Redlich nähren sich die Eichhörnchen...

Die Global Player der Landtechnik finden Mittel und Wege, sich mit einer Reihe dauerhafter Herausforderungen zu arrangieren und setzen dabei anhaltend auf Innovation und Digitalisierung.

Big Six 2019: Redlich nähren sich die Eichhörnchen...

Konnte man im vergangenen Jahr noch darauf hoffen, dass sich manches handelspolitische Problem über kurz oder lang erledigen würde und damit die Welt wieder zur Tagesordung zurückfinden könne, so sah man sich getäuscht: Der Brexit, der Handelskonflikt zwischen den USA und China mit seinen kollateralen Drohszenarien, die politische Destabilisierung in Teilen des Nahen Ostens sowie wachsender Nationalismus und Protektionismus auf den verschiedenen Erdteilen stellen global agierende Unternehmen vor massive Herausforderungen – und das auf Dauer. Anders als mittelständische Unternehmen können die großen nicht unter dem Radar staatlicher Überwachung hindurchfliegen und müssen sich – vielfach zähneknirschend – mit teils bizarren Marotten von Machtapparaten arrangieren. Als würden der Klimawandel, EU-Verordnungen und Erzeugerpreisschwankungen ihren Kunden, ihren Lieferanten und deren Zulieferer nicht schon hinreichend Ressourcen aufzehren! Zu allem Unglück nun auch noch Corona! Die Antworten der Hersteller sollten darauf lauten: konsequent auf Innovation und Digitalisierung setzen, die Vernetzung von intelligenten Lösungen ermöglichen und auf die Flexibilität von Lieferketten und Fertigungsstandorten dringen. Das Credo des „Alles aus einer Hand-Supply-Managements“ hat unerwartet rasch ausgedient. Gleichzeitig muss davor gewarnt werden, das eigene Produktportfolio an seinen Rändern aufzublähen, worunter die Profitabilität leidet – Geld wird in den Konzernen vor allem mit Pferdestärken auf vier Rädern verdient.

Bevor wir uns im eilboten mit dem Jahr 2020, das als „annus horribilis“ (fürchterliches Jahr) in die Geschichte der Landtechnikindustrie eingehen könnte, auseindersetzen dürfen, lassen wir erst einmal das abgelaufene Geschäftsjahr der Big Six Revue passieren.

AGCO – Wachstum in verschiedene Richtungen

Mit 9,041 Milliarden US-$ blieben die weltweiten Umsätze des Unternehmens 2019 um 3,3 % hinter denen des Vorjahres zurück. Hauptursachen dafür waren massivere Umsatzeinbrüche in Südamerika, im Bereich Asien, Pazifik, Australien bei Traktoren sowie ein schwächelndes Mähdreschergeschäft in Westeuropa. Zwar kann AGCO mit seinen Marken Fendt, Massey Ferguson, Valtra und Challenger eine beeindruckende Bandbreite an Produkten aufweisen, allerdings müssen diese Marken auch technisch weiterentwickelt, differenziert vermarktet und mit einer Vielzahl von Produkten vernetzt werden. Das bedeutet Komplexität und stellt Ingenieure wie Führungspersönlichkeiten vor schwierige Aufgaben. Gleichzeitig arbeitet AGCO massiv daran, in traditionell von mittelständischen Spezialisten besetzte Marktsegmente einzudringen. Ob sich damit unter dem Namen der Premium-Marke hinreichend Geld verdienen lässt, bleibt abzuwarten. Erkannt hat das Unternehmen noch schlummernde Potentiale auf dem afrikanischen Kontinent, wo es Kooperationen und Projekte in Mosambik, Sambia, Benin und in Südafrika verfolgt. Man kann davon ausgehen, dass auch andere Player ihre Chancen in Afrika wahrnehmen, wenngleich auch etwas weniger vernehmlich. Darüber hinaus gab AGCO im vergangenen Jahr trotz herausfordernder Zeiten bei den Investitionen auf den verschiedenen Märkten Gas, sei es beim Ausbau seines MF-Werkes in Beauvais mit 200 neuen Arbeitsplätzen, bei der vierten Ausbaustufe seines Fendt Forums in Marktoberdorf sowie bei der Einführung von IT- und Telematiklösungen in Brasilien.

Produktseitig sollten die neue selbstfahrende Feldspritze Rogator 600 und die neuen 300er Variotraktoren nicht unerwähnt bleiben, ebenso die Kooperation mit Sennebogen beim Teleskoplader Ergo T955.

Claas – Weichenstellungen Richtung Zukunft

Auch das traditionsreiche Familienunternehmen bekam im Geschäftsjahr 2018/19 die mit 3,898 Milliarden Euro stagnierende Nachfrage nach Landtechnik zu spüren. Unterm Strich fiel der Betriebsgewinn aber um fast 25 % zurück. Mit dem 40.000sten Jaguar-Feldhäcksler seit 1973 und dem 150.000sten Standardtraktor seit 2003 konnte Claas zwei wesentliche Meilensteine feiern, allerdings belastet nach wie vor der vergleichsweise niedrige Anteil von Traktoren am Gesamtumsatz das Ergebnis.

Dass die Harsewinkeler ihr Unternehmen auf die Erfordernisse der Zukunft einstellen, zeigt sich unter anderem an der im Juni 2019 vorgenommenen Veränderung der Konzernstruktur, an deren Spitze mit Thomas Böck jetzt ein Chief Executive Officer (CEO) steht. Der Konzernleitung gehören seit 1. Oktober 2019 weitere fünf Ressortchefs an.

Neben Investitionen von ca. 115 Millionen Euro für die Erneuerung seiner Produktionsstandorte hat Claas im vergangenen Jahr auch technisch deutlich aufgerüstet, sei es mit der Eröffnung seines Test- und Versuchszentrums, der Vorstellung der zweiten Generation seiner Lexion Mähdrescherreihe oder der vollgefederten Halbraupentraktoren der Axion-Reihe, die für besonders hohe Zugleistungen unter erschwerten Bedingungen konstruiert wurden. Auch die Öffnung gegenüber herstellerübergreifenden IT-Plattformen wie DataConnect oder Cloud-to-Cloud-Lösungen hat Claas massiv vorangetrieben. Immerhin hat Claas auch unter herausfordenden Bedingungen 2018/19 über 240 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung investiert.

John Deere – Herausforderungen rund um den Erdball

Als hätte es das Unternehmen bereits gespürt, dass härtere Zeiten auch neue Ideen und Köpfe erfordern: Mit dem schrittweisen Wechsel an seiner Spitze hat der Konzern mit John C. May den erst zehnten Unternehmenschef seiner 182-jährigen Geschichte die Führungsverantwortung übertragen und ihn vor kaum absehbare Herausforderungen gestellt. Wie kaum ein anderer Global Player muss John Deere etliche Bälle gleichzeitig in der Luft halten, seien es der US-Handelskonflikt mit China, die politisch und wirtschaftlich problematische Lage in Südamerika oder die Gratwanderung zwischen Russland und der Ukraine. Dagegen wirkten die nordamerikanischen Witterungskapriolen bei Aussaat und Ernte noch vergleichsweise harmlos.

Dass John Deere mit 39,258 Milliarden US-$ seinen Umsatz um immerhin 5,5 % gegenüber dem Vorjahr steigern konnte, liegt nicht zuletzt an der breiten Aufstellung seines Produktangebotes. Sei es für das Grün mit bisher 5 Millionen produzierten Rasentraktoren, den Acker mit neuen 230- und 250-PS-Traktoren aus Mannheim, den Wald oder die Erdbewegung und Fahrbahnasphaltierung mit Produkten der Wirtgen-Gruppe, das Unternehmen nutzt konsequent seine Fertigungs- und Forschungssynergien. Dazu gehört auch die Öffnung seiner intelligenten Lösungen gegenüber herstellerübergreifenden Plattformen wie DataConnect oder die Verbindung zu externen Anbietern wie etwa beim Großdrohnenprojekt mit Volocopter. Bei Akquistitionen muss sich John Deere aus kartellrechtlichen Erwägungen auf das Schließen kleinerer Lücken beschränken, wie etwa beim Erwerb des brasilianischen Teilelieferanten für Zucker-rohrerntemaschinen Unimil.

CNH Industrial – Beständig im Wandel

Mit der Ankündigung einer veränderten Konzernstruktur mit fünf Geschäftsbereichen startete CNH Industrial in das Jahr 2019, das es mit einem Umsatzrückgang um 6 % auf 26,1 Milliarden US-$ abschloss. Dabei erreichte der Landtechnik-Umsatz allein knapp 11 Milliarden US-$.

Gleichzeitig erweiterte CNH mit der Übernahme des australischen Sämaschinen-Anbieters K-Line und des US-Raupenlaufwerk-Herstellers ATI Inc. sein Produktprogramm und forcierte außerdem das Entwicklungs- und Innovationstempo seiner angestammten Marken. Methangas-betriebene Motoren, Fiat Powertrain-Aggregate der Abgasstufe 5 sowie Investitionen bei nahezu allen Marken in die IT-Infrastruktur und das herstellerübergreifende Datenmanagement DataConnect, das Informationen von CNH-, Claas- und John Deere-Maschinen verarbeiten kann, verschlangen zwar ordentlich Ressourcen, wurden aber auch mit prestigeträchtigen Auszeichnungen gewürdigt. Dabei erhalten die CNH-Marken offenbar genügend Freiraum zu eigenen Entwicklungen wie etwa dem zukunftsweisenden Konzepttraktor mit Hybridantrieb, den Steyr auf der Agritechnica 2019 präsentierte.

Dass sich durch den Rücktritt von Hubertus Mühlhauser und die Ernennung von Suzanne Heywood als Interims-CEO ein Wechsel an der CNH Industrial Führungsspitze ergab, kam ebenso überraschend wie die massiven Folgen der Corona-Pandemie.

SDF – Zwischen Baum und Borke

Massiver Wettbewerb aus Fernost, starker Fokus auf Traktoren im mittleren und unteren Preissegment und ein Produktprogramm, das jenseits von Deutz-Fahr überschaubar bleibt – mit diesen Hypotheken belastet, musste die Same Deutz-Fahr Gruppe 2019 einen Umsatzrückgang von 7,6 % auf 1,269 Milliarden Euro hinnehmen. Hinzu kommt der Umstand, dass mehr als zwei Drittel der Umsätze auf Europa entfallen.

Während sowohl das Traktoren- als auch das Mähdreschergeschäft schwächelten, verbuchte das Unternehmen mit seinen Traubenvollerntern von Gregoire immerhin einen 30 %igen Umsatzanstieg auf rund 70 Millionen Euro. Neben rund 60 Millionen Euro für diverse Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, unter anderem zugunsten leistungsstärkerer Traktoren und die Digitalisierung in den Bereichen Guidance, Flotten- und Datenmanagement, investierte die Gruppe auch in den Ausbau ihrer Produktionsstätten. Nach dem Ende 2018 eröffneten Kundenzentrum flossen seit 2016 rund 25 Millionen Euro in die Modernisierung der Fabrik in Treviglio, weitere 10 Millionen in das türkische Werk Bandirma, das für 15.000 Maschinen pro Jahr ausgelegt ist sowie mehrere Millionen in den Ausbau des südostindischen Standortes Ranipet, wo jährlich bis zu 20.000 Traktoren gebaut werden können. 2020 dürfte angesichts der Standortverteilung auch für die Same Deutz-Fahr Gruppe ein herausfordendes Jahr werden.

Kubota – Weiterhin ambitioniert

Trotz schwieriger Rahmenbedingungen setzte Kubota seinen eingeschlagenen Wachstumskurs unbeirrt fort, wenngleich der Umsatz 2019 eher stagnierte und die anvisierten Umsatzerwartungen für 2020 vermutlich bereits obsolet sind. 82 % seines Umsatzes erzielte Kubota 2019 mit Motoren und Landtechnik-Produkten, wobei das Asiengeschäft verhalten verlief und Europa wegen des Brexits, negativer Währungseinflüsse und stringenter Abgasnormen deutlich nachgab. Allein das Nordamerika-Geschäft wuchs wegen guter Konjunktur deutlich an. Bei Traktoren über 170 PS für den nordamerikanischen Markt setzt Kubota zunächst einmal auf die Mitwirkung der in Winnipeg, Manitoba ansässigen Firma Buhler. Sie soll die neuen Kubota M8-Traktoren mit 190 bzw. 210 PS für Kunden zunächst einmal maßschneidern, bevor sich das Unternehmen dort selbst etabliert.

Auf dem afrikanischen Markt will sich Kubota vor allem um für die Weiterentwicklung des Reisanbaus engagieren. Bei Kubota setzt man auch weiterhin verstärkt auf Forschung und Technologie, sei es mit dem Aufbau von Innovationszentren in Japan und der EU oder einem F&E-Zentrum im US-Bundesstaat Georgia, mal eben eine Investition von 85 Millionen US-$. Jüngstes Ergebnis der Bemühungen ist das futuristisch anmutende Konzept des autonomen X-trators, der über künstliche Intelligenz verfügt und mit neuester Elektrifizierungstechnologie sowie mit vier Raupenlaufwerken ausgestattet ist.

Fazit

Ob Global Player, regionaler Anbieter, Aktiengesellschaft oder Familienunternehmen – die großen Hersteller der westlichen Welt sehen sich zunehmendem Druck von allen Seiten gegenüber. Im „Corona-Sprech“ sind Handelskonflikte, Protektionismus, Klimawandel und Umweltrestriktionen als massive „Vorerkrankungen“ einzustufen, ganz zu schweigen von den mittelbaren und unmittelbaren Folgen der 2020 Pandemie. Zu beneiden sind sie alle nicht. Überleben werden aber die, die kontinuierlich auf Innovation und flexible Anpassung ihrer Geschäftsmodelle und Strukturen an den ständigen Wechsel der Rahmenbedingungen setzen.

Big Six 2019: Redlich nähren sich die Eichhörnchen...

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