Agrarroboter hackt zwischen den Salatreihen

Bisher waren Agrarroboter oft nur aus Forschungsprojekten bekannt. Die BayWa hat nun den Vertrieb der Marke Naio übernommen und ein erstes Gerät im Einsatz vorgestellt

BayWa: Agrarroboter hackt zwischen den Salatreihen

Die Reihen findet der Roboter via RTK, einzelne Pflanzen erkennt eine Kamera.

BayWa: Agrarroboter hackt zwischen den Salatreihen

Als Werkzeuge kommen Gänsefußschare für die grobe Vorarbeit sowie Fingerräder zur Feinarbeit nahe an den Pflanzen zum Einsatz. Eine ab Herbst verfügbare aktive Hacke soll künftig auch innerhalb der Reihe zwischen den Pflanzen jäten können.

Agrarroboter sind aktuell vor allem von Forschungs- und Innovationsplattformen bekannt, im wirklichen Praxisalltag sieht man sie hierzulande noch sehr selten. Viele der etablierten Hersteller setzen zudem nicht auf völlig neue Robotik-Konzepte, sondern versuchen eher, den altbekannten Traktor künftig ganz ohne Fahrer losschicken zu können. Der Fokus liegt dabei vor allem auf dem klassischen Ackerbau. Da hier mit GPS-Lenksystem, Vorgewendemanagement und klimatisierter Kabine aber bereits ein recht komfortabler, hochautomatisierter und präzise funktionierender Arbeitsplatz existiert, ist der Ruf nach noch mehr Automatisierung von konventionellen Ackerbauern kaum zu hören. Daher fokussieren sich Robotik-Startups auch eher auf die handarbeitsintensiven Sonderkulturen, denn hier sind Arbeitskräftemangel und steigende Kosten wachsende Herausforderungen. Zudem ist auch dort der chemische Pflanzenschutz ein Punkt, der immer stärker diskutiert wird. Als weiteren Aspekt wird die höhere Wertschöpfung pro Hektar angeführt, hochpreisige Hightech-Lösungen würden hier schneller angenommen als im Ackerbau.

Im Jahr 2020 startete die BayWa daher den Vertrieb der Hackroboter „Dino“ und „Oz“ des Herstellers Naio Technologies, dabei hat man für die Roboter die Alleinvertriebsrechte für die Regionen Süddeutschland, Sachsen und südliches Brandenburg, entsprechend den angestammten BayWa-Vertriebsgebieten. In anderen Teilen der Welt verrichten bereits einige der französischen Roboter ihren Dienst im Feldalltag. Der „Dino“ ist inzwischen durch die BayWa aber nun auch in Deutschland praxisnah im Einsatz, wenn auch noch immer in einer Versuchsanwendung: Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) mit Sitz in Veitshöchheim setzt den Roboter seit dieser Saison im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit zur Beikrautregulierung im Salat ein. Der Leiter des Instituts für Erwerbs- und Freizeitgartenbau der LWG, Gerd Sander, nannte als Beweggründe und Ziele für die Anschaffung, dass es eine wesentliche Aufgabe der LWG sei, die technischen Möglichkeiten der Automatisierung im Gartenbau zu prüfen: „Die Einsatzmöglichkeiten wie auch -grenzen des Hackroboters sollen ausgiebig erprobt werden, um einerseits den Landwirten und Gärtnern neutrale Empfehlungen geben zu können, und zu prüfen, inwieweit ein Einsatz auch in anderen Kulturen möglich ist“, so Sander. Neben der reinen Praktikabilität wird auch die Wirtschaftlichkeit untersucht, wofür man bereits gute Vergleichswerte parat hat: Im Vorgängerprojekt wurde Hacktechnik samt automatischer Lenksysteme am Traktor untersucht. Schon diese Technik brachte gute Ergebnisse und konnte die Zahl der zusätzlichen Handjätstunden stark reduzieren.

BayWa: Agrarroboter hackt zwischen den Salatreihen

Jörg Migende (li.) leitet als Chief Development Officer das Zukunftsgeschäft der BayWa bei Agrar und Technik. Tobias Rapp ist als Produktmanager Zukunftstechnologien ebenfalls mit für die Robotik zuständig.

Die Erkenntnisse der aktuellen Forschung sollen dann auch in die weitere Optimierung der Agrarrobotertechnik einfließen, um diese auf die besonderen Bedürfnisse des Sonderkulturanbaus anzupassen. Dabei soll neben der reinen mechanischen Beikrautregulierung später auch das Säen oder die punktuelle Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln möglich sein, der Hersteller Naio arbeite an entsprechenden Systemen. Aktuell soll der Roboter aber die schwere, häufig noch händisch ausgeführte Hackarbeit im professionellen Gemüsebau übernehmen. Denn auch wenn diese nicht selten von osteuropäischen Saisonkräften erledigt wird, bleibt das Argument: Schwere körperliche Arbeit sollte, soweit es möglich ist, an Maschinen delegiert werden, um den Menschen zu entlasten – egal welcher Herkunft er ist. Auch die BayWa sieht es als von der Gesellschaft gefordert, den Einsatz chemischer Mittel zu reduzieren und weniger Aushilfskräfte für schwere Arbeit einsetzen zu müssen. Im Melkstand etwa sei es bereits völlig normal, im Fall einer anstehenden Modernisierung über einen Roboter zu sprechen.

BayWa: Agrarroboter hackt zwischen den Salatreihen

Zum Wenden kann der Dino alle vier Räder drehen und so auf der Stelle rotieren. Das funktioniert jedoch nicht in der Reihe, ein Stück freies Gelände neben dem Beet ist notwendig.

Ähnlich sei es im Bereich Unkraut im Gemüsebau. Der Hersteller Naio selbst hat bereits eine Studie in Auftrag gegeben, die das Thema genauer beleuchten soll, als Denkanstoß verweist man jedoch gerne auf die generelle Entwicklung von Werkzeugen, wozu man auch den Agrarroboter zählt: Früher habe es Wasserträger gegeben, ein echter Knochenjob, der durch flächendeckende Wasserleitungen hinfällig wurde. Die Technologie hat hier schon immer zu einer Verlagerung von Arbeit geführt, in den Siebzigern etwa sollen einfache programmierbare Taschenrechner ganze Abteilungen handschriftlich arbeitender Buchhalter überflüssig gemacht haben. Dass die oben genannten Saisonarbeiter aus Osteuropa auf diese Art Jobs angewiesen sind, ist die Kehrseite der Medaille und bedarf einer größeren Diskussion über Globalisierung, die hier jedoch zu weit führen würde. Wir fokussieren daher auf den technischen Aspekt.

Den Einstieg ins Segment der Agrarroboter sieht die BayWa aktuell noch nicht als Geschäftszweig, in dem man sofort mit explosionsartigen Gewinnen und riesigem Wachstum rechnet: „Der Anspruch, unseren Kunden frühzeitig Teilhabe an Innovationen zu ermöglichen, steckt seit 1923 in unserer DNA“, sagt Jörg Migende, der als Chief Development Officer das Zukunftsgeschäft der BayWa bei Agrar und Technik leitet. Anwendungen, die eine nachhaltige ressourcen- und bodenschonende Flächenbewirtschaftung ermöglichen und zur Arbeitserleichterung für den Landwirt und Gemüsebauern beitragen, gewinnen seiner Ansicht nach mehr und mehr an Bedeutung. „In diesem Bereich sind Pioniere gefragt, die bereit sind zu investieren“, ergänzt Tobias Rapp, Produktmanager Zukunftstechnologien bei der BayWa. Ein ähnliches Projekt hat man bereits mit Drohnen realisiert, die gezielt Schlupfwespen gegen den Maiszünsler ausbringen. Gestartet ist man dabei vor einigen Jahren mit fünf Hektar, diesen Sommer beflogen die Dienstleister der BayWa schon 5000 ha allein in Bayern und Baden-Württemberg. Einen ähnlichen Verlauf könnte man sich auch für Hackroboter vorstellen: früh einsteigen, durch Feedback aktiv an der Entwicklung mitarbeiten und schlussendlich bei steigender Nachfrage bereits als kompetenter, erfahrener Ansprechpartner für potentielle Kunden parat stehen.

Die LWG setzt den Dino seit August 2020 auf Versuchsparzellen im Salat ein. „In unserem Forschungsprojekt zur herbizidfreien Beikrautregulierung stellen wir unter Praxisbedingungen verschiedene Alternativen zum herkömmlichen Herbizideinsatz auf den Prüfstand. Dabei kommt mit der Robotik auch modernste Technik zum Einsatz“, so LWG-Versuchsingenieurin Anna Maria Molitor. Im August war der Roboter bereits in verschiedenen Salatsorten und in Buschbohnen im Einsatz. Die ersten Ergebnisse seien vielversprechend, allerdings sei die Kameraerkennung etwa im rotblättrigen Salat etwas schlechter als im grünen, hohes Beikraut sei ebenfalls schwerer erkennbar. In diesen Fällen funktioniere nach Molitors Erkenntnissen aber auch die reine GPS-Steuerung ohne Kamera bereits gut.

BayWa: Agrarroboter hackt zwischen den Salatreihen

Sensoren sorgen für Sicherheit und stoppen den Roboter, sobald sich Personen, Tiere oder Hindernisse nähern.

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Die Antenne kann abgenommen und auch auf Sä- oder Setzmaschinen verwendet werden.

Durch den Einsatz der RTK-Steuerung ist ein Hacken auf etwa zwei Zentimenter zwischen den Reihen möglich, die Verfügbarkeit des Signals am Einsatzort muss dabei sichergestellt sein – ohne geht es nicht! Voraussetzung für die präzise Beikrautbekämpfung ist, dass schon während der Pflanzung die einzelnen Spurlinien exakt aufgezeichnet werden. Dafür kann die Antenne des Dinos magnetisch auf der Sämaschine oder dem Setzgerät angebracht werden, sie übernimmt dann zusammen mit einem Smartphone oder Tablet die Aufzeichnung der Positionen der Gemüsepflanzen, da die reine GPS-Spur des Traktors zu ungenau wäre. Die Daten müssen dann allerdings einmalig durch den Hersteller Naio aufbereitet werden, die Baywa fungiert hier als Schnittstelle. Anschließend werden die Daten per USB-Stick auf den Hack-Roboter aufgespielt. Der Zwischenschritt ist Teil des regulär zum Roboter gehörenden Servicepaketes. Das Thema Datenschutz habe man dabei auf dem Schirm: „Wir kennen unsere Kunden auch heute schon sehr genau, einfach weil wir schon sehr lange mit ihnen zusammenarbeiten. Daher bieten uns diese rein technischen Daten keine tieferen Einblicke und wir profitieren auch nicht davon. Grundsätzlich muss sich jeder Landwirt mit dem Thema Daten auseinandersetzen und lernen, wie man sauber und sicher damit umgeht. Denn nur ein Stück Eisen auf dem Acker wird künftig nicht mehr reichen“, versichert Jörg Migende. Zusätzlich kann der Dino mit einer Kamera ausgestattet werden, die kleinere Abweichungen zur Reihe erkennt und mit einem Verschieberahmen korrigiert. Er verfügt über Spurbreiten von 1,60 bis 2 m und schafft pro Tag etwa fünf Hektar in Salat, Lauch oder Zwiebeln. „Bisher kann der Hackroboter zwischen den Reihen hacken“, erläutert Tobias Rapp. „Ein Hackwerkzeug, das nicht nur zwischen den Salatreihen, sondern innerhalb der Reihe zwischen den einzelnen Salatpflanzen hackt, wird in Kürze verfügbar sein.“ Das System soll mittels einer Kamera die Umrisse der Salatpflanze erkennen und ein Werkzeug aktivieren, das sich in den Zwischenräumen der Salatpflanze hin- und her bewegt.

BayWa: Agrarroboter hackt zwischen den Salatreihen

Im grünblättrigen Salat sind die Arbeitsergebnisse bereits gut.

Bei autonomen Maschinen spielt der Sicherheitsaspekt eine entscheidende Rolle. Deshalb ist der Dino mit verschiedenen Sicherheitssystemen ausgestattet: An den Ecken sind Lidar-Sensoren angebracht, die mit Laserstrahlen das Umfeld des Roboters erfassen. Nähern sich Personen oder Hindernisse, kommt der Roboter zum Stillstand. Vor jedem Rad sind drucksensitive Taster angebaut, die bei einer Berührung das Gerät ebenfalls sofort stoppen lassen. Wenn kein GPS empfangen wird, kommt der Roboter ebenfalls zum Stillstand und setzt seine Fahrt erst fort, wenn er wieder ein zuverlässiges Signal aufnimmt. Ein aktuelles Handicap sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, denn offiziell gelten die Roboter als autonome Fahrzeuge, die in Deutschland auf öffentlichen Straßen noch nicht zugelassen sind. Wer also nicht über arrondierte Felder verfügt, benötigt entweder einen Zaun oder einen Mitarbeiter zur Aufsicht während des Einsatzes. Gemüsebauern pflanzen zudem gerne bis zum Feldrand und nutzen den vorbeiführenden Weg als Vorgewende für den Hacktraktor. Der Roboter darf jedoch auch nicht alleine auf einem Stück Feldweg wenden, rechtlich wird das mit einem fahrerlosen Auto auf der Straße gleichgesetzt. Daher darf der Dino auch nicht autonom von seinem Ladeplatz in der Scheune zum Gemüsefeld fahren, um dort zu jäten, sondern muss mit einem Anhänger dorthin transportiert werden. Die Agrarrobotik-Hersteller arbeiten jedoch mit Hochdruck daran, hier EU-weit einheitliche und praktikable Richtlinien zu schaffen. Denn die derzeitigen Beschränkungen basieren nicht auf zu restriktiven Gesetzen, sondern schlicht auf dem Fehlen passender Regulation. Im Fall des Falles müssten dann die bestmöglich passenden Gesetze angewendet werden, was derzeit eben die des Straßenverkehrs sind.

Im weiteren Projektverlauf bei der LWG sollen auch andere Kulturen gehackt werden, mit der Zielsetzung, die Effizienz wie Arbeitszeiten, Arbeitsgenauigkeit und nötige Nacharbeiten sowie eventuelle Anpassungen in der Kulturführung aufzuzeigen. Außerdem hat der Hersteller den Blick auch schon auf die klassischen Felder geworfen, da sich etwa die Zuckerrübe nicht sehr vom Gemüseanbau unterscheidet. Auch junger Mais wäre nach Ansicht der BayWa-Experten ein mögliches Einsatzgebiet. Größere Pflanzen und Getreide allerdings sind für den Roboter noch nicht zu bewerkstelligen. Die LWG arbeitet jedoch auch eng mit der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zusammen, die zwei weitere autonome Geräte in Feldkulturen testet. Herausforderung seien dabei auch die wesentlich größeren Unebenheiten, hier unterscheiden sich die sehr fein angelegten Gemüsebeete eben vom klassischen Ackerbau.


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