Agrarpolitik:

Cem Özdemir wird der neue Bundeslandwirtschaftsminister

Özdemir setzt sich gegen Hofreiter durch – Lemke wird Umweltministerin – Gesundheitlicher Verbraucherschutz zum Umweltressort

Agrarpolitik: Cem Özdemir wird der neue Bundeslandwirtschaftsminister

Özdemir gehört zu den „Realos“ der Grünen.

Der Bundeslandwirtschaftsminister in spe heißt Cem Özdemir. Özdemir hatte sich in einer parteiinternen Auseinandersetzung gegen Grünen-Fraktionschef Dr. Anton Hofreiter durchgesetzt, der dem neuen Kabinett nicht angehören wird. Das neu zugeschnittene Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz soll von der langjährigen Bundestagsabgeordneten der Grünen, Steffi Lemke, geleitet werden. Parteichef Dr. Robert Habeck soll das um den Klimaschutz erweiterte Wirtschaftsministerium übernehmen. Über ihre Ministerkandidaten und den Koalitionsvertrag lassen die Grünen die Parteimitglieder abstimmen. DBV-Präsident Joachim Rukwied bot die Zusammenarbeit an. Es gehe darum, gemeinsam Lösungen für die anstehenden Herausforderungen zu entwickeln. Rukwied lobte Özdemir als pragmatischen Politiker. Gemischte Reaktionen löste der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP aus. Sowohl auf der Agrar- als auch der Umweltseite stieß auf Unverständnis, dass im Landwirtschaftsteil jeglicher Hinweis auf die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) fehlt. Mehrere Verbandsvertreter warnten die künftige Ampelkoalition davor, hinter den dort erzielten gesamtgesellschaftlichen Kompromiss zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft zurückzufallen. Kernpunkte der Koalitionsvereinbarung sind ein Bekenntnis zum Umbau der Tierhaltung, wenngleich ohne konkrete Aussagen zu dessen Finanzierung, ferner die Ankündigung eines Konzepts für einen vollständigen Umbau der Direktzahlungen sowie das Ziel, den Anteil des Ökolandbaus bis 2030 auf 30 Prozent auszudehnen. Der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln soll auf das notwendige Maß beschränkt werden. Eine klare Positionierung zu den neuen Züchtungstechniken wird nicht vorgenommen. Vorantreiben will die Ampel den Waldumbau. Die Ernährungspolitik soll künftig ein größeres Gewicht erhalten; angekündigt wird eine Ernährungsstrategie.

Direktmandat in Stuttgart

Der 55-jährige Özdemir hatte bei der Bundestagswahl im September mit fast 40 Prozent erstmals ein Direktmandat in Stuttgart gewonnen. Dem Bundestag gehörte der gebürtige Schwabe von 1994 bis 2002 an. Von 2004 bis 2009 war Özdemir Abgeordneter des Europaparlaments. Den Bundesvorsitz der Grünen hatte er von 2008 bis Anfang 2018 inne. 2013 kehrte er in den Bundestag zurück. Bei der Bundestagswahl 2017 war der gelernte Erzieher und Diplom-Sozialpädagoge Spitzenkandidat der Grünen und einer der Verhandlungsführer seiner Partei bei den letztlich erfolglosen Jamaika-Verhandlungen in Berlin. In der abgelaufenen Legislaturperiode fungierte der voraussichtlich künftige Bundeslandwirtschaftsminister als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur. Özdemir, der dem „Realo-Flügel“ seiner Partei zugerechnet wird, ist Mitglied im Politischen Beirat des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft (BVMW) sowie der überparteilichen Theodor-Heuss-Stiftung. Bisherige politische Schwerpunkte waren insbesondere die Außenpolitik, Wirtschafts- und Verkehrspolitik sowie die Integrationspolitik. Als erster Grüner war Özdemir 2014/2015 „Botschafter des Bieres“ des Deutschen Brauer-Bundes (DBB). 2017 ernannte der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks den Sohn türkischer Gastarbeiter zum „Botschafter des Deutschen Brotes“.

Fünf Ministerien für die Grünen

Die Beibehaltung eines eigenständigen Bundeslandwirtschaftsministeriums war zunächst unklar. Zuerst hatte es Hinweise auf Pläne für ein gemeinsames Umwelt- und Landwirtschaftsministerium mit Lemke an der Spitze gegeben. Nachdem die Grünen das begehrte Verkehrsministerium im Zuge der Verhandlungen der FDP überlassen mussten, nahm man offenbar von einem Doppelressort Abstand. Gleichzeitig wurde entschieden, den gesundheitlichen Verbraucherschutz dem Umweltressort zuzuordnen. Die Grünen werden in der neuen Bundesregierung insgesamt fünf Ministerien besetzen, die FDP vier. Auf die SPD entfallen sechs Ressorts, darunter das Innenministerium, das weiterhin auch für das Thema „Heimat“ zuständig sein soll.

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