. Dies zeige sich bei den Traktorprüfungen im Testzentrum. Die Abgas-Grenzwerte würden aber in Gramm pro kWh angegeben. Schleppermotoren im Leistungsbereich zwischen 56 und 130 kW dürfen in der Abgasstufe V beispielsweise maximal 0,4 g/kWh NOx emittieren. „Da macht es schon einen Unterschied, ob man hierfür die reine Motorleistung oder die tatsächliche Zugleistung des Traktors bei der Feldarbeit zugrunde legt“, erläutert der DLG-Prüfingenineur.

Die EU möchte daher mobile Abgasprüfungen, wie sie für Pkw und Nutzfahrzeuge geplant sind, auch im Non-Road-Bereich einführen. Bereits die EU-Verordnung 2016/1628, in der die Emissionsstufe V festgelegt ist, und nachfolgende Regelungen enthalten die Verpflichtung, gasförmige Schadstoffe von Motoren im realen Einsatz in NRMM zu überwachen und die Ergebnisse an die Genehmigungsbehörden – in Deutschland dem Kraftfahrtbundesamt – zu übermitteln.

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Mobile Abgasprüfung eines Traktors bei der Arbeit mit einem Anbaugerät.

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Pro Woche wird im Schnitt ein Traktor auf dem Prüfstand getestet. Fahrwerk als auch Zapfwelle und Hydraulik lassen sich dabei simultan belasten.

Mobile Abgastests an Non-Road-Maschinen

Dieses In-Service-Monitoring begann für die beispielsweise in Landmaschinen verbauten Motoren der Klasse NRE (Non-Road Engines) im Bereich von 130 bis 560 kW in diesem Jahr. Für die darunterliegenden Leistungsklassen ab 56 kW starten die Emissionsüberprüfungen im Januar 2020. Über einen Zeitraum von vier Jahren sind von den Herstellern laut EU-Verordnung pro Motorenfamilie jährlich jeweils neun Maschinen mit einem Portable Emission Measurement System (kurz PEMS) in repräsentativen Arbeitszyklen zu testen. Für Traktoren reichen solche typischen Situationen beispielsweise vom Stroheinfahren bis zur schweren Feldarbeit mit großen Anbaugeräten. Erklärtes Ziel der Brüsseler Behörde ist es, die tatsächlichen Abgasemissionen von Non-Road-Maschinen zu erfassen und daraus Bewertungsmaßstäbe, also letztlich Grenzwerte, für den realen Betrieb von Traktoren, Mähdreschern oder Baggern abzuleiten.

Solche technisch anspruchsvollen PEMS-Messungen führt der TÜV-NORD im Auftrag von Herstellern durch. „Wir haben bereits bei mehreren Landmaschinen die Abgasemissionen unter realen Einsatzbedingungen gemessen“, sagt Dr. Martin Goschütz, vom Bereich mobile Abgasmessung beim TÜV-NORD. Die Messtechnik, deren Preis im hohen sechsstelligen Bereich liege, habe mit allen Komponenten einschließlich eines Stromgenerators ein Gewicht von weit über 100 kg. Der Aufwand für die Aufrüstung mit PEMS hänge maßgeblich von den Platzverhältnissen an der mobilen Maschine sowie der Zugänglichkeit des Abgasstrangs ab, sei aber in der Regel innerhalb eines Tages zu bewerkstelligen.

Für den Emissionstest schließt der Prüfer am Abgasstrang ein Messrohr an, das den Massestrom der Abgase erfasst. In dem etwa einen Meter langen Massenstrommesser wird auch ein Teil des Abgases abgezweigt und über beheizte Leitungen zu den Analysatoren geführt. Die Dauer der Messung muss lang genug sein, um 5- bis 7-mal die bei der Typprüfung auf dem Motorenprüfstand im NRTC geleistete Arbeit zu erbringen. Beim schweren Pflügen dauert der PEMS-Messvorgang beispielsweise nur eine halbe bis dreiviertel Stunde, da der Motor hierfür nahezu sein gesamtes Leistungspotenzial ausschöpfen muss. Werden leichtere Arbeiten durchgeführt, müssen die Analysegeräte die Emissionswerte entsprechend länger aufzeichnen. Für die Umgebungsbedingungen ist ein Luftdruck von über 82,5 kPa und eine Temperatur von mindestens -7°C definiert. Die bei den mobilen Messungen festgestellten Differenzen zu den reinen Motor-Emissionswerten vom Prüfstand fallen nach Aussage des Experten vom TÜV-NORD wegen der Vielzahl an Fahrzeugtypen, Motoren und Einsatzprofilen sehr unterschiedlich aus. Er verweist in diesem Zusammenhang auf den Lkw-Bereich.

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Fahrzeugtechnik-Ingenieur Hans-Joachim Tauber in der Steuer- und Messzentrale des Rollenprüfstandes im DLG-Testzentrum.

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PEMS-Abgasmessgerät am Rollenprüfstand, das auch für die mobile Prüfung von Emissionen bei der Feldarbeit eingesetzt werden kann.

Emissionsmessung auf dem Rollenprüfstand

Hier betrage der Konformitätsfaktor 1,5. Um diesen Faktor (bezogen auf das 90-prozentige Perzentil der Emissionswerte) dürften die realen Abgasemissionen über den Grenzwerten vom Motorprüfstand liegen. „Ob mobilen Land- und Baumaschinen wegen der großen Bandbreite der Belastungen ein höherer Konformitätsfaktor zugestanden wird, lässt sich gegenwärtig nicht abschätzen und hängt letztlich auch von den Ergebnissen des In-Service-Monitorings ab“, sagt Goschütz.

Im DLG-Testzentrum setzt man bei der Abgasthematik auf die langjährigen Erfahrungen aus den OECD-Code-2-Prüfungen und den Tests für den DLG-PowerMix. Die Prüfungen im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden seit rund 50 Jahren in Groß-Umstadt durchgeführt. Die OECD-Anerkennungsnummer ist in vielen Ländern Voraussetzung für den Im- und Export von Landtechnik. Der Test liefert eine neutrale Leistungsbeschreibung der Maschine, steht wegen der starren Vorgaben für die weltweit standardisierten Prüfabläufe von Zapfwellenleistung, Hubkraft sowie Hydraulik- und Zugleistung jedoch bei Praktikern in der Kritik. Die Ingenieure am Testzentrum entwickelten daher mit dem DLG-PowerMix ein eigenes Messverfahren, das 14 unterschiedliche Belastungssituationen des Traktors, wie sie in der landwirtschaftlichen Praxis auftreten, simuliert. Die Profile unter Einsatz von Fahrantrieb, Zapfwelle und Hydraulik reichen von leichten Transportfahrten in der Ebene über Mähen, Arbeiten mit der Kreiselegge und Grubbern bis zu schwerem Pflügen. „Die dabei auftretenden Kräfte und Drehmomente haben wir mit Sensoren bei der realen Feldarbeit erfasst und für die Simulation beim PowerMix aufgezeichnet“, beschreibt Andreas Ai die Herangehensweise.

Mit der Inbetriebnahme des Rollenprüfstandes 2015 hätten sich die Prüfmöglichkeiten deutlich erweitert. Hier steht der Traktor beim Ablauf der Belastungsszenarien auf vier Stahlrollen mit einem Durchmesser von jeweils 2 m. Die Rollen werden von Elektromotoren angetrieben bzw. gebremst. Messvorrichtungen für die Zapfwellen- und Hydraulikleistung komplettieren die Belastungsmöglichkeiten auf dem Rollenprüfstand. „Die realitätsnahe Simulation der Traktorbelastung im Hof-, Feld- und Straßeneinsatz auf der Rolle ermöglicht neben der Erfassung der tatsächlich nutzbaren Leistung sowie der Verbräuche an Kraftstoff und AdBlue eine exakte Online-Messung der Abgasemissionen des Gesamtsystems Traktor“, sagt Ai. Nach der Aufrüstung mit Abgas-Messtechnik für Kohlenwasserstoffe könne man jetzt alle gasförmigen Emissionen sowie auch die Partikelanzahl prüfen und somit das komplette Abgasspektrum während der verschiedenen Belastungssituationen erfassen. In welchem Maße das Gesamtsystem Traktor die Grenzwerte einer Messung am Motor überschreite, hänge davon ab, wie weit die Abgaswerte am Motorprüfstand bereits unter den in der EU-Verordnung 2016/1628 festgelegten Schadstoff-Obergrenzen liegen, um den bis zu 30-prozentigen Wirkungsgradverlust zwischen Motorabgang und Fahrwerk bzw. Zapfwelle zu kompensieren. Das gelinge bei größeren Maschinen besser als bei kleineren, weil die Verluste nicht linear steigen.

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Messgerät für den AdBlue-Verbrauch auf dem DLG-Rollenprüfstand. Die Erfassung gehört seit Einführung der Abgasstufe IV standardmäßig zu den Traktortests.

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Der Rollenprüfstand im DLG-Testzentrum Groß-Umstadt ermöglicht die Messung der Abgasemissionen von Traktoren mit einer Leistung von bis zu 1.000 PS.

Lastzyklen entsprechen realem Einsatz

Die Abgasmessungen auf dem Prüfstand dienten aber eher der eigenen Information, würden nicht veröffentlicht und seien weder Teil des OECD-Tests noch des PowerMix-Datenblattes. Gut nachweisen ließen sich damit Motorstörungen sowie Tuningmaßnahmen, beispielsweise durch einen früheren Einspritzzeitpunkt an der Kraftstoffdüse, oder Manipulationen an der Bordelektronik. So gibt es für Lkw bereits Geräte (Emulatoren), die dem Fahrzeug vorgaukeln, mit AdBlue zu fahren, obwohl die Anlage ausgeschaltet ist. „Nach unseren Messungen, die wir standardmäßig seit der Abgasstufe IV durchführen, beträgt der AdBlue-Verbrauch fünf bis zehn Prozent der eingesetzten Kraftstoffmenge“, informiert Ai. Ergänzende Abgasüberprüfungen im realen Feldeinsatz mit einem mobilen System (PEMS) hätten gezeigt, dass die dort gemessenen Werte mit den Emissionen, die auf dem Prüfstand während des Abfahrens der Lastkurven ermittelt werden, weitestgehend identisch sind. Die DLG-Prüfingenieure hoffen daher, dass die Emissionsermittlungen auf dem Prüfstand nach Abschluss des In-Service-Monitorings als Alternative zu den zeit- und kostenaufwendigen PEMS-Messungen im Feld bei „traktortypischen Belastungen“, wie es in der EU-Regelung heißt, herangezogen werden. „Wir würden es den Landwirten gern ersparen, dass in der Hauptsaison jemand auf den Hof kommt und den Schlepper über mehrere Tage für mobile Abgasprüfungen in Beschlag nimmt“, so der Bereichsleiter Fahrzeugtechnik.

Wie es kommt, wird die Zukunft zeigen. Das Thema Abgasmessungen war aber schon mal beim DLG-Tech Day am 8. und 9. Mai im Testzentrum in Groß-Umstadt präsent. Auf der Veranstaltung wurden unter anderem der Aufbau von PEMS-Systemen erläutert und deren Funktion im Einsatz vorgeführt – auf dem Rollenprüfstand als auch befestigt an einem Traktor bei Leistungsprüfungen auf der Außenmessbahn. Aufhorchen ließen die Ausführungen von Georg Huber. Der Leiter des Prüfstandes vom Technologie- und Förderzentrum (TFZ) in Straubing berichtete über Messergebnisse zu den tatsächlichen Emissionen verschiedener rapsölbetriebener Landmaschinen. Demnach sind diese geringer als beim Betrieb mit Dieselkraftstoff. Der Einsatz von Pflanzenöl hätte somit einen doppelten Effekt für die Umwelt.


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