„Bauen mit Stroh kommt allmählich aus seiner Nische“

Benedikt Kaesberg ist geschäftsführender Gesellschafter der BauStroh GmbH, die als Baustoffhersteller ihren Sitz in Verden an der Aller in Niedersachsen hat. Der gelernte Zimmerer hat 2004 sein erstes Strohballenhaus gebaut, seitdem seinen Meister gemacht und kontinuierlich sein Know-how in diesem Bereich erweitert. Bei mehreren größeren Strohbauprojekten war er in verschiedenen Rollen beteiligt. Im Interview gibt der Geschäftsführer Einblicke in sein Marktsegment.

BauStroh GmbH: „Bauen mit Stroh kommt allmählich aus seiner Nische“

Großballen als Wand im Verbund eingebaut.

BauStroh GmbH: „Bauen mit Stroh kommt allmählich aus seiner Nische“

Benedikt Kaesberg.

Herr Kaesberg, wann haben Sie BauStroh gegründet und wie haben sich die Mengen seither entwickelt?

Die Firma hat Dirk Scharmer, ein führender Architekt im Strohballenbau, gegründet und ich habe sie mit anderen Kollegen 2012 übernommen. Seit Anfang 2023 führe ich die Firma allein. Neben mir gibt es noch einen freien Mitarbeiter. Strohballenbau ist nach wie vor eine Nische, auch wenn Bekanntheit und damit auch Projekte langsam, aber kontinuierlich mehr werden. 2023 hat die BauStroh GmbH für etwa 40 Projekte Baustrohballen geliefert.

Was war der Impuls zur Gründung?

Der Fachverband Strohballenbau Deutschland e. V. (FASBA) hat die Grundlagenarbeit für Strohballenbau in Deutschland vor allem in zwei geförderten Projekten bis 2014 geleistet. Die bauaufsichtliche Anerkennung von Strohballenbau, vor allem ausgedrückt in einem Zulassungsdokument für Baustrohballen als Bauprodukt, war der Haupterfolg dieser Projekte. Dafür brauchte es formal einen Baustoffhersteller.

Welche Rolle spielt heute der FASBA?

Der FASBA als eingetragener und gemeinnütziger Verein konnte und wollte diese gewerbliche Aufgabe nicht übernehmen. So ist die BauStroh GmbH entstanden. Weil Strohballen als Baustoff in Deutschland potenziell fast überall zur Verfügung stehen, nämlich überall da, wo Getreide angebaut wird, ist Stroh wie etwa Lehm etwas, was fast überall lokal zur Verfügung steht. Diesen Aspekt der lokalen Herstellbarkeit gewährleistet die BauStroh GmbH, indem sie Strohballen, die sie nicht selbst hergestellt hat, als Bauprodukt Baustroh ausweist, sofern die Eigenschaften gemäß Zulassungsdokument nachgewiesen sind. Alternativ dazu liefert die BauStroh GmbH Strohballen, die von Partnerbetrieben aus der Landwirtschaft gepresst werden.

Wie muss das Stroh beschaffen sein?

Geeignet sind die Getreidesorten Roggen, Weizen, Dinkel oder nach Absprache auch andere. Farbe und Geruch sollten goldgelb und frisch sein, kein Schimmelgeruch. Der Drusch sollte möglichst lange und wenig beschädigte Strohhalme hervorbringen. Schüttler sind dafür besonders geeignet und die Halme sollten nicht kleingeschnitten oder gar gehäckselt werden. Für deren Geometrie gilt: Gerade Kanten und ebene Oberflächen, möglichst rechtwinklig und quaderförmig.

Was ist beim Pressen zu beachten?

Die Rohdichte der Ballen sollte bei 85 bis 100 Kilo je Kubikmeter liegen, sodass man die ausgestreckte Hand nicht oder nur schwer zwischen die Strohschichten schieben kann. Die Rohdichte im eingebauten Zustand liegt bei 100 kg/m3 plus/minus 15 Prozent. Die Ballen sind 80 cm bis maximal 150 cm lang und 35 bis maximal 50 cm hoch. Außerdem sollte die Garneinschnürung an den Stirnseiten möglichst gering ins Stroh eindringen, die Halmausrichtung überwiegend quer zur Schnürung erfolgen und der Beikrautanteil möglichst gering sein. Pilzbefall, den man am grauen Stroh erkennt, ist zudem ein Ausschlusskriterium.

BauStroh GmbH: „Bauen mit Stroh kommt allmählich aus seiner Nische“

Das Handling der Großballen erfordert die passende Technik auf der Baustelle.

BauStroh GmbH: „Bauen mit Stroh kommt allmählich aus seiner Nische“

Tragende Holzkonstruktion mit Kleinballen ausgefacht.

Wie viele Lieferanten haben Sie aktuell?

Aktuell haben wir drei aktive Partnerbetriebe aus der Landwirtschaft und einige mehr, die bei Bedarf aktiviert werden. Damit ist die aktuelle Baustroh-Nachfrage schon abgedeckt und kann bei Bedarf skaliert werden. Sofern regional Wertschöpfungsketten von Strohpressern, Planern und ausführenden Handwerksbetrieben aufgebaut werden, kann das erweitert werden.

Was wünschen Sie sich aktuell von den Landwirten?

Da der Baustoff aktuell nicht der Engpass ist, brauchen wir die Landwirte als Multiplikatoren und Werbepartner. Es wäre sehr viel geholfen, wenn die Bauern selbst mit Stroh bauen und lokal ihre Freunde und Bekannten, Architekten, Bauträger und Bauwillige darauf ansprechen. Das Produkt hat hervorragende Materialeigenschaften, ist insbesondere in der Schweiz, im Alpenraum und anderenorts bewährt und leistet einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz.

Wer sind aktuell Ihre Kunden?

Die BauStroh GmbH arbeitet ausschließlich im Direktvertrieb. Partner sind Holzbaubetriebe und Bauherrschaften, die oft noch Privatleute sind. Da wünsche ich mir mehr Bauträger und Wohnungsbaugesellschaften, öffentlich-rechtliche und gewerbliche Bauherren etc.. Erfolgreich ist vor allem die Entwicklung von Wertschöpfungsketten, wenn Strohpresser, Planungsbüros und Handwerksbetriebe gemeinsam mit Strohballenbau auftreten.

Was machen die Kunden mit Ihrem Stroh?

Baustrohballen werden entweder in der Vorfertigung in einem Holzbaubetrieb in Wand- und Dachelemente eingebaut oder alternativ auf der Baustelle in ein zunächst leeres hölzernes Fachwerk eingebaut.

Was spricht für Ihre BauStroh GmbH?

Die BauStroh GmbH liefert mit den Baustrohballen ein Bauprodukt analog zu allen anderen Bauprodukten im Baustoffhandel; außerdem können Strohballen, die die BauStroh GmbH nicht selbst hat pressen lassen, als Bauprodukt Baustroh ausgewiesen werden. Damit wird eine lokale und regionale Herstellung konform mit baurechtlichen Anforderungen möglich. Darüber hinaus sind wir Akteure mit inzwischen zwei Jahrzehnten Erfahrung im Strohballenbau.

Wie kommen Angebot und Nachfrage zusammen?

Wer Baustrohballen haben möchte, kann uns kontaktieren und bekommt ein Angebot. Logistisch ist eine Paketierung und/oder Stapelung von Baustrohballen sinnvoll, damit nicht Ballen einzeln und händisch bewegt werden müssen. Der Transport erfolgt zumeist über eine Spedition, oft lastzugweise, bei geringen Distanzen auch mit einem Heuwagen.

Welches sind die Hauptschwierigkeiten beim Stroh und dessen Vermarktung?

Stroh steht jährlich nachwachsend in großen Mengen zur Verfügung. Das Material, das CO2 bindet und als Abfallprodukt des Getreides zur Verfügung steht, ist also nicht das Problem. Allerdings gibt es bislang nur wenige Planungsbüros und ausführende Handwerksbetriebe, die Strohballenbau anbieten. Hier liegt das Entwicklungspotenzial.

Was prognostizieren Sie dem Bauen mit Stroh?

Stroh kommt als Baustoff – ähnlich wie Holz oder Lehm – allmählich aus seiner Nische und gewinnt beim Bauen an Bedeutung. Das hat damit zu tun, dass Strohballenbau zwar nicht immer die Lösung ist, aber in Bezug auf viele aktuelle Herausforderungen im Bauen – Ressourcen sparen, CO2-Emissionen einsparen, Raumqualitäten, Identifikation mit Gebäuden usw. – viel Lösungspotenzial anzubieten hat.

Wie entwickeln sich die Preise beim Baustroh und beim Strohballenbau?

Unsere Baustrohballen vertreiben wir je nach Format für 52,50 Euro pro m3 netto oder 60 Euro pro m3 netto. Hinzu kommt noch der Transport. Dieser Materialkostenanteil macht in Bezug auf einen Quadratmeter fertige Wand nur einen sehr kleinen Anteil aus. Dieser Preis ist für eine Bauherrschaft die eigentlich relevante Größe. Weil die realisierten Bauprojekte bislang noch zu wenige und zu unterschiedlich sind, gibt es hier keinen Referenzpreis. Viel hängt davon ab, ob vor Ort bereits Anbieter von Strohballenbau auftreten oder ob das erst einmal aufgestellt werden muss. Was ich sagen kann, ist, dass der Strohballenbau eine besonders ressourcenschonende Bauweise ist und dass diese Bauten immer wieder gute bis sehr gute Raumqualitäten erreichen. Dabei sind sie nicht oder nur unwesentlich teurer als vergleichbare Bauweisen.

 Interview führte Leonhard Fromm.

Kleinballen oder Großballen?

Welche Maschinen bzw. Ernte- und Pressverfahren erzeugen einen bestmöglichen Baustoff?

Beim Strohballenbau wird auf Ballen in Quaderform aus der Landwirtschaft zurückgegriffen. Diese werden entweder bei der Ernte auf dem Feld gepresst oder zu einem späteren Zeitpunkt umgepresst. Bislang werden beim Bauen am häufigsten Kleinballen mit einer Breite von 48 Zentimetern und einer Höhe von ca. 36 Zentimetern je nach Pressentyp verwendet.

Großballen sind rationeller zu verbauen, erfordern jedoch in der Regel Maschineneinsatz und eine materialaufwändigere Konstruktion. Diese Quaderballen werden im Verband als „Baustein“ in der lasttragenden Bauweise „trocken“ aufeinandergesetzt und erfüllen dabei alle Aufgaben bezüglich Statik, Dämmung, Brandschutz, Ökologie etc. eines modernen Wandbaustoffes. Kleinballen dagegen werden als Dämmstoff in eine tragende Holzkonstruktion eingesetzt und können, wie auch Quaderballen in der tragenden Bauweise, direkt verputzt werden.

BauStroh GmbH: „Bauen mit Stroh kommt allmählich aus seiner Nische“

Die Firma Heusta in Niedersachsen nutzt für das Pressen von Baustroh ein Gespann aus HD-Presse und dem Balebaron Ballensammler.

BauStroh GmbH: „Bauen mit Stroh kommt allmählich aus seiner Nische“

21 kleine Ballen, 46 x 36 x 80 cm, bündelt der Balebaron in ein 80 x 135 x 240 cm großes Paket.


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