Der Unwuchtdoktor auf Hausbesuch

Das Unternehmen Conplatec aus Barsinghausen bei Hannover hat sich auf das Auswuchten von rotierenden Wellen spezialisiert – und das ohne Demontage der Maschine. Der eilbote begleitete diese besondere Art der Auswuchtung in einer Werkstatt der Agravis Heide-Altmark.

Conplatec: Der Unwuchtdoktor auf Hausbesuch

Jens Pieper rüstet den Strohhäcksler des Fendt 5255 L in der Werkstatt der Agravis Heide-Altmark in Bardowick mit der erforderlichen Messtechnik aus.

Conplatec: Der Unwuchtdoktor auf Hausbesuch

Der Laser misst mittels Reflexstreifen die exakten Umdrehungen der Welle.

Agravis Landmaschinenmechaniker Christoph Mennerich startet den Fendt Mähdrescher 5255 L. Die Maschine lässt er ein paar Minuten warmlaufen, dann kuppelt er das Dreschwerk ein und fährt den Strohhäcksler auf 3.540 Touren hoch. Nach gut einer Minute hebt Jens Pieper, er steht neben der Maschine und blickt konzentriert auf den Bildschirm seines Laptops, die Hand. Mennerich fährt daraufhin den Fendt runter und schaltet den Motor ab.

Auf seinem PC wertet Pieper jetzt die zackigen Ausschläge aus. Vom Laptop aus führen Kabel zu vier 5 cm langen Vibrationssensoren. Diese sind mit Magnetfuß an jeder Seite des Häckselwellenlagers jeweils mittig oben und an der Seite, im Abstand von 90° voneinander befestigt.

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Diese Sensoren messen die Vibration an der Häckslerwelle horizontal und vertikal.

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Christoph Mennerich fährt den Strohhäcksler hoch auf 3.540 Touren.

Pieper (48) ist Prüfingenieur bei der Firma Conplatec GmbH. Dieses Unternehmen mit sieben Mitarbeitern hat seinen Sitz in Barsinghausen/Niedersachsen. Die Firma hat ihre Wurzeln in der Atomenergie- und Kraftwerktechnik. In diesen riesigen stationären Anlagen gibt es viele große drehende Wellen, die sich gar nicht demontieren lassen, um sie z.B. zu wuchten.

Conplatec hat das industrie-bewährte Betriebswuchte-Verfahren weiterentwickelt und speziell für Agrarmaschinen optimiert. Mit Windenergieanlagen und seit vier Jahren auch der Land- und Kommunaltechnik suchte sich das Unternehmen neue weitere Standbeine. Wie das Verfahren genau funktioniert, zeigt mir Jens Pieper am Beispiel des Mähdreschers. 80 Prozent von Piepers Patienten sind Mulcher, den Rest machen Häcksler, Mähdrescher oder Sondermaschinen aus. Hat eine Maschine mehrere Wellen und es ist nicht sicher, welche davon mit ihrer Unwucht für das Zittern und Rütteln der Maschine verantwortlich ist, finden es die Conplatec Experten heraus. Sie müssen nur die Nenndrehzahl der verschiedenen Wellen kennen und „erspüren“ dann mit ihren Sensoren, welche der Wellen hier aus der Reihe tanzt. Bei Feldhäckslern kann Pieper innerhalb weniger Minuten exakt bestimmen, ob die Vibration von Messertrommel, Beschleunigertrommel oder anderer Stelle kommt. Das vereinfacht die Fehlersuche enorm. In unserem Beispiel des Fendt Mähdreschers nehmen wir nur an, dass die Häckslerwelle eine Unwucht hat.

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Nach der Schwingungsmessung des Urzustandes setzt Christoph Mennerich ein Probegewicht. Zur exakten Gewichtsbestimmung nutzt Pieper eine Küchenwaage.

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Einmal links angeheftet, Welle gemessen, abgeflext und dann rechts auf der Welle angeheftet – so wird das Probegewicht eingemessen.

So geht es Schritt für Schritt

Wenn der Werkstattkunde oder die Agravis-Mechaniker eine Unwucht in einer Welle als Ursache für Vibrationen vermuten, schildern sie den Fall Jens Pieper per Mail oder Telefon. Anhand seiner Erfahrung gibt dieser dann ein Angebot für das Betriebswuchten der betreffenden Maschine ab. Diese versucht man aber im Kundensinne zu optimieren. Bevor Jens Pieper sich aber zur Reparatur auf den Weg macht, hat das Werkstattpersonal in der Regel alle anderen Ursachen für einen unruhigen Wellenlauf, wie z.B. Lagerspiel, verlustige Schäkel oder Halterungen gecheckt und sicher ausgeschlossen. Wenn Pieper mit seinem Pkw-Kombi zum vereinbarten Termin auf den Werkstatthof rollt, steht die Maschine gewaschen bereit. Ebenfalls stellt die Agravis einen Monteur als Assistenz und für die erforderlichen Schweißarbeiten bereit. Der verantwortliche Monteur bespricht mit Pieper das konkrete Schadbild. Der benötigt etwas mehr als eine halbe Stunde, um seine Messtechnik mit Sensoren und Laserlichtschranke an der Maschine zu montieren.

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Jens Pieper misst den Winkel.

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Jens Pieper zeichnet die exakte Position der Ausgleichsmasse auf der Welle an.

Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die Sicherheit im Umfeld. Besonders im Gefahrenbereich darf sich niemand aufhalten.

Der Werkstattmitarbeiter startet, wie eingangs beschrieben, die Maschine. Pieper misst mit seinen vier Sensoren den „Urzustand“ der Wellenschwingung, also wie vorgefunden. Mit einem Reflexstreifen auf der Welle und einem Laser misst er die genaue Wellenumdrehung.

Eine Welle läuft hundertprozentig rund, wenn ihr Schwerpunkt exakt in ihrer geometrischen Mitte liegt. Bekommt z.B. ein Mulcherrotor durch Überfahren eines Grenzsteines oder Kanaldeckels einen massiven Schlag, ist die Welle nicht mehr exakt gerade. Ihr Schwerpunkt weicht dann von der Mittelachse ab. Dies führt im Betrieb zu Vibrationen, die auf Dauer nicht nur den Fahrer nerven, sondern auch die Maschine schädigen. Piepers Aufgabe ist nun, mit in genau berechneten Winkeln auf den Rotor aufgeschweißten Ausgleichsmassen den Schwerpunkt der rotierenden Welle wieder so nahe wie möglich in ihre Mitte zu verlagern. Dazu benötigt er zusätzlich zu den Sensoren, der Lichtschranke und dem Rechner noch einen Winkelmesser, Stahl und ein Schweißgerät.

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Christoph Mennerich schneidet die Ausgleichsstücke im berechneten Gewicht vor Ort zu.

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So sieht ein Mulcherrotor mit aufgeschweißten Ausgleichsgewichten aus.

Nach der ersten Messung und Feststellen des Urzustands der Welle befestigt der Agravis-Mitarbeiter mit einigen Schweißpunkten ein Probegewicht, in unserem Fall sind es exakt 254 Gramm, auf der Welle. Die Maschine fährt er erneut hoch, Pieper misst wieder. Bei breiteren Wellen wird das Gewicht dann von der A-Seite wieder abgeflext und auf der B-Seite der Welle erneut angeheftet. Es folgt die dritte Messung. Flex her, das Gewicht kommt jetzt wieder ab von der Welle. Anhand dieser drei Messungen berechnet die Wucht-Software nun die erforderlichen Ausgleichsmassen für die A- und B-Seite und deren Winkellagen. Als Ausgleichsmasse hat Jens Pieper Stahlstangen im Pkw dabei, die vor Ort wie benötigt im exakten Gewicht abgeschnitten werden. Pieper überträgt die vom Rechner vorgegebenen Winkel mit dem Winkelmesser auf die Welle und zeichnet hier mit Kreide an, wo die Gewichte jetzt endgültig fest aufgeschweißt werden. Abschließend folgt ein Prüflauf. Hier kann Jens Pieper den Erfolg seiner Arbeit kontrollieren. Bei sehr schweren Rotoren kann es vorkommen, dass für den optimalen Rundlauf noch weitere Ausgleichsgewichte auf der Welle zu befestigen sind. Bei einem großen Mulcher können das insgesamt links und rechts zusammen durchaus mehrere Kilogramm sein.

Aber auch hier gibt es Grenzen. Conplatec gibt eine Zufriedenheitsgarantie: „Ist die Schwingung nicht mindestens halbiert und der Kunde zufrieden, berechnen wir keine Kosten“, betont Pieper. „Wir sparen Montagekosten und Arbeitszeit, weil wir die Welle nicht mehr auszubauen brauchen. Im Gegensatz zur Wuchtbank – hier kann die Welle beim Wuchten gut laufen, nach dem Einbau in die Maschine aber wieder nicht mehr – gibt es beim Betriebswuchten keine Überraschungen“, berichtet Agravis Werkstattleiter Christian Voigt (36). Der Meister ist in der modernen Bardowicker Werkstatt für sieben Gesellen und fünf Auszubildende verantwortlich.

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Jens Pieper (rechts) und Agravis-Werkstattleiter Christian Voigt beurteilen den Prüflauf.

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Verbesserung der Schwingungswerte aller vier Sensoren vom Ausgangszustand (0-Punkte) zu den Werten nach der Auswuchtung (1-Punkte).

Die Agravis bietet ihren Kunden das Maschinenwuchten in Zusammenarbeit mit Conplatec als Dienstleistung erfolgreich an. Darüber hinaus kommt Conplatec auch direkt zu Landwirten, Bauhöfen oder Lohnunternehmern. Rund vier Stunden dauert ein Durchgang im Schnitt. Auch für kleinere Kommunaltechnik ist der Wuchtservice interessant. Gerade die Mitarbeiter der Grünflächenämter und Bauhöfe sind auf den Mähern und Kehrmaschinen Vibrationen ausgesetzt.

Für die Belastungsdauer definieren die Berufsgenossenschaften genaue Grenzen. So kann die Vibrationsanalyse von Maschinen und – falls erforderlich – das Betriebswuchten zur Gesundheitsvorsorge und Arbeitsqualität beitragen.

„Mit unserer Frequenz-gestützten Schwingungsanalyse ermöglichen wir es, auch bei mehreren Rotoren schnell die Hauptstörquelle ausfindig zu machen“, berichtet Pieper und schildert ein Beispiel aus seiner Praxis:

Der Bauhof wollte einen Spindelmäher wuchten lassen, der Fahrer war sich sicher, das Mähaggregat sei ursächlich für das Zittern der Maschine. Die Spektrenmessung von Conplatec ergab jedoch, dass die Mähspindel in Ordnung war. Die Förderschnecke, die das Gras in den Auffangbehälter fördert, war die Ursache. Sie hatte einen Schlag abbekommen und lief nicht mehr rund.

Ab Frühjahr ist Jens Pieper gut ausgelastet, im Winter sind noch Termine frei. Schauen Sie doch mal in Ihrem Kundenkreis, bei wem es nicht ganz rund läuft und beleben Ihre Werkstatt in den ruhigeren Wintermonaten.

conplatec GmbH
D-30890 Barsinghausen
Telefon (0 51 05) 6 61 25 92
Telefax (0 51 05) 6 61 25 99
e-mail <link>pieper@conplatec.de
<link http: www.conplatec.de>www.conplatec.de


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