Nicht zu düngen ist auch keine Alternative

Fachleute diskutieren Umgang mit den extrem gestiegenen Düngerkosten – Nutzungseffizienz des Nährstoffeinsatzes gewinnt noch mehr an Bedeutung – Präzisionslandwirtschaft und Biostimulanzien könnten richtige Impulse setzen – Dünger- und Abgabepreise rechtzeitig absichern – Laut DBV hat sich die Produktion im Ackerbau um 35 Prozent verteuert

Düngemittelmarkt: Nicht zu düngen ist auch keine Alternative

Laut Verbandsberechnungen steigen die Kosten für die Produktionsfaktoren um gut ein Drittel.

Obwohl die hohen Mineraldüngerpreise die Landwirtschaft unter erheblichen Zugzwang setzen, führt an einer bedarfsgerechten Düngung kein Weg vorbei. Das war das Fazit der virtuellen Fachveranstaltung „IVA im Dialog“ des Industrieverbandes Agrar (IVA), bei der am 25. März Möglichkeiten zum Umgang mit den Entwicklungen beim Dünger und an den Agrarmärkten diskutiert wurden. Dabei wurde auch betont, dass es noch viele agronomische, technologische und betriebswirtschaftliche Ansätze gebe, das Problem hoher Nährstoffkosten in den Griff zu bekommen.

Der Vorsitzende des IVA-Fachbereichs Pflanzenernährung, Marco Fleischmann, stellte klar, dass auf Mineraldünger auch in Zukunft nicht verzichtet werden könne. Die Nutzungseffizienz des Nährstoffeinsatzes gewinne aber angesichts der extremen Preisentwicklung noch mehr an Bedeutung. Hier könnten Präzisionslandwirtschaft, Düngerarten mit Urease-Inhibitoren sowie Biostimulanzien die richtigen Impulse liefern. Auch die Bedeutung der Wirtschaftsdünger werde insbesondere für die Grunddüngung noch wichtiger, betonte Fleischmann.

Um die Nachhaltigkeitsziele der EU mit der aktuell drängenden Frage der heimischen und internationalen Ernährungssicherung zu verknüpfen, braucht es nach Einschätzung des IVA-Experten aber auch geeignete Rahmenbedingungen. Die Entwicklung und der Einsatz innovativer Lösungen für eine höhere Nährstoffeffizienz müssten daher forciert und gefördert werden, forderte Fleischmann.

Angespannte Situation

Der Landwirt Marco Gemballa sieht den Ackerbau in Deutschland nicht nur wegen der Preisentwicklung bei Dünger, sondern auch wegen der hohen Energiekosten und der Mindestlohnanhebung in einer angespannten wirtschaftlichen Situation.

Nach seiner Überzeugung hat es aber jeder Bauer in der Hand, seine Lage zu verbessern, beispielsweise durch eine rechtzeitige Absicherung an den Terminmärkten. Bei pro Hektar rund 500 Euro mehr an Düngerkosten und etwa 700 Euro höheren Getreideerlösen sei die Produktion in seinem Betrieb in Vorpommern zumindest für diese Saison wirtschaftlich noch tragfähig, stellte Gemballa fest. Er schränkte jedoch ein, dass dies längst nicht für alle Berufskollegen gelte. Zudem steige der Liquiditätsbedarf aller Agrarunternehmen wegen der teuren Betriebsmittel drastisch, und die Ausgangslage für das Anbaujahr 2023 sei deutlich ungünstiger.

Der Landwirt wird daher im kommenden Erntejahr möglicherweise anspruchslosere Kulturen wie Sonnenblumen und Senf in seine Fruchtfolge einbauen. Diese würden Weizen oder Raps nicht ersetzen, seien aber Teil der Strategie zum Umgang mit steigenden Düngerpreisen, erläuterte der Betriebsleiter.

Anbau anspruchsloserer Kulturen

Staatliche Subventionen für den Düngerkauf nach polnischem Vorbild lehnt Gemballa genauso wie Dr. Michael Grunert vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) ab. Beide sehen hier den freien Markt und konsequentes kaufmännisches Verhalten als die bessere Alternative an. Gemballa wies aber darauf hin, dass die höheren Produktionskosten nicht ohne Folgen für die Verbraucher bleiben werden. Dies sei aber eher eine sozial- als eine agrarpolitische Frage, so der Landwirt. Grunert sieht die Politik allenfalls in der Aufgabe, den Landwirten bei Liquiditätsproblemen unter die Arme zu greifen. Ansonsten bleibe der Markt der richtige Ausgleichsmechanismus für die Preisbildung.

Düngemittelmarkt: Nicht zu düngen ist auch keine Alternative

Bedarfsgerechte Düngung gewinnt an Bedeutung.

Ausbringstrategien optimieren

Grunert riet den Landwirten darüber hinaus zur Optimierung ihrer Ausbringstrategien wie etwa die Zusammenlegung von Düngergaben, den Ausbau von Precision-Farming-Technologien oder die nährstoffkonservierende Optimierung der Bodenbearbeitung.

Auch er plädierte dafür, unter Umständen weniger nährstoffhungrige Kulturen oder solche mit „niedrigem Ertragszuwachs“ wie Mais anzubauen. Wichtig ist aus Sicht des Düngerexperten auch die Konservierung eventueller Nährstoffüberschüsse im Herbst, da jedes Kilogramm Stickstoff aktuell 2,20 Euro wert ist und daher auch aus ökonomischer Hinsicht nicht verschwendet werden dürfe. Auf Böden mit guten Mineralisierungsbedingungen, langjähriger organischer Düngung und mit hohen Humusanteilen kann Grunert zufolge am ehesten über eine reduzierte Stickstoffgabe nachgedacht werden. Dies gelte insbesondere auch dann, wenn von einer guten Vorfruchtwirkung, optimaler sonstiger Nährstoff- und Wasserversorgung und guter Nährstoffbindung im Boden ausgegangen werden könne.

Extreme Preissteigerungen

Der Deutsche Bauernverband (DBV) wies am 25. März ebenfalls auf die Preisproblematik bei Mineraldünger und anderen Betriebsmitteln und dessen Folgen für die Landwirte hin. Nach seiner Berechnung hat sich die Produktion im Ackerbau um bis zu 35 Prozent verteuert; im Gemüseanbau sei dieser Effekt etwas geringer.

Allein durch die im Falle von Stickstoffdünger etwa verdreifachten und auch bei Energie extrem gestiegenen Ausgaben liegen die Produktionskosten laut dem DBV beim Winterweizen, der auf Qualitätsweizen hin gedüngt wird, aktuell mit 1.355 Euro/ha um 34 Prozent über denen der Jahre 2019 bis 2021. Bei Körnermais sei von einem Plus von 35 Prozent auf 2.258 Euro/ha auszugehen, während sich der Rapsanbau mit 1.430 Euro/ha um 30 Prozent verteuert habe. Bei Zuckerrüben müssen die Landwirte aktuell dem Bauernverband zufolge mit Produktionskosten von durchschnittlich 2.203 Euro/ha rechnen, was einem Anstieg der Erzeugerkosten von 27 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum entspricht.


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