Nach der Dürre 2022: Die Restfeuchtigkeit wird zum rettenden Ufer für viele Landwirte

Trockenheit prägt fast überall die Ernte 2022 – Sorgenfalten vor der Herbstbestellung – Politik und Fachwelt diskutieren bereits über nötige Veränderungen – Hoffnung auf gute Aussaatbedingungen der Wintergerste

Ackerbau: Nach der Dürre 2022: Die Restfeuchtigkeit wird zum rettenden Ufer für viele Landwirte

Die Bestände leiden unter Trockenheit: Viel Staub bei der Kartoffelernte auf der PotatoEurope in Bockerode.

Für die deutsche Landwirtschaft neigt sich ein extremer Sommer dem Ende zu: „Der Sommer 2022 war in Deutschland der sonnigste und mit Platz sechs einer der trockensten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881“, meldete der Deutsche Wetterdienst (DWD) Ende August. Bilanziert wurden rund 40 Prozent weniger Niederschlag gegenüber dem Mittel der beiden Referenzperioden 1961 bis 1990 und 1991 bis 2020.

Tiefroter Dürremonitor

Tiefrot ist zur Standardfarbe im Dürremonitor des Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) geworden. Das UFZ meldete für viele Regionen seit Mitte Juli hinsichtlich des pflanzenverfügbaren Wassers „Trockenstress“ mit einer nutzbaren Feldkapazität von weniger als 30 Prozent bis hin zum Wert „Null“, der den Welkepunkt für die Pflanzen markiert. Für den Gesamtboden bis in 1,80 Metern Tiefe ist die Dürre seit 2018 mit Ausnahme einer leichten Erholung im letzten Jahr besonders in ostdeutschen Landesteilen „Standard“.

Sehr unterschiedliche Getreideerträge

Die Getreideernte lief in einigen Regionen allerdings besser, als es die bundesweite Stimmung erwarten ließ, wobei die regionalen Unterschiede laut DBV noch stärker ausgeprägt sind als in den Vorjahren. Den bundesweiten Durchschnittsertrag für den Winterweizen gab das BMEL mit 76,2 dt/ha an. Der DBV hat auf der Basis einer Umfrage bei den Landesbauernverbänden mit Stand vom 22. August eine Ertragsschätzung für die Bundesländer veröffentlicht. Diese zeigt die regionalen Unterschiede deutlich: Demnach rechnen die Landwirte in Schleswig-Holstein mit einem Weizen-Durchschnittsertrag von 100 dt/ha, in Nordrhein-Westfalen mit 88 dt/ha, in Niedersachsen mit 85 dt/ha und in Mecklenburg-Vorpommern mit 81 dt/ha. In Bayern wurde der bundesweite Durchschnitt mit 72 dt/ha schon unterschritten. Schlimm sieht es dagegen in Sachsen-Anhalt mit 64 dt/ha und wieder einmal in Brandenburg mit gerade noch 61 dt/ha aus.

Dramatische Lage besonders beim Mais

Für die noch auf den Feldern stehenden Kulturen wie Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais sowie für das Grünland ist die Lage in manchen Regionen aus Sicht der Landwirte inzwischen dramatisch. Auf Zuckerrübenfeldern ohne Beregnung zeigen die „schlafenden“ Blätter den Trockenstress der Pflanzen noch deutlicher als Kartoffeln. Die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker (WVZ) zeigt sich sehr besorgt: „Wir rechnen mit enttäuschenden Ernteergebnissen“, stellt WVZ-Hauptgeschäftsführer Günter Tissen fest. Die Schätzung vom 15. August wird mit einem bundesweiten Rübenertrag von 70,5 t/ha angegeben nach 82,4 t/ha im Vorjahr und 76,0 t/ha im dreijährigen Schnitt 2019–2021. Für Kartoffeln erwartet die Union der deutschen Kartoffelwirtschaft (UNIKA) eine knapp durchschnittliche Ernte mit Trockenschäden in nicht beregneten Kartoffelbeständen. Vor allem im Westen Deutschlands seien die Erträge auf beregneten Flächen gesichert worden, allerdings reiften die Pflanzen früher ab. Für die Körnermaisernte werden dramatische Ausfälle erwartet.

Ackerbau: Nach der Dürre 2022: Die Restfeuchtigkeit wird zum rettenden Ufer für viele Landwirte

Wintergersteneinsaat zwischen den Kartoffeldämmen stabilisert den Boden. Hier ein Versuch auf den Feldtagen.

Rindviehbetrieben droht Futternot

Besonders die Futterbaubetriebe bangen um ihre Futterversorgung für den Winter. Die Silomaisernte 2022 hat wohl überall mindestens zwei, zum Teil sogar drei bis vier Wochen früher als üblich begonnen. Die Maispflanzen sind vertrocknet und oft hat die Trockenheit während der Blütephase den Kolben- und Körneransatz nachhaltig geschädigt. Aufgrund des hohen Trockensubstanz-Anteils drohen erhebliche Probleme beim Silieren, weshalb die frühe Ernte zwingend notwendig ist. Auf dem Grünland sieht es mindestens ebenso schlimm aus. Dort wurde oft schon der zweite Schnitt in Mitleidenschaft gezogen. Der dritte und vierte Schnitt fallen in vielen Betrieben komplett aus, weil die Grasnarbe flächendeckend „braungebrannt“ ist.

Herbstbestellung bereitet neue Sorge

In der landwirtschaftlichen Praxis bereitet dagegen neben den schlechten Ernteaussichten die aktuelle Situation rund um die Stoppelbearbeitung, den Zwischenfruchtanbau und die Herbstbestellung neue Sorgen: Das Wasser fehlt weiterhin, die Böden sind einfach zu trocken – sowohl für die Zwischenfrüchte als auch für eine sachgerechte Rapsbestellung. Wenn nicht bald hinreichende Niederschläge fallen, dann setzt sich diese Situation mit schlechten Aussaatbedingungen für die Wintergerste fort. 

Techniktrend „Ultraflache“ Bodenbearbeitung

Die Praktiker richten währenddessen den Blick auf kurzfristig wirksame Maßnahmen. Dazu gehört neben dem Blick auf die Fruchtfolge und konservierende Anbauverfahren das Überdenken der Bodenbearbeitung. Der Pflug sorgt zwar immer noch zuverlässig für den „reinen Tisch“ und kann Unkraut- und Ungrasprobleme reduzieren helfen, aber die Pflugfurche öffnet eben auch das Tor für die Austrocknung des Bodens sehr weit. Das widerspricht dem Ziel, die Bodenfeuchte bestmöglich auch im Boden zu halten. Zudem ist das Pflügen aufgrund der Arbeitstiefe naturgemäß sehr energie-, zeit- und kostenintensiv. Das traditionelle Verfahren kollidiert so auch mit der betriebswirtschaftlichen Perspektive und der Forderung nach mehr Nachhaltigkeit im Ackerbau. Die Landtechnikbranche ist aber längst am Ball. Viele Landtechnikhersteller haben das Thema „wassersparende Bodenbearbeitung“ inzwischen auch für den deutschen Markt ins Visier genommen. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat hierzu in dieser Woche sogar eine eigene Maschinenvorführung organisiert.

Restfeuchtigkeit für Rotte nutzen

„Es gilt, alternative Verfahren zu entwickeln, die geeignet sind, die Ziele auch bei geringen Bodenwassergehalten und einem insgesamt knapper werdenden Wasserangebot zu erreichen“, erläutert Claus Fricke, Landtechnikberater bei der LWK Niedersachsen. Seinen Erfahrungen zufolge gelingt es mit der ultra- flachen, ganzflächig schneidenden Bodenbearbeitung, „die im oberen Bodenhorizont verbliebene Restfeuchtigkeit für den Keim- und Rotteprozess zu nutzen und eine unproduktive Verdunstung zu verhindern.“

Bei sommerlichen Starkregen- ereignissen verhindere die entstehende Mulchauflage zudem wirkungsvoll die Bodenerosion. Außerdem könne das Niederschlagswasser durch das oberflächennah anstehende intakte Kapillarsystem des Bodens auf der Fläche versickern und den Wasserspeicher des Bodens wieder füllen. Hohe Flächenleistungen und geringe Kraftstoffverbräuche nennt Fricke als weitere Argumente.

Für den Kartoffelanbau gilt es vor allem in Hanglagen, knappe Niederschläge aufzufangen und die Bodenerosion bei Starkregen zu verringern.

Querdammbegrünung in Kartoffeln

Eine praxisgerechte Lösung für diese Probleme hat die Gesellschaft für konservierende Bodenbearbeitung (GKB) mit der „Querdammbegrünung“ auf der Potato Europe vorgestellt. Dafür wird die Kartoffelpflanzmaschine entsprechend um Bodenbearbeitungstechnik ergänzt.

Wintergerste in Querdämmen

Zusätzlich empfiehlt die GKB die Einsaat von Wintergerste in die Querdämme. Es zeige sich, dass die vorhandenen Wurzeln auch nach dem Absterben der Wintergerste den Boden weiterhin erheblich stabilisieren. Der Grund: Die Pflanzenwurzeln gehen mit Bodenpilzen und Bakterien Symbiosen ein. Dabei entsteht Glomalin, das den Boden wie ein Klebstoff zusammenhält. Das Querdammverfahren wird laut GKB sowohl in Österreich seit mehreren Jahren als auch auf einem bayerischen Kartoffelbetrieb mit 170 Hektar Anbaufläche in der zweiten Saison erfolgreich praktiziert.

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