Farm & Food 4.0: Ernüchternde Bilanz gezogen

Landtechnikmanager Horsch: Im Ackerbau haben sich die Erwartungen bislang nicht erfüllt - Von Löbbecke setzt auf vielversprechende Geschäftsmodelle im Officebereich – Landwirte von Dokumentation entlasten

Eine realistische Einschätzung der bisherigen Entwicklung der Digitalisierung in der Landwirtschaft haben Vertreter der Agrarwirtschaft empfohlen. Während die bisherige Bilanz der Digitalisierung in der Tierproduktion sehr gut ausfalle, sei sie im Ackerbau ernüchternd, erklärte Michael Horsch, Geschäftsführer des gleichnamigen Landtechnikunternehmens, beim Kongress Farm & Food 4.0 am 21. Januar in Berlin. Internationale Vergleiche zeigten, dass der Reinertrag der Unternehmen umso geringer sei, je höher der Digitalisierungsgrad im Ackerbau ausfalle, so Horsch. Erfolgversprechende Anwendungen der Zukunft sieht der Unternehmer unter anderem in der Sicherung der Rückverfolgbarkeit von Produkten, um dadurch spezifische Erzeugungssysteme abzusichern.

Der Geschäftsführer von 365FarmNet, Maximilian von Löbbecke, nannte als Voraussetzungen für die Einführung digitaler Methoden einen erkennbaren Mehrwert sowie die Nutzbarkeit. Für die Landwirte gehe es darum, Effizienz- und Produktivitätssteigerungen zu realisieren. Konkrete Ansätze dafür bieten sich von Löbbecke zufolge insbesondere bei der Datensammlung und der Dokumentation. Digitale Anwendungen im Officebereich würden dann genutzt, wenn es gelinge, Landwirte spürbar von der Büroarbeit zu entlasten. Hingegen fehle es den Methoden des Precision Farmings bislang an der „Massentauglichkeit“. Insgesamt nahmen mehr als 400 Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden und Politik an dem eintägigen Kongress teil.

60 Mio. Euro im Bundesprogramm Digitalisierung

Trotz der aktuellen Probleme bei der praktischen Einführung sieht Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Landwirtschaft als „Vorreiter und Treiber der Digitalisierung“. Die Digitalisierung in der Landwirtschaft sei kein Selbstzweck. Sie könne aber helfen, Zielkonflikte zu lösen und den gesellschaftlichen Erwartungen an die Produktion besser gerecht zu werden, ohne dabei die wirtschaftlichen Belange zu vernachlässigen.

Die wesentlichen Aufgaben der Politik sieht die Ministerin in der Unterstützung von Forschung und Entwicklung, dem Ausbau der nationalen und internationalen Zusammenarbeit sowie der Schaffung der digitalen Infrastruktur: „Wir brauchen den Anschluss an das schnelle Internet bis zum letzten Milchwagen“. Klöckner kündigte an, ihr Haus werde bis zum Jahr 2022 insgesamt 60 Mio. Euro für das bereits aufgelegte Bundesprogramm Digitalisierung in der Landwirtschaft bereitstellen. Ein Schwerpunkt bilde die Einrichtung sogenannter „digitaler Testfelder“, um Hemmnisse für den praktischen Einsatz zu identifizieren.

Heterogenität von Pflanzenbeständen eine Herausforderung

Die Leiterin der Abteilung „Technik im Pflanzenbau“ am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam, Prof. Cornelia Weltzien, bezeichnete die natürliche Heterogenität von Pflanzenbeständen als größte Herausforderung für den Einsatz der Sensortechnik im Ackerbau.

Der Claas-Experte für digitale Strategien, Philip Vospeter, nannte eine herstellerübergreifende Vernetzung unbedingt erforderlich, um einen Mehrwert für die Landwirte durch die digitale Anwendungen zu erzeugen. „Die Daten sind da, allerdings in verschiedenen Töpfen“, so Vospeter. Auch die Technologie für eine übergreifende Nutzung sei vorhanden. Die Landwirte müssten aber zuverlässig darauf vertrauen können, dass ein Missbrauch ihrer Daten ausgeschlossen sei.


Weitere Artikel zum Thema

weitere aktuelle Meldungen lesen