Nach dem Austritt wird es richtig schwierig ...

Auf der LAMMA in Birmingham herrscht scheinbar Messealltag. Glänzende Maschinen, Diskussion um Pferdestärken und das Für und Wider einer Joysticklenkung. Niemand erwähnt freiwillig das „B-Wort“: Brexit. Dabei ist er, neben dem Wetter, der alles entscheidende Faktor für Landwirte, Landmaschinenhersteller und Handel. Aber selbst auf langfristige Wetterprognosen scheint mehr Verlass zu sein als auf die Prognosen, wie es in Großbritannien in der Post-Brexit Übergangsphase und danach weiter gehen könnte.

Brexit: Nach dem Austritt wird es richtig schwierig ...

Zum ersten Mal fand LAMMA nicht auf dem Freigelände, sondern in elf gut besuchten Messehallen statt. Der Termin in der zweiten Januarwoche ist jedoch nicht ideal, Unternehmen wie Claas, Lemken und John Deere waren aber nicht mit einem Stand vertreten.

Bis zum Austritt Großbritanniens aus der EU sind es nur noch wenige Tage, aber im Gespräch mit den Herstellern wird schnell klar, dass der 31. Januar nur das nächste Kapitel in einer Saga eröffnet, die mit dem Referendum im Juni 2016 begann und deren Ende weiterhin nicht absehbar ist.

Größere Schwierigkeiten für die Zeit unmittelbar nach dem Austritt erwartet niemand. Nur Richard Miller, Marketingmanager bei Fendt, rechnet mit Verzögerungen an den Grenzen „bis alle wissen, was sie zu tun haben“. Doch auch er kann nur spekulieren. Bislang gibt es keinerlei Informationen von Seiten der Regierung, ob und gegebenenfalls was sich ändert, und somit geht man davon aus, dass sich nichts ändert. Bis zum Beweis des Gegenteils...

Die Gelassenheit, die die deutschen Hersteller an den Tag legen, hängt mit zwei Faktoren zusammen: Für die meisten ist Februar Nebensaison, Brexit im Frühsommer wäre deutlich problematischer gewesen. Und alle Unternehmen sind gut vorbereitet, schließlich ist der Austritt am 31. Januar der vierte Anlauf, fast zehn Monate nach dem ursprünglich geplanten Datum Ende März 2019. Bei Pöttinger hatte man in Vorbereitung auf diesen Termin etwa 25 Prozent Ersatzteile und Maschinen zusätzlich importiert und diese Bestückung bis jetzt aufrechterhalten. „Wir waren vorsichtig und bemüht, nicht zu sehr zu expandieren“, sagt Shaun Groom, Generaldirektor bei Pöttinger UK. Er habe in enger Zusammenarbeit mit der Firmenleitung in Österreich geplant und sei von der Österreichischen Handelskommission in London sehr gut unterstützt worden. Über Workshops, Seminare und Gastreferenten habe man deutlich mehr Informationen bekommen als von Seiten der britischen Regierung.

Bei Krone hält man seit dem vergangenen März Ersatzteile und deutlich mehr Maschinen für ein Jahr vorrätig. „Die ursprüngliche Brexit Panik hat sich inzwischen gelegt, weil so viele Fristen nicht eingehalten wurden“, sagt James Duggleby, Produkt- und Marketingmanager bei Krone.

Bei Same Deutz-Fahr (SDF) hält man weiterhin 25 Prozent mehr Ersatzteile vor, für deren Lagerung man den Händlern sehr gute Konditionen einräumen musste. Lagerkapazitäten sind in allen Branchen, nicht nur im Landmaschinenhandel, Mangelware. Fendt hält 30 Prozent mehr Maschinen und Ersatzteile vorrätig.

Händlern gute Konditionen eingeräumt

„2018 war ein sehr gutes Jahr für uns, was auch an den Brexitvorbereitungen lag“, sagt Paul Creasy, UK Manager für Lemken. Man habe den Händlern am Ende des Jahres sehr gute Konditionen für den Kauf von Maschinen eingeräumt. Was vor Ende März aus Deutschland geliefert wurde, musste erst drei bis vier Monate später bezahlt werden. Außerdem habe man die Lagerhaltung wieder aufgebaut, seit 2015 hielt Lemken zunehmend weniger Ersatzteile in Großbritannien vorrätig, weil fast alles binnen 24 Stunden aus Deutschland geliefert werden konnte. Anders als bei anderen Herstellern gibt es bei Lemken keine Hochsaison, sondern die Verkäufe verteilen sich relativ gleichmäßig über das Jahr. Deshalb sei der Oktober 2019 plötzlich zum Krisenmonat geworden: ein „harter Brexit“ sei auf einmal eine realistische Perspektive gewesen. Die Regierung habe Unternehmen fast täglich gemahnt, sich auf den Brexit vorzubereiten – Informationen zu den Details gab es jedoch nicht. Über die Transportfirmen und das Logistikunternehmen, mit denen Lemken zusammenarbeitet, versuchten Paul Creasy und seine Kollegen einen „harten Brexit“ vorzubereiten, eine Notfallplanung, die dann glücklicherweise nicht gebraucht wurde.

Eine grundsätzliche Neuorientierung hat bei Claas begonnen. Zu Beginn des letzten Jahres habe man in Vorbereitung auf den zunächst für Ende März 2019 geplanten Brexit Bestellungen vorgezogen und den Bestand um 20 bis 30 Prozent erhöht, sagt Trevor Tyrrell, CEO bei Claas UK. Über Abverkäufe sei der Bestand dann auf das normale Niveau gefallen. Für einen möglichen Oktober-Brexit habe es keiner besonderen Lagerhaltung bedurft, das sei nicht nur Nebensaison, sondern die Claas Werke in Deutschland, Frankreich und Ungarn hätten im Sommer Betriebsferien, größere Lieferungen wären gar nicht möglich gewesen.

Der Hauptteil der Brexitvorbereitungen erfolge zudem in Deutschland, sagt Tyrrell. Zusammen mit der Geschäftsleitung wurde der Beschluss gefasst, nicht auf das Ergebnis von Handelsvereinbarungen zu warten, sondern Großbritannien in Zukunft als außereuropäisches Drittland einzustufen und das firmeninterne Protokoll für den Export entsprechend umzustellen. Sobald ein Handelsabkommen mit der EU in Kraft tritt und Zölle fällig werden, muss lediglich der entsprechende Code eingegeben werden, alles andere erfolgt automatisch. Und auch was den Markt angeht sieht man bei Claas in Großbritannien dem EU Austritt sehr gelassen entgegen. 2019 war ein Rekordjahr für Claas UK, zehn Prozent besser als das bisherige Rekordjahr 2014. Dass die Markt- erwartungen für 2020 nur im Durchschnitt liegen, hängt nicht mit Brexit zusammen, sondern mit dem Wetter: der vergangene Herbst war extrem nass, in Lincolnshire im Osten Englands liegt die durchschnittliche Regenmenge bei 500 bis 600 ml, im vergangenen Jahr waren es zwischen 900 bis 1.000 ml.

Ein zweiter wichtiger Faktor für die Marktentwicklung ist das Ende der EU Zahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die britische Regierung wird die Zahlungen in gleicher Höhe bis Ende 2020 fortsetzen, ob die bisherigen Kriterien weiter gelten, oder ob es Änderungen gibt, ist bisher allerdings völlig offen. Ab 2021 sollen Landwirte öffentliche Gelder für Leistungen bekommen, die der Allgemeinheit zugute kommen. Was darunter genau zu verstehen ist, soll ein neues Agrargesetz festlegen, das allerdings bislang noch nicht einmal als Entwurf vorliegt. „Greening“ sei die generelle Zielrichtung, heißt es im Landwirtschaftsministerium – für Landwirte in Westengland, Schottland und Nordirland, bei denen die GAP Zahlungen bisher bis zu 95 Prozent ihres Einkommens ausmachten, kann die Unsicherheit und der Mangel an Informationen schnell zu einem existentiellen Risiko werden (siehe Kasten).

Class habe es vor allem mit größeren und großen Kunden zu tun, sagt Tyrrell. Dazu gehören Getreideanbauer im Osten von England, viele seien bereits seit Jahren dabei, sich von Subventionen weitgehend unabhängig zu machen. Viele seien auf Controlled Traffic umgestiegen, hätten die Notwendigkeit für Bodenbearbeitung reduziert und die Inputkosten gesenkt. Für solche Unternehmen bringe Brexit Chancen, sagt Tyrrell, „große Betriebe werden wachsen, kleine müssen aufgeben“. Vor wenigen Tagen habe ihm ein Kunde erzählt, dass er Land gekauft und seine Ackerfläche von 2.400 auf 3.200 Hektar erweitert habe. Tyrrell erwartet für Großbritannien nach Brexit eine ähnliche Entwicklung wie sie schon seit Längerem in den USA und Australien zu beobachten ist. Das Tempo der Veränderung werde langsamer sein aber in dieselbe Richtung gehen und das begrüße man bei Claas.

Der Süden Englands liegt im Einzugsbereich der Millionenstadt London. Für Landwirte sei es wesentlich einfacher, zu diversifizieren und in den Tourismussektor auszuweichen. Landwirte im Westen und Norden Großbritanniens haben seiner Einschätzung nach wesentlich weniger Möglichkeiten. In dieser Region gibt es sehr viele Milchbetriebe und der Milchmarkt sei derzeit stabil, aber große Feldhäcksler wie den Jaguar könnten sich nur wenige leisten. Für Claas liegt der Markt hier bei den Lohnunternehmen, die Gras, Mais und Energiepflanzen für 20 bis 30 kleinere Betriebe ernten. Die Verkaufszahlen seien in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, auf zwei verkaufte Mähdrescher komme inzwischen ein Feldhäcksler.

Auch bei Krone sieht man Wachstumschancen nach Brexit. „Großbritannien ist für uns der viertgrößte Markt“, sagt James Duggleby, „das Geschäft wird weitergehen, und solange wir nicht gezielt planen können, müssen wir uns anpassen“. Krone ist seit zehn Jahren am britischen Markt vertreten. In der Krone Vertretung in der Nähe von Leeds arbeiten inzwischen 33 Mitarbeiter. Der Umsatz ist von 7 auf 35 Mio. britische Pfund (41 Mio. Euro)gestiegen, lediglich das Milchkrisenjahr 2016 sei auch für Krone schlecht gewesen.

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Währungsschwankungen sind das größte Problem für Fendt Marketing Manager Richard Miller. Sie haben zu Preissteigerungen von zehn bis zwanzig Prozent geführt.

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Graham Barnwell, Manager für SDF in Großbritannien und Irland, fürchtet, dass der EU Austritt Ende Januar die Unsicherheit für Landwirte und Unternehmen nicht beenden wird.

Unsicherheit besteht weiter

Der Austritt aus der EU beendet die Unsicherheit für Landwirte und Unternehmen nicht, im Gegenteil, bis ein Handelsabkommen mit der EU (oder den USA) unterzeichnet ist und Gültigkeit erlangt, geht das Chaos weiter (siehe Kasten).

„Das gegenwärtige System kennen wir, wir wissen, dass Maschinen und Ersatzteile problemlos importiert werden können. In Zukunft könnten je nach Art der Teile Zölle in Höhe von 9 bis 40 Prozent anfallen“, sagt Duggleby. Außerdem sei unklar, wie Zollkontrollen ablaufen werden und mit welchen Verzögerungen zu rechnen sein werde. Viele der Kunden hielten Brexit noch immer für eine gute Sache, vor allem die Milchbauern hätten noch nicht realisiert, was da möglicherweise auf sie zukomme. „Sie verkaufen ihre Milch an einen Verarbeiter und derzeit ist der Milchmarkt ok.“ Bei Krone UK ist man nicht nur auf Futtererntetechnik spezialisiert, sondern auch auf Dienstleistung rund um die Maschinen: Agronomen analysieren die Grasqualität und beraten die Landwirte bezüglich des besten Mähzeitpunkts und den optimalen Einsatz von Maschinen. So lassen sich Heu- und Silagequalität und damit die Milchleistung deutlich verbessern. Service und Beratung sind für Duggleby die Elemente, mit denen die Firma ihren Marktanteil vergrößern kann. Die meisten Landwirte verstünden ihre Tiere, aber bei der Futterqualität sei ihr Wissen ausbaufähig“, meint er. Aber der wichtigste Faktor bei Kaufentscheidungen bleibe das Wetter, und für 2020 hoffe man auf eine leichte Umsatzsteigerung.

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„Die beste Unterstützung in der Brexitvorbereitung haben wir von der österreichischen Handelskommission in London bekommen“, sagt Shaun Groom, General- direktor bei Pöttinger UK.

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„Großbritannien ist und bleibt für Krone ein wichtiger Markt“, sagt Produkt- und Marketingmanager James Duggleby. Das Unternehmen setzt vor allem auf Service und agronomische Beratung.

Das Wetter bestimmt den Markt

Den Faktor Wetter schätzt auch Paul Creasy von Lemken bei Kaufentscheidungen als extrem wichtig ein. Pfluglos zu arbeiten oder ganz auf minimale Bodenbearbeitung umzusteigen sei eine risikoreiche Strategie. Was Landwirte in Großbritannien jetzt bräuchten sei ein Höchstmaß an Flexibilität, das hätten die letzten Monate gezeigt. „Im Oktober hat es angefangen zu regnen, und im Grunde hat es bis jetzt nicht aufgehört“, sagt Creasy. Landwirte, die nach der Ernte im August ihre Äcker minimal (auf eine Tiefe von 5 bis 20 cm) bearbeitet hatten, konnten vielfach keine Wintersaat in den Boden bringen, die bearbeitete Bodenschicht hatte sich in eine Morastschicht verwandelt und war nicht befahrbar. Kollegen, die nach der Ernte den Boden nicht bearbeitet hatten, reichten im Oktober 48 Stunden ohne Regen, um zu säen.

Was den Markt angehe, gebe es für 2020 so viele Unwägbarkeiten, dass man jetzt der Einfachheit halber von einem durchschnittlichen Jahr ausgehe. Fast die Hälfte der Winterssaat konnte wegen des schlechten Wetters nicht ausgebracht werden. Für die Landwirte hängt jetzt alles an der Frühjahrsaussaat. Doch solange die nicht im Boden ist, lässt sich nichts zu Erntemengen, Qualität oder gar Preisen sagen. Lemken bietet eine große Auswahl von Maschinen an, die den Landwirten die Flexibilität ermögliche, die sie bräuchten, sagt Lemken. Und man setzte auf Beratung. „Wir sind oft die Zweit- agronomen für die Landwirte“, sagt Creasy‚ „die Händler rufen uns an und sagen, wir haben hier einen Kunden mit einem bestimmten Problem, was sollen wir dem empfehlen? Und dann übernehmen wir die Beratung“.

Neben Maschinen zur Bodenbearbeitung und Aussaat verkauft Lemken auch Feldspritzen. Ackerfuchsschwanz ist für viele Landwirte ein riesiges Problem, aber solange Post-Brexit Unsicherheit bezüglich der (weiteren) Zulassung von Pestiziden wie Glyphosat herrscht, werden viele Landwirte mit der Anschaffung einer neuen Spritze zögern.

Für Lemken gehörte Großbritannien zu den ersten Märkten, in die man exportierte. Die Handelsbeziehungen sind über lange Zeit gewachsen und die Verkäufe machen 5 Prozent der weltweiten Umsätze der Firma aus. Und gute Kenntnisse der Entwicklungen in der Landwirtschaft in Großbritannien sind wichtig für die Entwickler in Deutschland: hier zeigen sich Trends wie z.B. der zu Zwischenfrüchten, den man dadurch bei Lemken früh erkannte.

Wie entwickelt sich der Pfundkurs?

Ein Brexit-Problem, das vielen Herstellern Probleme bereitet und weiter bereiten wird, sind die Währungsschwankungen. Wie sich der Pfundkurs entwickeln wird, weiß niemand. „Der Wechselkurs ist unser größtes Problem“, sagt Fendt Marketing Manager Richard Miller. Bisher habe man die Preise um 15 bis 20 Prozent anheben müssen. Miller geht davon aus, dass der Vollzug des britischen EU Austritts das Pfund stärken wird. Die Fendt Kunden haben seiner Beobachtung nach sehr unterschiedlich reagiert: eine Gruppe sehe vor allem die vielen Unsichterheitsfaktoren und kaufe deshalb nicht. Die andere Gruppe sei zum Kauf bereit, wenn das Paket aus langfristiger Servicegarantie und guten Zahlungsbedingungen stimme.

Preiserhöhungen habe es bei Pöttinger nicht gegeben, erzählt Shaun Groom nicht ohne Stolz. Die Finanzexperten des Unternehmens schließen Verträge ab, die Währungskurse jeweils für zwölf Monate stabil halten. Für Großbritannien sei es gelungen, den zeitweilig dramatischen Kursverlust des Pfundes aufzufangen. Auch Groom geht davon aus, dass die generelle Unsicherheit für die Landwirte sich negativ auf den Markt auswirken wird. Im schlimmsten Fall könnten die Verkäufe um 10 bis 20 Prozent zurückgehen. Was die größten Herausforderungen sein werden, lasse sich bislang noch nicht absehen. Seine größte Befürchtung seien Verzögerungen an den Grenzen, die schnell hohe Kosten verursachen könnten, das habe man in der Vergangenheit bei Streiks in Calais gesehen. Und unendlich viele Details seien unklar. So kommen z.B. mehrmals im Jahr Mitarbeiter aus der Pöttinger Zentrale in Österreich, um für ein paar Wochen oder Monate in Großbritannien zu arbeiten. Brauchen die in Zukunft ein Visum und wenn ja, was für eines? Je enger Großbritannien mit der EU verbunden bleibe, desto geringer seien die Probleme.

Noch sieht Groom die Chancen für 2020 einigermaßen optimistisch. Der Milchmarkt sei stabil, der Schweinemarkt sei im Aufwind, der Rindfleischmarkt soweit ok, wirklich schlecht sehe es nur für Schaffarmer aus, denen ohne Handelsverträge mit der EU Exportzölle von bis zu 45 Prozent drohen könnten. Bei Pöttinger halte man engen Kontakt mit den Kunden, die gleichzeitig mit den Unwägbarkeiten von Brexit und dem Wetter umgehen müssten. Ziel der Landwirte sei Diversifikation und höhere Wertschöpfung durch Weiterverarbeitung im Betrieb sowie Direktverkauf. „Alles dreht sich um bessere Margen und die Senkung der Inputkosten“, sagt Groom. Er sieht außerdem einen Trend zu weniger Bodenbearbeitung – Direktsaat und Zwischenfrüchte profitieren. Und Controlled Traffic könnte es in Zukunft nicht nur im Getreideanbau, sondern auch für Grasland geben. Pöttinger arbeitet zusammen mit der Universität im walisischen Aberystwyth an einer entsprechenden Entwicklung. Bis es soweit ist, versucht man den Landwirten mit guten Zahlungskonditionen von fünf Jahren und mehr entgegenzukommen.

Das klare Wahlergebnis und die Tatsache, dass der EU Austritt nun tatsächlich stattfindet, hätten zumindest kurzfristig zu einem gewissen Gefühl von Sicherheit und Optimismus geführt, sagt Graham Barnwell, Manager für SDF in Großbritannien und Irland. Wie lange das anhalte, sei eine andere Frage, die Unsicherheit setze sich natürlich während der Verhandlungen um Handelsverträge fort. Aber ganz gleich ob Großbritannien weiter eng an die EU gebunden bleibe oder die Übergangsphase ohne Verträge in einem „harten Ausstieg“ ende, die Bedingungen seien für alle Hersteller gleich. Lediglich New Holland produziere in Großbritannien, alle anderen müssten Maschinen aus Werken in EU Ländern importieren. Und das gilt nicht nur für europäische Firmen, sondern z.B. auch für John Deere, die mit Ausnahme der ganz großen Modelle fast alles in Werken in kontinentalen EU Ländern produzieren lassen und von dort nach Großbritannien exportieren.

Und damit eröffnet sich eine ganz neue Dimension von Brexit Problemen: viele Unternehmen, nicht nur im landwirtschaftlichen Bereich, haben Vertretungen für Großbritannien und Irland. Bei Claas werden 80 Prozent der für Irland bestimmten Maschinen von den kontinentaleuropäischen Werken direkt verschifft, aber 20 Prozent werden aus Großbritannien geliefert. „Hier sehe ich große Probleme auf uns zukommen“, sagt Trevor Tyrrell, Claas UK/Ireland wird nach dem Austritt zum Exporteur – von EU Waren aus einem nicht EU Land in ein EU Land. Noch ein Problem von dem niemand weiß, wie es gelöst werden könnte.

Die Autorin

Marianne Landzettel ist Fachjournalistin, Schwerpunkt ihrer Berichterstattung sind Landwirtschaft und Agrarpolitik in Großbritannien, wo sie seit 1998 lebt, und den USA. Sie begann ihre journalistische Laufbahn beim Landfunk des SDR. Als SWR Korrespondentin für Großbritannien und Irland kam sie nach London. Es folgten zehn Jahre beim BBC World Service. Seit 2013 schreibt und bloggt sie für Medien in Deutschland, Großbritannien und den USA.

Twitter: @M_Landzettel

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Marianne Landzettel.

Brexit – Was passiert nach dem Austritt am 31. Januar?

Brexit, der Austritt Großbritanniens aus der EU, ist nur der erste Schritt in einem langen Prozess. Am 1. Februar beginnt eine elfmonatige „Übergangsphase“. Großbritannien ist nicht mehr Mitglied der EU, die britischen Mitglieder des europäischen Parlamentes haben ihre Büros geräumt, britische Landwirte bekommen keine Zahlungen mehr unter GAP. In Bezug auf die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und den EU Ländern bleibt jedoch bis zum Jahresende im Wesentlichen alles beim Alten. Großbritannien muss alle EU Standards bezüglich Umwelt, Arbeitsrecht, Steuern etc. einhalten.

Während der Übergangsphase sollen die zukünftigen Handelsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien vertraglich geregelt werden. Und das wird um ein Vielfaches komplizierter als die bisherigen Verhandlungen um den Austrittsvertrag.

Nicht nur EU Präsidentin von der Leyen hat bei ihrem Besuch in London im Januar betont, dass die Übergangsphase für den Abschluss von umfassenden Handelsbeziehungen zu kurz ist. Im Schnitt wird 10 bis 15 Jahre verhandelt, bis ein Handelsabkommen unterschriftsreif ist. Die EU hat bereits mitgeteilt, dass die Verlängerung der Übergangsphase problemlos möglich sei, die Briten müssten sie nur bis zum Juli beantragen. Und genau das hat Premier Boris Johnson per gesetzlicher Regelung ausgeschlossen. Auch Gesetze kann man ändern, eine Verlängerung nach dem 31.12.2020 ist also trotzdem noch möglich, aber ebenso möglich ist, dass die Übergangsphase ohne Handelsabkommen endet – der „harte Brexit“ durch die Hintertür. In diesem Fall würden WTO (Welthandelsorganisation) Regeln gelten, und landwirtschaftliche Produkte aus Großbritannien würden mit teilweise heftigen Zöllen belegt. Brexitbefürworter, allen voran Boris Johnson, argumentieren weiterhin, dass Großbritannien bei Verhandlungen am längeren Hebel sitze, weil die EU den britischen Markt mehr brauche als umgekehrt. Das ist sachlich falsch: die Hälfte der britischen Exporte geht in EU Staaten, die EU Exporte nach Großbritannien machen nur knapp zehn Prozent aus.

Brexit – Britische Landwirte: Mit Unsicherheit leben lernen

Guy Halsey ist Farmer in Hertfordshire, einer Grafschaft nördlich von London. Auf 360 ha baut er Weizen, Hafer, Gerste, Sojabohnen, Leinsamen und Raps an, weitere 360 ha sind Dauerweiden und Wald. Er hofft, dass ihm die Reaktion der Märkte auf Brexit einen Anhaltspunkt geben wird, wie sich die Getreidepreise entwickeln. In den vergangenen Jahren konnte er beim Verkauf von den Wechselkursschwankungen profitieren. Langfristig sieht er die Chancen britischer Landwirte auf dem britischen Markt, in Direktverkäufen ab Hof oder online und in der Nutzung von Marktnischen – zu denen in Großbritannien noch immer der Ökolandbau zählt.

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Halsey überlegt derzeit, ob ein Teil des Getreides auf dem Hof weiterverarbeitet werden könnte, z.B. zu Mehl oder Getreideflocken. Er habe bereits gute Maschinen gesehen, alle aus Deutschland, „die Deutschen sind uns da weit voraus“, sagt er. Neue Landmaschinen wird er nicht kaufen, seit Jahrzehnten erwerbe er alles gebraucht. Wenn großes Gerät benötigt werde, beauftrage er ein Lohnunternehmen. Für die Zukunft denkt er über die Umstellung des Betriebs auf Biolandbau nach. Damit fiele für ihn ein Brexit Unsicherheitsfaktor weg, der ihm derzeit noch Sorgen macht: Ohne Handelsabkommen mit der EU ist unklar, welche Pestizide und Herbizide weiter eingesetzt werden dürfen oder ob existierende Verbote möglicherweise aufgehoben werden könnten. Als Biolandwirt müsste er sowieso andere Lösungen finden. Technisch gehe die Entwicklung in Richtung autonome Maschinen und Schwarm-Roboter. Diese leichten, leistungsfähigen und vielseitigen Roboter würde er liebend gern auf der Farm einsetzen, aber bislang seien sie unerschwinglich.


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