Jagdrennen auf schwierigem Geläuf

Die Global Player der Landtechnik sehen sich zahlreichen Herausforderungen gegenüber – Jetzt sind Flexibilität, Intelligenz und langer Atem gefragt

Big Six 2018: Jagdrennen auf schwierigem Geläuf
Big Six 2018: Jagdrennen auf schwierigem Geläuf

Als gäbe es angesichts von Wetterkapriolen, Erzeugerpreisschwankungen und immer neuer Vorgaben seitens der Gesetzgeber sonst keine Herausforderungen: Jetzt bedrohen auch noch der harte Brexit, der heraufziehende Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und China und zunehmende nationale Egoismen die Entwicklung einer Schlüsselindustrie, die ihre Kunden bei der Sicherstellung der Ernährung unterstützt. Waren weltweit vernetzte Lieferketten und Vertriebsniederlassungen bisher Garanten zur Abfederung von Konjunkturschwankungen, so könnten Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse Herstellern jedweder Größe künftig massive Probleme bereiten. Schließlich lassen sich auf der Kundenseite Landtechnik-Investitionen notfalls über längere Zeit hinweg aufschieben, Arbeiten an Dienstleister vergeben oder innovative Verfahren des „Machine-Sharing“ nutzen.

Die großen Unternehmen tun gut daran, auch weiterhin in die Flexibilisierung ihrer Fertigung zu investieren, die ihnen bei Bedarf auch die kurzfristige Verlagerung der Produktion an einen geeigneteren Standort innerhalb des Netzwerks ermöglicht. Dabei profitieren die Großen vor allem von Ressourcen, die ihnen für die Digitalisierung von Fabriken, Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Nicht umsonst vermelden AGCO, Claas und John Deere regelmäßig nachhaltige Steigerungen ihrer Etats für Forschung und Entwicklung oder die Errichtung von Laboren und Testzentren. Ob man sich nun dafür entscheidet, alle Leistungs- und Komfortsegmente über mehrere Marken abzudecken oder sie, wie Fendt das gerade praktiziert, schrittweise unter einem einzigen Warenzeichen zu vereinigen, bleibt auch weiterhin eine eher philosophische Frage – solange das im Produkt steckt, was der Kunde vom Namen darauf erwartet.

AGCO – Parforce-Ritt auf dem Weg zum Longliner

Mit seinem um 12,5 % auf über 9,3 Milliarden US$ gestiegenen Umsatz hat AGCO 2018 den Kurs des Wachstums und der Diversifizierung konsequent fortgesetzt. Während AGCO sein Geschäft zu über 57 % in der Region EMEA bestreitet, ein Viertel seines Umsatzes in Nordamerika tätigt und sich der Rest zu etwa gleichen Teilen in Asien, dem pazifischen Raum und in Südamerika aufteilt, behält das Unternehmen neue Absatzgebiete ebenso wie seine klassischen Märkte fest im Blick. Ob es sich um eine neue Fertigungsanlage in Mexiko handelt, ein Traktoren Joint Venture in Algerien, eine neue Niederlassung in Südafrika, ein Trainingszentrum in Sambia oder die Errichtung von ‚AgriParks‘ zur Demonstration landwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten – für AGCO bleibt Afrika ein bedeutender Zukunftsmarkt.

Parallel dazu setzt das Unternehmen vor allem auf die Konsolidierung seines Grünlandtechnikangebotes, d.h. auf Ladewagen, Mähwerke, Pressen und Häcksler. Traditionsreiche Namen wie Lely verschwinden damit zwar vom Markt, die Arbeitsplätze dürften aber weitgehend erhalten bleiben. Nachhaltig erfolgreich in die Phalanx der Mähdrescher- und Feldhäcksler-Hersteller einzubrechen, bleibt für die Premiummarke Fendt aber weiterhin eine erhebliche Herausforderung. Auch bei der Digitalisierung seiner Produkte und Systeme machte AGCO 2018 weitere Fortschritte, sei es durch die Entwicklungspartnerschaft mit AgIntegrated (AGI) für drahtlose Precision-Farming Interface-Verbindungen oder durch neue Apps wie Fendt Connect oder Fendt Logistics.

CNH Industrial – neu aufgezäumt

Der tragische Verlust von Fiat-CED Sergio Marchionne erzwang ein massives personelles Revirement beim weltweit breit aufgestellten Unternehmen CNH Industrial, das etwa 40 % seines Umsatzes mit Landtechnikprodukten erzielt. Trotz der schwierigen Lage konnte CNH das 100. Jubiläumsjahr des ersten Fiat-Traktors 702 wirtschaftlich erfolgreich abschließen und seinen Gewinn bei moderatem Umsatzzuwachs gegenüber dem Vorjahr erheblich steigern. CNH kommt dabei die große Bandbreite seines Angebotes zugute und eine breite Präsenz in Schwellenländern und Märkten mit Spezialkulturen.

Trotz begrenzter Aufwendungen von 3,9 % der Maschinenumsätze für Forschung und Entwicklung macht das seit August 2018 von Hubertus M. Mühlhauser geführte Unternehmen immer wieder mit innovativen Konzepten auf sich aufmerksam, so etwa mit einem Methan-betriebenen 6-Zylindertraktor, dessen Motor 30 % geringere Betriebskosten realisieren soll, bei 50 % geringerer Lärmemission und 10 % weniger Kohlendioxidauststoß gegenüber einem üblichen Dieselmotor. Und unlängst kündigte CNH an, Kunststoff-Ersatzteile künftig „additiv und on-demand“, also bei Bedarf per 3D-Druck, herstellen zu wollen, was langfristig Lagerkapazitäten bei Hersteller und Vertriebspartnern einsparen helfen könnte.

Seine Aftermarket-Aktivitäten auf dem Sektor der Präzisionslandwirtschaft hat CNH Industrial Ende 2018 unter dem Dach einer neuen Marke Agxtend zusammengefasst, um auch hier mit den anderen Playern im Markt am Ball und flexibel bleiben zu können.

Big Six 2018: Jagdrennen auf schwierigem Geläuf

John Deere – vielseitig im Gelände

Mit einem eher untypischen Umsatzzuwachs von 25,5 % auf 37,4 Milliarden US$ setzte John Deere 2018 abseits des üblichen Terrains zu einem Steilsprung an. Die Übernahme der Wirtgen-Gruppe ergänzt das Baumaschinenangebot des Konzerns um die komplette Wertschöpfungskette des Straßenbaus, ohne, dass Teile des Portfolios hätten veräußert werden müssen.

Diese Aquisition schlug sich mit 12 % Zuwachs im weltweiten Umsatz und einer 34 %igen Umsatzsteigerung im außeramerikanischen Bereich erstmals 2018 deutlich im Zahlenwerk nieder. Sie eröffnet dem Unternehmen weltweit neue Möglichkeiten: eine bessere Abfederung des zyklisch verlaufenden Landtechnikgeschäftes, die Ausweitung seines bisher vorwiegend nordamerikanisch orientierten Baumaschinengeschäftes und den Wiedereinstieg in den europäischen Markt mit ausgewählten Produkten.

Schon aus kartellrechtlichen Gründen sind Übernahme-Coups dieser Größenordnung in der Landmaschinenbranche kaum denkbar. Deshalb beschränkte sich die John Deere Landtechniksparte im 100. Jahr nach dem Einstieg in das Traktorengeschäft auf eher kleinere Projekte, wie etwa die Übernahme des Karbonfaser-Spezialisten King Agro oder des südamerikanischen Anbieters von Feldspritzen und Sämaschinen PLA. Ansonsten war bei John Deere 2018 vor allem die Erledigung von Hausaufgaben angesagt, so etwa die Neuausrichtung von Marketingaktivitäten in Europa, die Vorstellung neuer Feldhäcksler aus Zweibrücken und die Präsentation von John Deere-Motoren der Abgasstufe 5. Nichtsdestotrotz arbeiten die Entwicklungsingenieure weiter an alternativen Antriebskonzepten wie etwa der Elektrifizierung von Traktoren und Anbaugeräten.

Weltweit breit aufgestellt zu sein erweist sich für John Deere in Zeiten von Brexit, US-chinesischem Handelsstreit und um sich greifender „Sanktionitis“ eher als Herausforderung denn als Segen.

Claas – abwurffrei über den Parcours

Eher unspektakulär verlief das Geschäft des traditionsreichen Familienunternehmens, das bis zum September 2018 seinen Vorjahresumsatz nur um 3,4 % auf 3,889 Milliarden Euro steigern konnte. Wegen der Wechselkurse betrug das Wachstum in US$ 8 %. Mit einem Umsatzanteil von rund 17 % ist das außereuropäische Geschäft nach wie vor überschaubar, dafür bergen aber die innereuropäischen Turbulenzen nicht unerhebliche Risiken. Während die meisten Mitbewerber den Löwenanteil ihrer Umsätze und damit auch ihrer Gewinne mit Traktoren bestreiten, liegt der Umsatzschwerpunkt bei dem Harsewinkeler Unternehmen nach wie vor auf dem weit gefächerten Erntemaschinengeschäft, angesichts der Sortimentsbreite eine Hypothek. Seit 2003 hat Claas im Schnitt 10.000 Traktoren pro Jahr in Le Mans gebaut, angesichts massiven Wettbewerbs seitens etablierter Premiumanbieter kamen viele davon aber aus dem weniger margenträchtigen Leistungssegment. Ob die Erweiterung der Arbeitsmaschinenflotte um Rad- und Teleskoplader aus der Zusammenarbeit mit Liebherr wirtschaftlich erfolgreich sein kann, muss sich erst zeigen.

Im Vordergrund der Claas-Investitionen standen zuletzt die Modernisierung des französischen Traktorenwerks Le Mans, ein neues Test- und Versuchszentrum in Harsewinkel sowie ein Hochregallager in Hamm, wo Claas zusammen mit dem Partner Stute sein Logistikzentrum betreibt – nicht zu vergessen das Claas Elektronikzentrum in Dissen. Als sichtbare Ergebnisse der neuen Hard- und Softwareschmiede präsentierte Claas eine Reihe innovativer Lösungen für die Maschinen-Digitalisierung sowie 365FarmNet- und Serviceangebote. Erkennbar wird der Technologieschub auch anhand der Investitionen für Forschung und Entwicklung, die mit 233 Millionen Euro bzw. 6 % vom Umsatz ein Rekordniveau erreichten.

Kubota – in verhaltenem Galopp

Nach den raumgreifenden Wachstumsschritten der letzten Jahre auf etlichen europäischen Märkten und in Übersee musste sich Kubota 2018 weltweit mit geringerem Umsatzwachstum von 5,7 % und 5,3 % geringerem Gewinn begnügen. Dabei schnitt Kubota in Europa mit 13,1 % Umsatzanstieg ganz passabel ab. Hatten die orangefarbenen Traktoren den traditionellen Marken in den Vorjahren einige Marktanteile abgerungen, so mussten sie vor allem in den Volumenmärkten Deutschland und Frankreich, aber auch in Spanien und Portugal deutlich Federn lassen, in der Spitze bis zu 51 %.

Das alles dürfte das japanische Unternehmen mit klarer Wachstumsstrategie von seinem langfristigen weltweiten Expansionskurs kaum abbringen. Hier eine neue Traktoren- und Mähdrescherfabrik in China, dort ein Joint Venture mit Escorts zum Bau von jährlich bis zu 50.000 Traktoren in Indien und ein Arrangement mit dem kanadischen Hersteller Buhler zur Versorgung des nordamerikanischen Marktes mit Traktoren über 170 PS. Mit der Übernahme von Kverneland im Jahr 2012 und des US-amerikanischen Bodenbearbeitungsgeräte-Herstellers Great Plains 2016 hat Kubota signalisiert, dass es eine Verbreiterung seines Angebotes verfolgt. Gegen die breit aufgestellte Front der Longliner und traditionsreichen Erntemaschinen-Spezialisten dürfte das allerdings schwer werden... bis sich ein passender Partner findet. Die von Kubota jährlich verkauften 30.000 Mähdrescher und 20.000 Reispflanzgeräte decken derzeit allenfalls den Bedarf vorwiegend asiatischer Kunden.

Same Deutz-Fahr Group: Frisch gestriegelt

Als Kleinster unter den Großen kämpft die Same-Deutz-Gruppe, die über 70 % ihrer Umsätze in der EU erzielt, gleichzeitig an mehreren Fronten. Während die global agierenden Longliner mit hohen Entwicklungsetats und Produktionsvolumina ihre Vorteile ausspielen, drängen preiskampfbereite asiatische Anbieter auf die angestammten Märkte des Herstellers, der mit seinen vier Marken 2018 knapp 35.000 Traktoren baute. Das Gros der vier Produktreihen bildet nach wie vor das eher margenschwache Leistungssegment von 70 bis140 PS. Großtraktoren von Deutz-Fahr und Lamborghini können das nicht allein kompensieren. Um deren Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, hat die Gruppe im letzten Jahr 10 Millionen Euro in ihre Produktionsanlagen in Treviglio investiert sowie in ein neues Kundenzentrum mit firmeneigenem Museum und Archiv.

Trotz deutlich rückläufiger Verkaufszahlen vor allem in angestammten Märkten wie Italien, Deutschland, Frankreich und Polen konnte die Same Deutz-Fahr-Gruppe ihren Umsatz moderat steigern und ihren Jahresüberschuss von 26 Millionen Euro im Vorjahr auf 42 Millionen Euro erhöhen. Erst kürzlich nahm SDF in der Türkei eine neue 10 Millionen Euro teure Traktorenfertigung mit einer Produktionskapazität von 15.000 Einheiten pro Jahr in Betrieb, in einem schwierigen Marktumfeld, das seit geraumer Zeit unter massiver Konjunkturschwäche leidet. Freude bereitet den Anteilseignern hingegen der 2011 übernommene Spritzen- und Traubenvollernter-Spezialist Gregoire, dessen neue Proukte dem ansonsten etwas lahmenden Erntemaschinen-Geschäft auf die Sprünge helfen.

Fazit

Egal, ob sie rund um den Erdball breit aufgestellt sind oder nur mit Schwerpunkt auf einzelnen Kontinenten. Die Unternehmen der Landtechnikbranche sehen sich zahlreichen Herausforderungen gegenüber. Da sind jene im Vorteil, die Ressourcen für die Digitalisierung ihrer Fabriken, Produkte und Dienstleistungen freimachen können und sich bereits heute auf den wachsenden Druck seitens der Klima- und Umweltschützer einstellen – mittels innovativer Hard- und Softwarelösungen sowie verständlicher Kommunikation, die den Zusatznutzen digitaler Lösungen klar herausstellt.

 


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