Farming in Highspeed

Dürre, Fluten, Brände – diese Bilder aus Australien erreichten uns auch in Deutschland. Aber was bedeutet dies für die Landwirte vor Ort? Auf unserer Reise durch Down Under sprachen wir mit Farmern, wie sie unter den Klima- und Marktbedingungen erfolgreich wirtschaften.

Australien: Farming in Highspeed

Mähdrusch in Australien auf einer der Excel Farms. Beim Drusch arbeitet man zunehmend mit Lohnunternehmern zusammen.

Australien: Farming in Highspeed

„Beihilfen? Was für Beihilfen? Unsere Farmen kriegen nichts. Null!“ antwortete mir der Chef des australischen Bauernverbands fast entrüstet auf meine Frage, ob es staatliche Prämien für seine Farmer gibt. Australische Farmer sind zu hundert Prozent den Gesetzen der Witterung und des Marktes ausgesetzt. Keine subventionierte Ernteversicherung, die, wie in den USA hilft, Ausfalljahre zu überbrücken. Keine Flächenprämien, die den Deckungsbeitrag absichern, keine Bauernmilliarde für den neuen Wiegestreuer! Nothing! Auf der anderen Seite gibt es aber auch kaum Regulierungen und Vorschriften, wie man seine Landwirtschaft zu praktizieren hat. Ulke de Kleine, ein Niederländer, der vor 13 Jahren nach Australien auswanderte und dort heute über 1.000 Kühe melkt, sagt: „Verglichen mit Europa ist das hier ein Paradies. Keine Gesetze, kein Papierkram.“

Die Angst vor dem Totalausfall, zum Beispiel durch Dürre, prägt das Management der Farmen. „Schnell, schnell, jeden Tropfen Regen für die Aussaat nutzen, möglichst kein Risiko“ – die Angst eines Totalausfalls hat hier jeder Landwirt im Nacken.

Für das Jahr 2023/24 gab es für australische Farmer eine Warnung vor Dürre durch das Klimaphänomen El Niño. Doch trotz Prognose des meteorologischen Instituts gab es meist ausreichend Niederschläge. So ist die Stimmung der Farmer aktuell ganz gut. Die Ernten waren meist erfreulich, die Preise auskömmlich bis gut.

Nur 85.000 Farmen

In Australien gibt es rund 85.000 Farmen, die höchste Dichte herrscht im Südosten im Bundesstaat Victoria. Dann zieht sich der landwirtschaftliche Gürtel an der Ostküste hoch und dünnt weiter im Norden aus. Im südlichen Teil, aus dem wir berichten, werden überwiegend Weizen, Gerste, Raps, Leguminosen wie Ackerbohnen, Lupinen oder Linsen angebaut. In Richtung Norden gibt es dann Mais, Soja, Baumwolle und Zuckerrohranbau. Ackerbaubetriebe heißen hier Broadacre Farms. Es gibt viele Familienbetriebe, die durchaus mehrere 1.000 Hektar groß sind, aber auch sehr große, von Investoren betriebene Farmen, die über 100.000 Hektar und mehr bewirtschaften.

Rund zehn Prozent der Betriebe bewältigen fast die Hälfte der australischen Agrarproduktion. „Die Ackerbaufarmen werden wie in Nordamerika bewirtschaftet – die Futterbaubetriebe eher nach europäischen Maßstäben gemanagt“, so fasst es Marco Leying, Exportverantwortlicher von Krone für die Region Asia/Pacific, zusammen. Insgesamt ist die Landnutzung eher extensiv. So liegen zum Beispiel die Erträge von Weizen bei guten Betrieben und ausreichender Wasserversorgung zwischen drei und sechs Tonnen. Der limitierende Faktor ist der Niederschlag – manche Betriebe verfügen auf Teilen ihrer Fläche über Bewässerungsmöglichkeiten aus Brunnen oder Flüssen. Trockenes Grasland wird für Schafherden oder Fleischrinder genutzt. Die australischen Farmen müssen auf Weltmarktpreisniveau vermarkten: 75 Prozent der Erzeugnisse gehen ins Ausland.

Australien: Farming in Highspeed

Faberbohnen säen auf der Farm der Coopers. Über 500 PS schaffen 140 Hektar pro Tag.

Australien: Farming in Highspeed

Nahezu keine Bodenbearbeitung, hier nach dem Abbrennen: Der Anteil der organischen Substanz an der Oberfläche ist hoch.

75 Prozent Export

Asien mit Indonesien und China sind wichtige und mächtige Abnehmer. Und so sind die Landwirte nicht nur von Sonne und Regen, sondern immer auch von der politischen Großwetterlage abhängig. Im Inland bestreiten die zwei Lebensmitteleinzelhandelsketten, Coles und Woolworth, gut zwei Drittel des Lebensmitteleinzelhandels mit der entsprechenden Marktmacht. Der Milchpreis wird wesentlich von dem weltweit größten Milchvermarkter Fonterra in Neuseeland bestimmt.

Auch in Australien gewinnen Umweltauflagen zur Nachhaltigkeit, zum Tierschutz und zur CO2-Fixierung langsam politisch an Bedeutung. „Das denken sich die Long Sleepers in den Städten und in der Labour-Regierung aus“, so ein Farmer abfällig. Nathan Porter von der australisch-deutschen Handelskammer fasst es so zusammen: „Eigentlich besteht Australien aus zwei Ländern: eines mit Stadtbevölkerung und eines mit den Leuten vom Land!“

Australien: Farming in Highspeed

Die Schare des „Planters“ für Saatgut und Dünger.

Australien: Farming in Highspeed

Die beiden Brüder Tim (links) und Will Cooper bewirtschaften 4.600 Hektar in Victoria.

140 Hektar pro Tag

Also, verlassen wir die 5-Millionen-Metropole Melbourne und machen uns auf den Weg zu verschiedenen Farmen. Erster Stopp: die Bundal Farm bei Tungamah, gut drei Autostunden nordöstlich von Melbourne gelegen.

Der Ackerboden hier ist fruchtbar, der Tonanteil lässt ihn rötlich schimmern. Die Flächen sind eben, fast alle Felder sind eingezäunt. Die Brüder Will und Tim Cooper bewirtschaften mit ihrem Vater, einer weiteren Vollzeitkraft und einer Aushilfe 4.600 Hektar. Jetzt im April muss die Saat zügig in die Erde, Schlagkraft ist alles. Der 500 PS starke John Deere Knicklenker zieht einen Airseeder und Drillmaschine hinter sich her. Im Bunkerfahrzeug befinden sich die Saat und das Düngergranulat, dahinter kommt die Sämaschine mit einer Breite von 18 Metern. Mächtige Gebläse treiben Dünger und Saatgut nach hinten in die Schare. Heute sät man Ackerbohnen, circa acht Zentimeter tief, denn dort ist es noch gut feucht. Mit rund 15 km/h zieht das gut 30 Meter lange Gespann in einer mächtigen Staubwolke seine GPS-gesteuerten Bahnen, 140 Hektar pro Tag sind das Ziel mit der Direktsaatmaschine. Eine Bodenvorbereitung gibt es kaum, man drillt direkt in die Stoppeln.

Auf dem Schlag nebenan sprüht der Selbstfahrer Glyphosat über die Round-up-resistenten Rapsarten. Am Feldrand wartet die Versorgung mit Trucks, die Wasser, Saatgut und Dünger sowie Diesel vorhalten, damit die Arbeit nonstop weitergehen kann. Zum Maschinenpark der Coopers gehören zwei 500 PS Schlepper, ein kleiner mit 200 PS sowie zwei Claas Lexion 8700 Mähdrescher und einige Trucks. Der Claas-Service ist 200 km entfernt, der John Deere Händler 100 km. „Wir machen den Service soweit es geht allein, die Maschinen sind recht zuverlässig.“ Tim Cooper sieht die Entfernungen zur Werkstatt als überschaubar.

Australien: Farming in Highspeed

Kunst am Silo der Coopers: In der Gegend findet man mehrere von Künstlern gestaltete Betonsilos.

Australien: Farming in Highspeed

Excel Farms CEO Nick Paterson (links) mit seinem Leitungsteam. Excel Farms bewirtschaftet 80.000 Hektar auf 30 Betrieben.

Bodenproben nehmen

Die Fruchtfolge auf der Bundah-Farm: Ackerbohnen, Raps, Weizen, Weizen. Die Brüder lassen den Boden regelmäßig im Hektar-Raster beproben und richten danach ihre Düngemaßnahmen aus. Bei 500 mm Niederschlag erntet das Bundah Team 2,5 t Raps, 3 t Bohnen und 4,5 t Weizen vom Hektar. 5.000 t Raps liegen aktuell in einer riesigen, an einer Seite offenen Scheune auf der Farm, 7.000 t Getreide lagern in der Siloanlage im Ort Tungamah. Unser Besuch endete bei kühlem Lager-Bier im Pub des kleinen Ortes. Mit den anderen Gästen, die den Samstagnachmittag hier entspannt ausklingen lassen, kommt man schnell ins Gespräch.

Australien: Farming in Highspeed

Bei diesem Gespann von Excel Farms läuft der Airseeder hinter dem Planter.

Australien: Farming in Highspeed

Die aktuelle Selbstfahrerflotte (Foto) wird zur nächsten Saison um zwei autonome gezogene Pflanzenschutzspritzen ergänzt.

80.000 Hektar unter zentralem Management

Gut 30 Betriebe gehören zu den Excel Farms, die von der Zentrale in Ararat aus gemanagt werden. Von außen ein unscheinbares Gebäude in der Kleinstadt. Der CEO und Miteigentümer Nick Paterson empfängt uns mit seinen Führungskräften im Tagungsraum. Jess ist für die Finanzen, Tim für das Kaufmännische und Nihar für die IT zuständig. Das zwölfköpfige Leitungsteam übernimmt alle zentralen Verwaltungsaufgaben, den Einkauf, die Vermarktung, die Buchhaltung und das Personalmanagement. Jede Excel Farm hat vor Ort ihren Manager für das operative Geschäft, drei Gebietsleiter steuern jeweils eine Gruppe von Farmen. Excel Farmen bewirtschaften aktuell 80.000 Hektar, halten 20.000 Schafe und 3.000 Fleischrinder in verschiedenen Regionen Australiens. Paterson stammt aus einem Familienbetrieb, der in der vierten Generation bewirtschaftet wird. 2019 schloss sich die Familie mit einem kanadischen Investor, der weltweit verschiedene Agrarprojekte betreibt, zur Excel Farm zusammen. Das Unternehmen kaufte seitdem eine Reihe von Farmen dazu und wuchs weiter. Rund 70 feste Arbeitskräfte, unterstützt von 30 Aushilfen in der Ernte- und Pflanzsaison, bewältigen die Arbeit.

Über die Farm-Management-Software „Ag World“, kann Paterson die Arbeit auf den Betrieben und die damit verbundenen Kosten und Erlöse schlagspezifisch fast in Echtzeit verfolgen. Bodenproben, Ertragskarten und Satellitenfotos beschreiben jeden Einzelschlag sehr genau. Die Auftragsdaten, zum Beispiel für die Düngung, werden auf das Smartphone des Farm Managers gesendet und an den Traktorfahrer weitergeleitet. Düngung und Aussaat laufen teilflächenspezifisch. Der Excel Maschinenpark umfasst 25 Traktoren, acht Pflanzenschutz-Selbstfahrer, 13 Airseeder mit 18 und 24 m breiten Sämaschinen sowie sechs New Holland Mähdrescher. Der Wert umfasst fast 60 Millionen australische Dollar, das sind ungefähr 36 Millionen Euro. In Kürze kommen zwei autonom fahrende Roboter dazu, die eine Pflanzenschutzspritze ziehen. Der Mähdrusch geht mehr und mehr an Lohnunternehmen, die Abfuhr des Getreides übernimmt die Farm selbst. Geräte für die Bodenbearbeitung gibt es fast nicht. Lediglich zwei Horsch Tiger arbeiten ausgebrachten Kalk ein. Bei manchen frisch erworbenen Farmen ist der pH-Wert sehr runtergewirtschaftet. Die Niederschläge reichen je nach Lage der Farm von 320 bis 550 mm pro Jahr. Die Erträge der jährlichen Fruchtfolge liegen bei Weizen zwischen 4,4 und 6 t, bei Raps zwischen 2,3 und 4 t und bei Linsen zwischen 1,4 und 2,2 t. Übrigens: Exel Farms ist für Ernte und Pflanzzeit immer auf der Suche nach deutschen Praktikanten. Kontakt über: employment@excelfarms.com.au.

„Feuer frei“

Am Mittag heißt es in dieser Gegend: „Feuer frei!“ Eine Besonderheit in diesem Jahr. Ausreichend Regen sorgte für sehr gute Getreidebestände, die massiven Stoppeln und das gehäckselte Stroh machen die Direktsaat schwierig bis unmöglich. Mit dem Abbrennen der Stoppeln schafft man hier die Voraussetzung dafür. Außerdem bekämpft es die Schnecken. Mit dem Grubber und Gegenfeuern hält man den Brand auf den mehrere 100 Hektar großen Schlägen in Schach. Diese Maßnahme muss man sich genehmigen lassen und zwei Tanklöschfahrzeuge mit jeweils 8.500 Litern Wasser dabei in Bereitschaft halten. Bei unserem Besuch waren die Windverhältnisse so günstig, dass es auf vielen Feldern in der Region brannte, überall die Rauchschwaden aufstiegen und den Himmel vernebelten.

Unser Fazit

Ein professionelles Management sorgt auf beiden Farmen dafür, den Aufwand an Gebäuden, Maschinen und Input möglichst gering zu halten und den Deckungsbeitrag zu sichern. Ein Luxuskonsum an Technik, den können sich australische Farmer nicht leisten.


Weitere Artikel zum Thema

weitere aktuelle Meldungen lesen