Genossen sehen sich „solide auf Kurs“

Techniksparte meldet Neumaschinengeschäft deutlich über dem Vorjahr

Agravis: Genossen sehen sich „solide auf Kurs“

Auf der Agravis Future Farm bei Uelzen laufen Tests und Schulungen für digitale Themen.

Die Agravis Raiffeisen AG sieht sich im laufenden Geschäftsjahr 2020 „solide auf Kurs“. „Wir haben uns vorgenommen, 2020 mit einer stabilen Umsatzentwicklung von rund 6,3 Mrd Euro und einem Ergebnis vor Steuern in Höhe von 30,2 Mio Euro abzuschließen“, berichtete der Vorstandsvorsitzende Dr. Dirk Köckler kürzlich bei der virtuellen Hauptversammlung des Agrarhandels- und Dienstleistungsunternehmens. Nach den ersten sieben Monaten des Geschäftsjahres liege der Konzernumsatz bei rund 3,64 Mrd Euro und das Ergebnis vor Steuern bei etwa 14 Mio Euro, teilte der Agravis-Chef mit. „Wir liegen mit den Kennzahlen sicher im Planungskorridor. Damit sind wir dann auch für 2020 wieder dividendenfähig, was uns als Vorstand der Agravis Raiffeisen AG ein großes Anliegen ist“, unterstrich Köckler.

Eine klare Ausrichtung und Zusammenarbeit strebt auch der Bereich Technik mit seinen Hauptlieferanten an. Hier hat die bisher bestehende regional ausgerichtete Führungsstruktur zum 1. Juli eine Umschichtung hin zu einer Markenverantwortlichkeit erfahren.

Die Digitalisierung sei für die Agravis ein Baustein auf dem Weg in eine erfolgreiche genossenschaftliche Zukunft. Deshalb soll nun Dr. Torsten Feldbrügge einen eigenständigen Bereich Digitalisierung als Querschnittsfunktion aufbauen. Insbesondere gehe es darum, Portallösungen und operative Anwendungen mit den Genossenschaften im Verbund gemeinsam voranzubringen. „Mit der Raiffeisen Portal GmbH gibt es nun eine zukunftsfähige Gesellschaft, die den digitalen Verbundgedanken gemeinsam mit den beteiligten Pilotgenossenschaften und der GWS nach vorne stellt.“ Kernaufgabe der neuen Gesellschaft ist zunächst, das Landwirtschafts-portal myfarmvis als Herzstück weiterzuentwickeln und stärker im Markt zu positionieren. Dr. Köckler: „Wir sind offen für weitere genossenschaftliche Partner auf Augenhöhe.“

Der neue Webshop ATStore 24 ergänzt den E-Commerce-Bereich auf dem Portal myfarmvis.com der Agravis Raiffeisen AG. Der Kunde soll im Landtechnik-Webshop von der Erreichbarkeit rund um die Uhr und schnellen Verfügbarkeiten profitieren. Der Shop soll perspektivisch das komplette Ersatzteil-Sortiment der Agravis Technik bereithalten. Zu Beginn sind bereits sieben Millionen Artikel such- und bestellbar. Noch 2020 werde die Möglichkeit umgesetzt, online bestellte Ware in einem Standort vor Ort abzuholen.

Der eilbote sprach mit Gerd Schulz, Geschäftsführer der Agravis Technik Holding GmbH und dem Bereichsleiter Digitalisierung, Dr. Torsten Feldbrügge.

eilbote: Welche personellen und organisatorischen Veränderungen gibt es in der Techniksparte der Agravis? Was ist das Ziel?

Gerd Schulz: Die bestehende regional ausgerichtete Führungsstruktur erfuhr durch eine Umschichtung der Gesellschaften zum 1. Juli 2020 eine neue Struktur. Diese Struktur wurde eingeführt, damit die Marke Agravis Technik weiter gestärkt wird und wir unsere Position als eines der führenden deutschen Landtechnikhandelsunternehmen weiter ausbauen können. Dazu ist es erforderlich, die Full-Liner-Ambitionen der Hauptmarken zu kanalisieren sowie den Ansprüchen aller anderen partnerschaftlichen Hersteller gerecht zu werden, um ein organisches und anorganisches Wachstum voranzutreiben. Oberste Priorität bei der Umsetzung der neuen Struktur haben die strategischen Leitplanken der Agravis Technik-Gruppe. Aus diesem Grund wird es künftig unter meiner Bereichsleitung drei Leiter von Technikgesellschaftengruppen geben. Erweitert um markenspezifische Aspekte, tragen sie darüber hinaus insbesondere dafür Verantwortung, weitere Synergien im Konzernverbund zu heben und das Markenversprechen für den Kunden unter der eigenen Marke Agravis Technik zu schärfen.

Damit verbunden sind Erwartungen an weitere Wachstumsschritte und Marktanteilsgewinne in den Regionen. Für die Kunden der Agravis Technik-Gruppe ändert sich durch diese neue Verantwortungszuordnung nichts. Für die regionalen Gesellschaften tragen auch weiterhin die Geschäftsführer die operative Verantwortung, diese berichten künftig an die Leiter der Gesellschaften, die auch weiterhin an mich berichten.

Wie wollen Sie als Agravis die Full-Liner konkret „kanalisieren“ wie Herr Dr. Köckler es nannte? In welchem Umfang vertreiben Sie bereits Fendt Futtererntetechnik dort, wo Sie zum Beispiel Krone-Vertriebspartner sind?

Gerd Schulz: Die Agravis Technik hat und ist weiter dabei Strukturen zu schaffen, die der Agravis Technik-Strategie Rechnung tragen und den Anforderungen der Hersteller nachkommen. Die Agravis Technik-Gruppe bekennt sich daher zu einer exklusiven, regionalen Zweimarkenstrategie.

So ist seit Ende der neunziger Jahre die NewTec exklusiver Partner von New Holland. 2016 wurden die AGCO/Fendt- und Claas-Aktivitäten in Westfalen und im westlichen Niedersachsen in separate Gesellschaften überführt.

In Mitte- und Ostniedersachsen sowie in Sachsen-Anhalt und Brandenburg werden neben AGCO auch New Holland und Krone vertrieben. In diesen Regionen bestehen bereits seit über 20 Jahren gewachsene Strukturen sowie Partnerschaften mit den Häusern. Innerhalb der Gesellschaften wurden und werden Markenstrukturen mit Produktspezialisten etabliert. Eine entsprechende Kundenberatung wird in den Bereichen Sales als auch After Sales durchgeführt.

Agravis: Genossen sehen sich „solide auf Kurs“

Gerd Schulz, Geschäftsführer der Agravis Technik Holding GmbH und Bereichsleiter Digitalisierung, Dr. Torsten Feldbrügge (v. l.).

Agravis treibt die Digitalisierung voran, wie hoch sind die Investitionen in diesem Bereich, z.B. in die Future Farm? Wie kalkulieren Sie Ihr Return of Investment? Wer sind im Precision Farming Ihre Hauptpartner?

Dr. Torsten Feldbrügge: Zur Digitalisierung gehört die Weiterentwicklung vorhandener Tools für die praktische Landwirtschaft wie myfarmvis und Delos ebenso wie eine Vereinheitlichung der Systemlandwirtschaft in der Warenwirtschaft. Der Return of Invest erfolgt über eine stärkere Marktdurchdringung oder auch über Prozesseffizienzen und Standardisierung. Im Segment Smart Farming sind wir mit unseren NetFarming-Aktivitäten innerhalb der Agravis Digital GmbH aktiv, in der Know-how auf technischer, pflanzenbaulicher und agronomischer Fachebene kombiniert wird, beruhend auf bereichsübergreifender Zusammenarbeit innerhalb der Agravis. Weiterhin ist die Agravis Landtechnik in diesem Umfeld mit etablierten Partnern unterwegs.

Gerd Schulz: Die Agravis Future Farm in Suderburg bei Uelzen ist zentrale Anlaufstelle für digitale Themen (Technik, Pflanzenbau und perspektivisch Tier) und wird Produkte sowie Dienstleistungen auf Praxistauglichkeit testen und den Kunden als auch Mitarbeitern dieses Wissen in Schulungen vermitteln.

Thema myfarmvis: Jede der großen Genossenschaften arbeitet an ihrem eigenen Online-Portal. Sie betonen, Sie seien hier offen für Kooperationen. Inwieweit verträgt sich das mit dem Geschäftsmodell, dass Ihr Portal auch Ihr Ersatzteilgeschäft online und stationär vorantreiben soll? Mit der Übernahme von Menke sind Sie ja auch hier verstärkt aktiv. Wären auch hier Kooperationen mit anderen Genossen denkbar oder kartellrechtlich eher ausgeschlossen?

Dr. Torsten Feldbrügge: Für unser Landwirteportal myfarmvis haben wir mit Gründung der Raiffeisen Portal GmbH ja bereits eine zukunftsträchtige Kooperationsform geschaffen. Sechs regionale Raiffeisen-Genossenschaften sind bereits in der Startphase als Gesellschafter mit an Bord. Ausdrücklich gilt, dass weitere Genossenschaften herzlich eingeladen sind, sich an diesem Projekt zu beteiligen. Sie müssen dafür nicht zwingend der Raiffeisen Portal GmbH als Gesellschafter beitreten. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Landwirte für myfarmvis zu begeistern und dieser Plattform zu raschem Wachstum zu verhelfen.

Ihre Techniksparte verzeichnete 2019 einen Umsatzrückgang um 8,2 % auf 868 Mio. Euro. Wo stehen Sie heute beim Service, Gebrauchtmaschinen- und Neumaschinenverkauf? Wie lautet Ihre Prognose für dieses Jahr in der Technik, werden Sie von der Mehrwertsteuersenkung profitieren?

Gerd Schulz: Wie wir alle wissen, waren die ersten sieben Monate sehr herausfordernd. Doch dank des sehr hohen Engagements unserer Kollegen in unseren mehr als 120 Niederlassungen ist es uns sehr gut gelungen, die Pandemie zu meistern und unsere Kunden bestmöglich bei ihrer Arbeit zu unterstützen und mitzuhelfen, dass wir alle gemeinsam ein bis heute positives Jahr verzeichnen können. Das Neumaschinengeschäft liegt deutlich über dem Vorjahr. Bei unserem Gebrauchtmaschinengeschäft ergibt sich eine Zweiteilung. Der deutsche Markt zeigt sich sehr stabil, wo hingegen vor allem das Osteuropa-Exportgeschäft bedingt durch Corona und die damit verbundenen Auswirkungen relativ starke Rückgänge zu verzeichnen hat. Unser After Sales-Geschäft liegt sehr deutlich über dem Vorjahr und die Auslastung unserer Werkstätten ist hervorragend. Zudem ist anzumerken, dass wir die gesamte Corona-Zeit voll handlungsfähig waren. Gleiches gilt für das Ersatzteilgeschäft, denn auch hier hat die Agravis Technik eine überdurchschnittliche Wachstumsrate zu verzeichnen. Im April konnten wir unseren Online-Ersatzteilwebshop ATStore24 frühzeitig ausrollen, auch hierdurch konnten wir die Erreichbarkeit für unsere Kunden jederzeit sicherstellen.

Die Senkung der Mehrwertsteuer wurde von uns zu 100 Prozent an unsere Kunden weitergegeben und auch proaktiv kommuniziert; wir konnten Effekte im Juni bemerken. Im Moment laufen die Bereiche Neumaschinen, Werkstatt und Ersatzteile weiter auf einem hohen stabilen Niveau und auch das internationale Gebrauchtmaschinen-Geschäft erholt sich.

Die Fragen stellte Bernd Pawelzik


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