Schnelltest mit dem Sensorspaten

Dank neuartiger Messmethoden und künstlicher Intelligenz soll das mobile FarmLab des Start-ups Stenon erstmals in wenigen Sekunden eine komplette Bodenanalyse in Laborqualität ermöglichen. Auf der agra 2019 gab es dafür einen Innovationspreis.

Bodenanalyse: Schnelltest mit dem Sensorspaten

Stenon-Mitgründer Niels Grabbert plant für Anfang nächsten Jahres die Markteinführung des mobilen Systems FarmLab, das Bodenparameter in Echtzeit misst.

Bodenanalyse: Schnelltest mit dem Sensorspaten

Niels Grabbert, Mitgründer und Technischer Geschäftsführer der Potsdamer Stenon GmbH, demonstriert die Handhabung des Sensorspatens.

Für erfolgreiche Landwirte und Gemüsebauern ist der Spaten das am häufigsten benutzte Werkzeug. Schließlich offenbart der geschulte Blick auf die damit ausgehobene Erdscholle eine Reihe hilfreicher Informationen über ihr wichtigstes Produktionsmittel, etwa zum Bodenleben oder zum Humusaufbau. Nicht erkennbar sind jedoch Bodenparameter wie der Gehalt an mineralisiertem Stickstoff (Nmin), die verfügbaren Haupt- und Spurennährstoffe oder der pH-Wert. Um dies zu ermitteln, rastert der Pflanzenbauer nach jetzigem Stand der Technik die Karte des Schlages zunächst in meist einige Hektar große Abschnitte. Dort erfolgen dann mehrere Bodenentnahmen, wobei die Verbindungslinie der Einstiche ein „Z“ ergibt. Die Mischproben der jeweiligen Teilflächen müssen kühl gehalten und so schnell wie möglich zur Analyse ins Labor gebracht werden. Das Ergebnis gibt es einige Tage später. Ob es stimmt, ist nicht hundertprozentig sicher. Denn wie die Praxis zeigt, birgt das Prozedere der Erfassung und Versendung der Proben Fehlerquellen.

Bodenparameter punktgenau und in Echtzeit

Diesem Aufwand und den Unwägbarkeiten setzen Niels Grabbert und Dominic Roth ihr mobiles Bodenanalysegerät FarmLab entgegen. Für die Vermarktung der Entwicklung, die auf der Landwirtschaftsausstellung agra vor wenigen Wochen mit dem Innovationspreis in der Kategorie Landwirtschaft ausgezeichnet wurde, gründeten sie im April vergangenen Jahres in Potsdam die Stenon GmbH. Das Unternehmen beschäftigt mittlerweile fünf Mitarbeiter. Bis Ende 2019 sollen insgesamt 15 qualifizierte Arbeitsplätze entstehen.

Das Gerät ähnelt einem Spaten und wird wie dieser mit dem Fuß in den Boden gestochen. Damit erschöpfen sich aber auch schon die Gemeinsamkeiten. Denn das Analysegerät ist mit Hightech bestückt. Wo bei einem Spaten das Blatt sitzt, befinden sich zwei gegenüberliegende Messsonden, die mit mehreren optischen Sensoren bestückt sind. Am Stiel ist ein Touchscreen für die Steuerung und Kontrolle der Messung befestigt.

FarmLab ermöglicht nach Angabe der Start-up-Gründer in wenigen Sekunden die Erfassung der Bodenparameter Nmin (Nitrat, Ammonium), Phosphor, Kalium, Magnesium, Zink, Bor, Humus, pH-Zahl und Textur sowie von Feuchtigkeit und Temperatur, die das Mikroklima bestimmen. Außerdem wird mittels GPS-Technologie die Messposition auf der Fläche erfasst. Die Genauigkeit der Messergebnisse entspräche der Qualität einer Laboranalyse. „Wir haben auf dem Markt kein System gefunden, das die Nährstoffe im Boden praktisch in Echtzeit so präzise bestimmt“, sagt Grabbert. Der 30-Jährige ist in einem Dorf in der Lüneburger Heide aufgewachsen. Während des Elektronik-Studiums an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin spezialisierte er sich im Bereich Sensorentwicklung. Nach dem Masterabschluss „Electrical Engineering and Computer Science“ forschte er am Berliner Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration an Pixeldetektoren für den Teilchenbeschleuniger CERN in der Schweiz. „Hier wurde mir klar, welches enorme Potential moderne Sensortechnologien und die Auswertung großer Datenmengen mit Hilfe künstlicher Intelligenz für die Landwirtschaft und den Gartenbau bieten“, erinnert sich der Technische Geschäftsführer bei Stenon.

Das Geheimnis von FarmLab liege zum einen in neuartigen, zum Patent angemeldeten Messfühlern sowie der Kombination unterschiedlicher, teilweise im Agrarbereich bislang nicht eingesetzter Sensortypen und zum anderen in der intelligenten Auswertung der mehr als 5.000 Einzeldaten, die bei jeder Messung im Boden bis 30 cm Tiefe anfallen.

Bodenanalyse: Schnelltest mit dem Sensorspaten

Das Geheimnis des mobilen Bodenanalysesystems von Stenon liegt im Zusammenspiel der zum Teil neuartigen Sensoren an den Messsonden des Gerätes.

Bodenanalyse: Schnelltest mit dem Sensorspaten

Wenige Sekunden nach der Messung werden die Bodenparameter punktgenau beispielsweise auf einem Tablet angezeigt.

Entwickler planen Integration in Landtechnik

Die digitale Bodenanalyse erfolgt per Knopfdruck nach dem Einstechen des Sensorspatens. Dabei gelangen die Rohdaten zunächst über eine Mobilfunkverbindung auf einen Cloud-Server, wo sie ein spezielles Computerprogramm mit Hilfe von Algorithmen interpretiert. „Nach 15 bis 20 Sekunden lassen sich die Bodenparameter am FarmLab-Display, Handy oder Tablet ablesen und zusammen mit der Messposition abspeichern“, erläutert Grabbert. Besteht keine Verbindung zum Internet, biete das Gerät Pufferkapazität für die Werte von bis zu 1.000 Messungen.

Einen besonderen Vorteil sieht der Stenon-CTO darin, dass der Anwender die Messhäufigkeit an beliebig vielen Punkten frei bestimmen kann, da pro Probe keine Kosten für die Dienstleistung eines Labors entstehen. So könne den Ursachen von Mangelerscheinungen in Kulturen nachgegangen werden und auf dieser Grundlage gezielte, teilflächenspezifische Düngerapplikationen erfolgen.

Gegenwärtig testet Stenon das mobile Bodenlabor bei Landwirten in mehreren Bundesländern. Die nächste große Herausforderung sieht Grabbert in der Markteinführung von FarmLab, die für Anfang nächsten Jahres vorgesehen ist. Man kooperiere hier bereits mit Distributionspartnern.

Doch der Unternehmensgründer blickt bereits weiter. So könne das System für Messungen der Inhaltsstoffe von Gülle, Gärresten oder auch Futterpartien erweitert werden. Geplant sei überdies die Integration in Fahrsysteme. Das können mobile Landmaschinen und angekoppelte Geräte sein oder auch ein autonomes Trägersystem wie E-TERRY, das die Brüder Jakob und Michael Rieke auf der agra 2019 direkt neben dem Messstand von Stenon vorstellten. Sie sind auf einem Bauernhof bei Naumburg groß geworden und studieren beide an der Bauhausuniversität Weimar – Michael Produktdesign und Jakob Informatik. „Obwohl jedes der drei Räder von einem leistungsstarken Elektromotor des Schweizer Herstellers Maxon angetrieben wird, wiegt die Leichtbaukonstruktion nur 80 kg“, betont Michael Rieke, der das E-TERRY im Rahmen seiner Masterarbeit entwickelte. Zugleich sei die Plattform durch die um 360 Grad drehbaren Fahrgestelle sehr beweglich, mit seinen drei Aufstandspunkten geländegängig und kippsicher sowie robust genug, um Geräte für verschiedenste Anwendungen in der Landwirtschaft aufzunehmen. Als Beispiele nennt er Bodenanalytik, Unkrautbekämpfung, punktgenaue Düngung und automatisierte Ernte.

Forschungsprojekt begleitet die Markteinführung

Wissenschaftliche Unterstützung bei der Entwicklung des Bodenanalysegerätes zur Marktreife erhalten die Stenon-Gründer von Wissenschaftlern am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam und dem Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) in Großbeeren. „In einem Anfang dieses Jahres gestarteten Forschungsvorhaben prüfen wir in Freilandversuchen, inwieweit die Messwerte des FarmLab mit den Ergebnissen der Laboranalyse von an gleicher Stelle entnommenen Bodenproben übereinstimmen“, informiert Dr. agr. André Sradnick vom IGZ. Zwar könne man die meisten Bodenparameter erst seit dem Frühjahr messen, aber die ersten Testreihen würden durchaus optimistisch stimmen. Der Wissenschaftler sieht mit Blick auf die verschärften Gesetzesvorgaben bei der Stickstoffdüngung und auf die Ertragsoptimierung einen hohen Nutzwert der Echtzeitermittlung von Bodenwerten für den Pflanzenbau, sowie insbesondere für die Gemüseproduktion. „Nicht zuletzt durch die einfache Handhabung bietet das Gerät die bislang einmalige Chance, den pflanzenverfügbaren Stickstoff und darüber hinaus weitere Bodenparameter ereignisspezifisch zu kontrollieren, also beispielsweise nach größeren Niederschlägen, Frost oder der Einarbeitung von Ernterückständen“, so Sradnick. Im Gemüsebau habe dies besondere Bedeutung. Da die Früchte im Gegensatz zum Ackerbau nicht abgereift, sondern frisch geerntet werden, müsse für die Qualitätssicherung über den gesamten Vegetationsverlauf bis zum Zeitpunkt der Ernte eine optimale Nährstoffversorgung gewährleistet sein. Auch weil die Düngeapplikation als Kostenfaktor im Verhältnis zum Ertrag von Gemüsekulturen eine untergeordnete Rolle spielt, führe dies in der Praxis zu Sicherheitsgaben und berge die Gefahr der Nitratbelastung des Grundwassers durch ausgewaschene Nährstoffüberschüsse. Hinzu komme, dass bei Kohlkulturen wie Blumenkohl und Brokkoli, große Mengen an Ernteresten und damit Nährstoffmengen auf dem Feld verbleiben, die wegen des späten Erntezeitpunktes im Herbst nicht durch eine Zwischenfrucht aufgenommen werden können.

Als Werkzeug für eine dem Pflanzenbedarf und der Qualitätssicherung angepasste Düngung stellt das IGZ die Software N-Expert kostenlos bereit. „Das dafür verwendete Berechnungsmodell berücksichtigt jedoch nicht die aktuelle Wetterlage. Insofern wäre der Sensorspaten eine ideale Ergänzung“, meint der Wissenschaftler. Landwirte könnten dann auf Grundlage der Messwerte des FarmLab und der davon abgeleiteten Empfehlungen kurzfristig entscheiden, ob noch eine Düngergabe erforderlich ist oder nicht. Das passe auch zum traditionellen Arbeitsbild im Gemüsebau, der viel Handarbeit erfordere. Der zusätzliche Spatenstich falle da kaum ins Gewicht.

Das Forschungsprojekt läuft bis Ende 2020. Bis dahin soll das mobile Bodenanalysesystem marktfähig sein, einschließlich einer Schnittstelle zwischen Gerät und der Software N-Expert.

Bodenanalyse: Schnelltest mit dem Sensorspaten

Das von Michael und Jakob Rieke als Leichtbau konstruierte und auf der agra 2019 vorgestellte autonome Fahrsystem E-TERRY könnte als Plattform für das Bodenanalysegerät FarmLab dienen.

Japanischer Landtechnikhersteller zeigt großes Interesse

Kaufmännischer Geschäftsführer und Mitgründer der Stenon GmbH ist Dominic Roth. Der gebürtige Saarländer, der an der HTW Berlin seinen Master als Wirtschaftsingenieur machte und danach in der Digitalisierungsberatung tätig war, konnte an der Verleihung des Innovationspreises auf der agra nicht teilnehmen. Er leitete zu diesem Zeitpunkt einen Workshop über Präzisionslandwirtschaft auf der Fachmesse für optische Messgeräte, technische Glasprodukte und Robotik OPIE in Yokohama (Japan). „Die Verbraucher in Japan achten sehr auf Qualität und sind bereit, dafür mehr zu zahlen. Ansonsten kämpfen die Gemüsebauer dort mit den gleichen Problemen, etwa der Gefahr einer Überdüngung und Wartezeiten auf die Laborergebnisse“, erfuhr Roth. Mit entsprechender Aufmerksamkeit hätten die Teilnehmer der gut besuchten Veranstaltung seine Ausführungen zum FarmLab aufgenommen. Interesse habe auf der Messe auch ein weltweit tätiger japanischer Hersteller für Bau- und Landmaschinen bekundet. „Vor einer Markteinführung außerhalb des deutschsprachigen Raums stehen für uns als Start-up allerdings hohe Hürden beim Vertrieb und Service“, bleibt der 26-jährige realistisch.


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