„Die Corona-Zeit hat uns neue Türen geöffnet“

Zwei Jahre ist jetzt Salvatore De Grazia für die Geschäfte der deutschen Niederlassung verantwortlich. Der eilbote sprach mit ihm über Veränderungen in Groß-Gerau.

Bondioli & Pavesi: „Die Corona-Zeit hat uns neue Türen geöffnet“

Die Vertriebsleitung um Salvatore De Grazia (Mitte), General Manager: Jürgen Hendrich (links), Leitung Mechanik, Marc Nagel (rechts), Leitung Hydraulik.

Bondioli & Pavesi: „Die Corona-Zeit hat uns neue Türen geöffnet“

Mit 1.800 eigenen Regalplätzen in Groß-Gerau kann Bondioli & Pavesi Pufferkapazitäten als Service für Kunden vorhalten.

„Kürzere Reaktionszeiten, moderne Prozesse, Systemlösungskompetenz und mehr Präsenz vor Ort – das ist Bondioli & Pavesi 2.0“, so bringt Salvatore De Grazia die Neuausrichtung in Groß-Gerau auf den Punkt. Seit Januar 2020, also knapp zwei Jahre, ist der 42-jährige Italiener General Manager der Bondioli & Pavesi GmbH Deutschland. Ihr Standort ist im hessischen Groß-Gerau, wenige hundert Meter von der gleichnamigen Abfahrt der A67 entfernt. Die deutsche Niederlassung besteht seit 1980. Sie ist damit eine der ersten Auslandsgesellschaften des norditalienischen Antriebsexperten aus Suzzara.

1950 gründete Edi Bondioli dort gemeinsam mit seinem Freund Guido Pavesi die Firma mit ihren beiden Namen: Bondioli & Pavesi. Das erste und inzwischen weltweit verbreitete und wohl bekannteste Produkt des Unternehmens ist die Gelenkwelle. In sieben Jahrzehnten hat sich das Unternehmen – auch durch Übernahmen – zum Systemanbieter von mechanischen und hydraulischen Antriebslösungen entwickelt. 1.700 Mitarbeitende entwickeln, fertigen und vertreiben heute weltweit an sechs Produktionsstandorten und 14 Vertriebsniederlassungen Gelenkwellen, Getriebe, Axialkolbeneinheiten, Steuerblöcke sowie Wärmetauscher. Jeweils ein Drittel der 365 Mio. Euro Umsatz kommt aus dem Hydraulikgeschäft, den mechanischen Systemen und Hybridlösungen, die auch Elektroantriebe einschließen. Edi Bondioli, der als Tüftler und Erfinder bis zu seinem Tod 2020 aktiv vor allem die Gelenkwellenentwicklung begleitete, folgen seine beiden Söhne Claudio und Carlo.

„Wir sind ein mittelständisches Familienunternehmen. Die Entscheidungswege sind kurz – ich rufe, wenn es notwendig ist, zum Beispiel Claudio einfach direkt an“, schildert De Grazia sein sehr persönliches Verhältnis zu den Eigentümern. De Grazia studierte bis 2006 in Pisa Maschinenbau und ging danach für den italienischen Getriebespezialisten Comer Indutries nach Deutschland. Weitere berufliche Stationen waren in der Mobilhydraulik und als Global Account-Manager bei Linde Hydraulics. Der Ingenieur lebt mit seiner Frau, einer Tochter und den Zwillingssöhnen in der Nähe von Groß-Gerau. 2017 trat De Grazia in das Unternehmen ein. Das erlaubte eine fließende Staffelübergabe in der Leitung der deutschen Landesgesellschaft, da der vorherige Geschäftsführer 2020 in den Ruhestand ging. Mit einer rund 50-köpfigen Mannschaft betreut De Grazia für Bondioli & Pavesi zusätzlich zu Deutschland und Österreich auch die osteuropäischen Märkte sowie ausgewählte Global Accounts in Frankreich und den Niederlanden. Der Umsatz der deutschen Niederlassung liegt inzwischen bei 63 Mio. Euro.

De Grazia setzt auf einen modernen Führungsstil: „Als ich nach Groß-Gerau kam, traf ich auf viele hochqualifizierte Einzelplayer. Gemeinsam erarbeiten wir uns nun eine neue und zeitgemäße Teamkultur, die uns mit Hilfe von modernen Kommunikationstechniken noch effizienter und schneller macht.“

Teamgeist bedeutet für De Grazia auch stetige Optimierung. Seit Juli 2021 verstärkt daher der diplomierte Wirtschaftsingenieur Marc Nagel die Vertriebsleitung. Er verfügt über eine mehr als zehnjährige Erfahrung in der hydraulischen Antriebstechnik. Er soll, zusammen mit seinem Vertriebsteam, die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Kunden breiter aufstellen.

Für die Lösung mechanischer und hydraulischer Anforderungen gibt es in Groß-Gerau spezialisierte Ingenieurteams. Sie formulieren die Lastenhefte mit den Kunden, beraten und messen aber auch vor Ort, um zum Beispiel für Gelenkwellen Lastzyklen und Lastspitzen zu ermitteln.

Die Auslegungen im Bereich Mechanik und Hydraulik können in Groß-Gerau erfolgen. Bei Neukonstruktionen – immerhin drei Viertel des Geschäfts macht man mit OEM – nutzt man ergänzend die Expertise der Disziplinen in den Bondioli & Pavesi- Entwicklungszentren in Italien.

„Je eher wir bei Projekten eingebunden werden, umso besser ist das Ergebnis“, betont Jürgen Hendrich, langjähriger Vertriebsleiter im Bereich Mechanik. Mit neun Außendienstmitarbeitern im Vertrieb ist Bondioli & Pavesi ganz nah am Kunden. Dazu kommen 14 Stützpunkthändler, die in ganz Deutschland verteilt sind.

Zum Händlerservice gehört nach wie vor auch ein ausführliches Schulungsprogramm für Gelenkwellen. Seit 2020 wird diese Schulung auch als Webinar angeboten, eine der neuen Türen, die sich für Bondioli & Pavesi in der Corona-Zeit geöffnet haben.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Kundenservice ist der von Mitarbeitern gebaute und konstruierte Prüfstand, der Händlern sowie OEM-Kunden zur Verfügung steht.

Bis zu seinem Tod habe der Firmengründer Edi Bondioli mit seiner Erfahrung die Entwicklung der neuen Gelenkwellengenerationen SFT Pro begleitet und als persönliches Projekt vorangetrieben, berichten die Ingenieure Sebastian Hartmann und Johannes Ost von der Bondioli & Pavesi Anwendungstechnik.

Mehr als zehn Jahre Weiterentwicklung

Im SFT Pro-Projekt entwickelte man alle Komponenten mit dem Hintergrund jahrzehntelanger Expertise von Grund auf neu. Neue Materialien und Geometrien wurden geprüft und eingesetzt, Vibrationen, Verschleiß und Toleranzen minimiert, Gewicht eingespart. Das Projekt dauerte über zehn Jahre. Mit seiner eigenen hohen Fertigungstiefe setzte Bondioli & Pavesi die Ergebnisse vieler Versuche um und präsentierte zur letzten Agritechnica als neues Spitzenmodell die Gelenkwelle SFT-Pro. Die zur Schmierung benötigten Fettmengen sind jetzt stark reduziert. Die Kreuze in der Standardausführung sind nun wartungsfrei, in der Weitwinkelversion verlängerte sich das Schmierintervall von 50 auf 250 Stunden, diese gelten jetzt auch für die Profilrohre und Laufringe.

Bondioli & Pavesi: „Die Corona-Zeit hat uns neue Türen geöffnet“
Bondioli & Pavesi: „Die Corona-Zeit hat uns neue Türen geöffnet“

Smarte Technik: Die Axialkolbenpumpe HPP9 (links) und die Gelenkwelle SFT Pro EDI bieten via Apps Datenaustausch über das Internet der Dinge.

Corona-Krise hat Türen geöffnet

„Die Corona-Zeit haben wir auch als Chance erlebt: Die Lieferschwierigkeiten haben einige Kunden über eine Zwei-Lieferanten-Strategie nachdenken lassen. Das hat uns weitere Türen geöffnet“, betont Hendrich. Auch die Lieferung „Just in Time“ mit Minimumbeständen werde von mehr und mehr OEM hinterfragt. Mit 1.800 eigenen Regalplätzen in Groß-Gerau könne man als Service für Kunden Pufferkapazitäten vorhalten.

„Als mittelständisches Familienunternehmen sind wir sehr flexibel. Wir legen unseren Fokus sowohl auf kleinere als auch auf größere Stückzahlen in der Hydraulik und Mechanik. Wir können das gesamte Spannungsfeld der Spezialmaschinen in der Landtechnik abdecken und somit als internationales Familienunternehmen für jeden Kunden der passgenaue Partner sein“, ergänzt De Grazia. Eigentlich wollte er zur Agritechnica im März 2022 den Kunden eine Weiterentwicklung der Produkte und neue Teammitglieder vorstellen. Die Pläne mussten bekanntlich geändert werden. „Wir kommen aber auch auf vielen anderen Kanälen miteinander ins Gespräch! Lernen Sie uns und Bondioli & Pavesi 2.0 gerne näher und neu kennen“, so seine Einladung.

Bondioli & Pavesi: „Die Corona-Zeit hat uns neue Türen geöffnet“

Salvatore De Grazia: „Wir können das gesamte Spannungsfeld der Spezialmaschinen in der Landtechnik abdecken.“

Bondioli & Pavesi: „Die Corona-Zeit hat uns neue Türen geöffnet“

Die SFT Pro.

Gelenkwellen – Eine effiziente Möglichkeit der Zusammenführung von Mechanik, Hydraulik und Elektronik

Regelmäßige Wartung erhöht die Lebensdauer einer Gelenkwelle. Die Wartungsintervalle sind zeitabhängig vorgeschrieben, spiegeln jedoch nicht die realen Einsatzbedingungen der tatsächlich erfolgten Leistungsübertragung wider, betonen die Ingenieure Sebastian Hartmann und Johannes Ost von der Bondioli & Pavesi Anwendungstechnik. Mit der „Electronic Data Interchange E.D.I.-Gelenkwelle“ will Bondioli & Pavesi das jetzt ändern.

Das System besteht aus einer Gelenkwelle, die mit verschiedenen Sensoren ausgestattet ist. Dazu kommt eine einfache elektronische Einheit, die alle Daten dieser Sensoren sammelt, Echtzeitdaten überträgt und ein weiteres am Fahrzeug angebrachtes Steuergerät (ECU), in dem die Daten ausgewertet und an eine übergeordnete Maschinensteuerung via CAN-Bus übergeben werden. Dieses Steuergerät sammelt alle Daten und verarbeitet sie mit einem speziell entwickelten Algorithmus zu verwertbaren Prozessdaten.

Diese können entweder lokal an das Cockpit mit ISOBUS-Verbindung oder per Fernzugriff auf einen Cloud-Service (zum Beispiel: B&P-Link) übertragen werden. Damit kann der Maschinenführer den Betriebszustand der Gelenkwelle an der Maschine überwachen und im Cockpit anzeigen lassen.

Diagnoseinformationen können aus allen Sensoren berechnet werden. Diese Berechnung liefert Auskunft über den Echtzeitstatus der Gelenkwelle sowie über den Verschleißgrad.

Die Betriebsdaten der E.D.I.-Gelenkwelle werden für die Leistungsregelung der angehängten Arbeitsmaschine oder Motorsteuerung der Zugmaschine mit einbezogen, zum Beispiel für eine Grenzlastregelung. Das ist besonders hilfreich, wenn es mehrere Leistungsabnehmer an der Zugmaschine gibt, wie Front- und Heckzapfwelle, Fahrantrieb und Arbeitshydraulik.

Analoge Möglichkeiten gibt es für die Integration elektronischer Bauteile in Hydraulikpumpen und -ventile. Die Bondioli & Pavesi Ingenieure fassen dies unter dem Begriff „Hub” zusammen.


Weitere Artikel zum Thema

weitere aktuelle Meldungen lesen