Joystick-Lenkung: der Knüppel der Selbstfahrer

Der Joystick ist keine neue Erfindung, er erschließt sich aber nach und nach immer mehr Maschinenklassen. Dadurch verbessert sich die Ergonomie während langer Arbeitstage, zudem stört keine Lenksäule im Blickfeld.

Bedienung: Joystick-Lenkung: der Knüppel der Selbstfahrer

Die Kabine des Fendt Mähdreschers Ideal kommt ohne konventionelles Lenkrad aus. Gelenkt wird via Joystick.

Das Lenkrad war für fast alle Selbstfahrer über Dekaden das zentrale Steuerelement. Den Joystick gibt es aber beinahe schon genauso lang, erfunden wurde der Steuerknüppel etwa 1900 für die ersten Flugzeuge, im Zweiten Weltkrieg kam bereits eine elektrische Version zum Einsatz. Trotz der bereits sehr langen Verfügbarkeit kann man bis heute nicht von einem lawinenartigen Siegeszug des Joysticks sprechen, denn flächendeckend wird nach wie vor per Lenkrad gesteuert. Immer mehr Branchen kommen aber auf den Geschmack, in Baumaschinen etwa sind die Fahrer durch hebelgesteuerte Kettenfahrzeuge schon daran gewöhnt, dass manche Maschinen ohne Lenkrad bedient werden.

Dennoch wurde die Joystick-Lenkung für Radlader bei Caterpillar Mitte der 1990er Jahren erst einmal skeptisch beäugt – heute ist sie bei vielen der gelben Maschinen bereits Standard: „Fahrer, die ein Lenkrad gewohnt sind, haben oftmals Vorbehalte, doch in der Regel sind diese vom Tisch, sobald sie die Joystick-Steuerung ausprobieren konnten“, erklärt Uwe Fuhrmann, leitender Verkaufsrepräsentant bei Cat-Händler Zeppelin. Seit 2011 bietet das elektrohydraulische Lenksystem von Caterpillar eine geschwindigkeitsabhängige Rückmeldung, was auch beim vollem Tempo geradeaus ein sicheres und präzises Lenkgefühl vermitteln soll, sodass die Geräte auch StVZO-fähig sind. Wer ein Lenkrad will, muss das hier inzwischen optional ordern. Auch Konkurrent Liebherr hat den Trend aufgegriffen und bietet eine Joystick-Lenkung für die hauseigenen Radlader an. Beim Partner Claas, mit dem zusammen man dessen saatengrüne Torion-Modelle entwickelt hat, ist derzeit aber noch keine solche Technik zu haben. Agrar-Radlader laufen – im Gegensatz zu Steinbruch und Co. – aber auch nur selten über lange Zeit im Dauerbetrieb. Denn nur in solchen Szenarien spielt die Joystick-Lenkung ihre Vorteile voll aus, da sie wesentlich ergonomischer bedienbar ist. Daher kommt sie in der Landtechnik nun immer öfter auf Erntemaschinen zum Einsatz.

Vorreiter Holmer und Ropa

Einen ersten Vorgeschmack gaben die Rübenroder von Holmer und Ropa: Schon seit vielen Jahren kann hier im Feldbetrieb die Hinterachse über Joystick und einen Drehschalter gesteuert werden.

Auf der Straße wird aber trotzdem ein Lenkrad genutzt. Während der Erntezeit sind jedoch auch zwei weitere Maschinengruppen häufig für lange Schichten auf dem Acker: Mähdrescher und Feldhäcksler. Zur Agritechnica 2019 haben daher sowohl Fendt für seine Ideal-Serie als auch Krone für die BigX eine Joystick-Lenkung vorgestellt. Bei den Häckslern sieht der Hersteller aus Spelle den größten Vorteil darin, dass im Vergleich zur Steuerung mit dem herkömmlichen Lenkrad ein kraft- sparendes und so auch ermüdungsfreieres Arbeiten möglich sei. Für den Ein- und Ausstieg kann die linke Armlehne aus der Bedienposition nach hinten geklappt werden. Bedient wird der Joystick über kurze Bewegungen aus der linken Hand, dabei liegt der Unterarm entspannt auf der Armlehne. So können anstrengende Lenkbewegungen reduziert werden, zudem ist die gesamte Sitzposition des Fahrers entspannter als hinter einem Lenkrad. So werde der Häckslerfahrer an langen Arbeitstagen entlastet und kann sich auf die Erntequalität konzentrieren. Dennoch bleibt das Lenkrad samt seiner Säule im Blickfeld des Arbeitsbereichs fester Bestandteil der Kabine, wahlweise kann der Häcksler daher – etwa auf der Straße – weiterhin wie gewohnt gesteuert werden.

Bedienung: Joystick-Lenkung: der Knüppel der Selbstfahrer

Etwas „radlos“: Lediglich die Hinterachse hat hier noch Räder, vorne befinden sich Laufbänder, in der Kabine ist ein Joystick eingebaut.

Fendt führt aktuell ein ähnliches System ein: Mit IdealDrive steuert der Fahrer den Mähdrescher mit einem ebenfalls neuen Joystick auf der linken Seite des Fahrersitzes, wobei die Funktionen auf dem Joystick der rechten Armlehne unverändert bleiben.

Freie Sicht auf Erntevorsatz

Für den Zugang zum Fahrerplatz kann die linke Armlehne hier ebenfalls hochgeklappt werden. Die Marktoberdorfer gehen aber noch einen Schritt weiter und entfernen in der Ausführung mit Joysticklenkung – optional verfügbar für alle Raupenmaschinen der Ideal-Serie 7 bis 10 T – die Lenksäule komplett. Ein großer Schritt, der aber die Ergonomie verbessert und für einen freien Blick auf den Erntevorsatz sorgt.

Bedienung: Joystick-Lenkung: der Knüppel der Selbstfahrer

Bei Krone erleichtert der Joystick die Steuerung auf dem Feld. Für die Straße bleibt das Lenkrad aber weiterhin fester Bestandteil der Kabine.

Bedienung: Joystick-Lenkung: der Knüppel der Selbstfahrer

Wurde 2019 vorgestellt: der Joystick zur Lenkung im Ideal.

Auf den ersten Blick ist das natürlich nur ein elektronisch angesteuertes Proportionalventil für die Hydraulik. Um damit aber auch eine Straßenzulassung zu bekommen, musste viel Technik im Hintergrund verbaut werden. Denn der Gesetzgeber verlangte hier ein redundantes System, sprich: Fällt ein Bauteil aus, muss ein Reserveteil sofort dessen Job übernehmen. „Die Abstimmung innerhalb solcher Systeme zwischen Elektronik und Hydraulik ist an Komplexität nicht zu unterschätzen“, sagt Fendt-Manager Konstantin Stahl. „Die so realisierte Notlenkung ermöglicht uns, dass der Gesetzgeber nichts gegen offizielle Straßenfahrten einzuwenden hat.“ Das im Mähdrescher-Segment bisher einzigartige System erfülle alle europäischen Regularien für Fahrzeuge und alle Richtlinien der Straßenverkehrsordnung. Ein Bremspedal ist natürlich auch weiterhin vorhanden, denn der Joystick würde lediglich über das Getriebe verzögern.

Bequemer Drusch

Auch Fendt sieht den Hauptvorteil der Joystick-Lenkung im erhöhten Komfort für den Fahrer. Die Sitzposition ist während des kompletten Arbeitstages entspannt angelehnt, während man mit dem Lenkrad doch häufig nach vorne geneigt sitzt. Einerseits resultiert die bisherige ungünstige Haltung direkt aus der Kurbelbewegung am Lenkrad, teilweise auch einfach nur, weil man darüber hinwegblicken muss. „Außerdem haben wir gemessen, dass auch die körperliche Aktivität an sich um 60 Prozent reduziert wurde. Denn die Lenkbewegungen – etwa am Vorgewende – fallen nun ja komplett weg“, so Stahl. Da Mähdrescherfahren auf modernen Maschinen heute aber schon kein echter Knochenjob mehr war, sieht Fendt die reduzierte körperliche Anstrengung durch weniger Lenkrad-Kurbeln nicht als herausragendes Merkmal an, sondern als kleinen Teil eines insgesamt wesentlich komfortableren Steuerungskonzeptes.

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In der Baumaschinenwelt sind Joysticks bei Radladern schon sehr lange zu haben. Hier der Arbeitsplatz des Cat Baggers 340 UHD.

Neben dem Komfort ist das System zudem effizienter, man wirbt mit einer Verbesserung von 6 Prozent: „Das bedeutet, dass der Fahrer die Lenkbewegung schneller ausführen kann, von komplett nach links bis komplett nach rechts eingeschlagen – der typische Vorgewendefall – ist mit dem Joystick schneller möglich“, erklärt Stahl. Dadurch wird der Wenderadius kleiner und es kann schneller „Spur-an-Spur“ weitergearbeitet werden.

GPS und Joystick ergänzen sich

In dieser Maschinenklasse sind auf dem Acker zudem GPS-Lenksysteme Stand der Technik, Fendt hat bei den Großdreschern eine Ausstattungsquote von 100 Prozent. Daher steht die Lenksäule die meiste Zeit nutzlos im Blickfeld. Ohne eben diese herrscht dagegen freie Sicht sowohl auf den Vorerntebereich, das Schneidwerk selbst sowie auf Schrägförderer und Einzug. So können nicht nur Gefahren und Hindernisse besser erkannt werden, sondern auch die Ernteleistung kann steigen, da die entsprechenden Komponenten besser überblickbar sind. Maschinen mit GPS-Lenksystem profitieren daher ebenfalls vom neuen Lenkkonzept.

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Bei der 2019 vorgestellten Joystick-Lenkung für Liebherr-Radlader entspricht die Position des Joysticks stets dem jeweiligen Knickwinkel des Radladers.

„Während einiger Feldveranstaltungen mit verschiedenen Kunden zeigte sich Anfangs vorsichtige Zurückhaltung. Saß der Fahrer aber dann auf der Maschine, gewöhnte er sich in kurzer Zeit an das Konzept ohne Lenkrad und es gab sofort durch die Bank positives Feedback, vor allem bezüglich der guten Sicht und des Fahrkomforts“, versichert Stahl.

Künftig wird natürlich weiter geforscht, wo die Joystick-Lenkung noch sinnvoll sein könnte. Nach Einschätzung der Experten seien das vor allem Maschinen, die einerseits mit Werkzeugen an der Front arbeiten – Radlader, Mähdrescher, Feldhäcksler – und einen großen Teil ihrer Arbeit im Feld verrichten. Kommen Aufgaben wie Transport dazu – also klassische Schlepper – wäre ein Lenkrad weiterhin vorteilhaft. Komplett ausschließen möchte man aber schon heute nichts.


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