Durchwuchskartoffeln mechanisch minimieren

Noch immer bleiben bis zu 230.000 Kartoffelknollen pro Hektar (6- bis 7-fache Pflanzkartoffeldichte) auf dem Feld und stellen im folgenden Jahr das größte Problem des modernen Kartoffelanbaus dar. Eine richtig terminierte Bodenbearbeitung nach der Kartoffelernte kann mit der Wahl des passenden Bodenbearbeitungsgerätes dieses Problem um 85 Prozent minimieren.

Feldhygiene: Durchwuchskartoffeln mechanisch minimieren

Durchwuchskartoffel aus einer Kartoffelscheibe.

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Frostschaden an Pflanzkartoffeln.

Durchwuchskartoffeln, also Kartoffeln, die als Unkraut in der nachfolgenden Kultur stehen, sind das größte Unkrautproblem in Kartoffelfruchtfolgen. Das Hauptproblem, welches Durchwuchskartoffeln verursachen, ist nicht nur die Konkurrenz um Raum, Licht, Luft, Wasser und Nährstoffe. Viel mehr führt der Durchwuchs zum Überdauern und zur Vermehrung vieler Kartoffelkrankheiten, -virosen und -schädlinge. Beispielsweise vermehren Nematoden sich von nur vier Durchwuchskartoffeln pro Quadratmeter um das Zwei- bis Dreifache.

Jeder milde Winter verschärft diese Problematik, da die nach der Ernte zurückbleibenden Knollen nicht mehr durch Gefrieren unschädlich gemacht werden. Die geringeren Froststunden an den Kartoffelknollen reichen nicht mehr aus, die Kartoffeln zu gefrieren. Dementsprechend überleben immer mehr Kartoffelknollen den Winter. Die Frostempfindlichkeit von Kartoffeln ist ein in Expertenkreisen schon lange diskutiertes Thema. Ältere Studien besagen, dass eine Knolle 50 Froststunden von mindestens - 2 °C an der Knolle benötigen würde, um vollständig abzusterben. Neuere Untersuchungen zeigen, dass dies nicht ausreicht. So muss erst ein Initialfrost je nach Sorte von - 7 °C bis - 3 °C an der Kartoffelknolle erreicht werden, um ein Gefrieren zu ermöglichen. Kühle Lagerung der Kartoffelknollen kann diese Temperatur noch einmal um - 1 °C reduzieren, da die Stärke der Knollen in Zucker umgewandelt ein höheres osmotisches Potenzial birgt und somit vor Zelltod schützt. Die Winter in Deutschland bringen seit mehreren Jahren größtenteils keine derart tiefen Bodentemperaturen mehr hervor, sodass die Durchwuchskartoffelbekämpfung immer schwieriger wird. Die Bodenbearbeitung nach der Kartoffelernte beeinflusst jedoch das Überleben der Durchwuchskartoffeln im Boden über Winter maßgeblich. Diese wissenschaftliche Arbeit bezieht sich auf die Jahre 2019 bis 2020, wurde in diesem großen Umfang bisher nicht wiederholt und wird daher hier veröffentlicht.

Feldhygiene: Durchwuchskartoffeln mechanisch minimieren

Versuchsanlage, Vergraben der pink angefärbten Knollen in 10 cm Tiefe.

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Versuchsanlage: weiß angefärbte Knollen an der Bodenoberfläche.

Versuchsaufbau

Zur Untersuchung des Effektes der Bodenbearbeitung nach der Kartoffelernte auf das Auftreten von Durchwuchskartoffeln im darauffolgenden Jahr wurden im Herbst 2019 fünf Streifenfeldversuche in vier verschiedenen Bundesländern (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern) in Deutschland angelegt. Für den Versuch wurden nur Ackerschläge ausgewählt, auf denen mindestens fünf bis zehn Jahre zuvor keine Kartoffeln angebaut wurden. Auf 28/35 mm kalibrierte Testkartoffelknollen wurden gewählt, welche in zwei Gruppen geteilt wurden. Die eine Hälfte der Kartoffelknollen wurde pink angefärbt und 10 cm tief in den Boden eingegraben. Die andere wurde weiß gefärbt an der Bodenoberfläche ausgelegt. Pro Parzelle wurden im Kartoffelstreifen 40 Knollen verwendet, davon waren 20 weiß und 20 pink.

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Katemann

Anschließend wurde der Kartoffelstreifen mit den Bodenbearbeitungsgeräten bearbeitet. In den fünf Feldversuchen wurden sechs Bearbeitungsvarianten in vierfacher Wiederholung der einzelnen Bearbeitungsvarianten pro Versuch getestet. Neben dem Pflug (Arbeitstiefe 25 cm, 6,5 km/h) wurde das dreimalige Grubbern mit Flügelschargrubbern (Arbeitstiefe 15 cm; 10,0 km/h) getestet. Die Vermutung bestand, dass der Grubber mit den Flügelscharen die vergrabenen Kartoffelknollen an die Bodenoberfläche befördern könnte. In der Variante Frostgrubbern bearbeiteten die Landwirte diesen Streifen einmal bei der Versuchsanlage und einmal nach dem ersten tragfähigen Frost- ereignis mit gleichen Geräteinstellungen. Ebenso wurde die Kurzscheibenegge (Arbeitstiefe 13 cm; 12,0 km/h) mit gezackten Scheiben aufgrund ihrer schneidenden Wirkung mit zweimaliger Überfahrt getestet. Als letztes Bearbeitungsgerät wurde die Fräse mit Winkelmessern (Arbeitstiefe 14,0 cm; 2,0 km/h) geprüft. Der Fräse wurde ebenfalls eine schneidende Wirkung aufgrund der Winkelmesser zugesprochen, zudem auch eine schlagende und je nach Klutenvorkommen im Boden quetschende Wirkung durch den Wurf gegen das Prallblech. Ein Kartoffelstreifen blieb unbearbeitet. In dieser unbearbeiteten Nullparzelle verblieben die 20 weißen Kartoffeln über den Winter an der Bodenoberfläche und die anderen 20 pink eingefärbten Kartoffelknollen in einer Tiefe von 10 cm im Boden.

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Frostgrubbern in Nordrhein-Westfalen.

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Bonitur der Durchwuchskartoffeln im Frühjahr 2020.

Die Bearbeitungsgeräte hatten hauptsächlich eine Arbeitsbreite von 3,0 m. Nur der Feldversuch in Baden-Württemberg wurde mit einer AB von 6,0 m und in Niedersachsen mit 4,0 m durchgeführt. Jeder Landwirt nutzte die am Hof vorhandenen oder beim Nachbarn auszuleihenden Geräte. Die genaue Beschreibung der Bearbeitungsgeräte ist in Tabelle 2 angegeben.

Im Herbst 2019 wurden die Knollen an der Oberfläche, ihr Beschädigungsstatus und ihre Verteilung in den Tiefenschichten im Boden bonitiert. Im darauffolgenden Frühjahr wurde die Anzahl an Kartoffelpflanzen und ebenso die Tiefenverteilung der Mutterknollen im Boden bonitiert.

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Ergebnisse im Herbst 2019

Das Ergebnis der Herbstbonitur im Herbst 2019 ist in Tabelle 3 dargestellt. In der unbearbeiteten Variante lagen die meisten Kartoffelknollen auf der Bodenoberfläche, gefolgt von den Fräsvarianten. Das Ergebnis legt zudem dar, dass durch mehrmaliges Grubbern mehr Kartoffelknollen vergraben als an die Bodenoberfläche transportiert wurden.

Vergleicht man die Anzahl der weißen und pinken Knollen in den Varianten „Dreimal Grubbern“ und „Frostgrubbern“, stellt man fest, dass in der „Dreimal Grubbern“ Variante mehr pinke Knollen auf die Oberfläche geholt wurden. In der Variante „Frostgrubbern“ waren mehr weiße sowie insgesamt mehr Knollen auf der Oberfläche zu finden.

Die meisten vergrabenen Knollen beförderte die Fräse an die Oberfläche, ebenso wies diese auch signifikant mehr beschädigte Knollen an der Bodenoberfläche auf, verglichen mit allen anderen Varianten. Dies ließ erwarten, dass in dieser Variante über den Winter die meisten Knollen verfaulen würden.

Im Gegensatz zu dieser Vermutung stellte die Frühjahrsbonitur in der gemeinsamen Auswertung aller fünf Versuche ein ganz anderes Bild dar (Abbildung 2). Die Varianten „unbearbeitet“ und „Frostgrubbern“ wiesen im Vergleich zum Pflug signifikant weniger Durchwuchskartoffeln auf. Das gute Ergebnis in der unbearbeiteten Variante ist darauf zurückzuführen, dass im Versuch die 50 % der Knollen, die an der Oberfläche platziert wurden, in allen fünf Versuchen über Winter verrottet sind bzw. gefressen wurden. In der Praxis liegen verschiedenen Studien zufolge jedoch nur 20–30 % der Kartoffeln auf der Bodenoberfläche. Bei der beschriebenen Versuchsanlage 2019 sollte eine Vergleichbarkeit mit dem Vorversuch von 2017/2018 gewahrt werden, somit wurde diese Verteilung gewählt.

Die Auswertung aller Versuche der Variante „Frostgrubbern“ zeigte, dass diese Variante das Auftreten von Durchwuchskartoffeln im Vergleich zur Pflugvariante signifikant reduzierte. Auffällig war in der Einzelauswertung der Versuche, dass in NRW und Niedersachsen (sandige Böden) keine signifikante Reduktion festgestellt werden konnte. Anders als in NRW und Niedersachsen traten in Bayern und Baden-Württemberg die ersten Fröste vom 3. bis 5. Dezember 2019 auf, worauf das Frostgrubbern im Dezember erfolgte. In NRW und Niedersachsen traten die tragbaren Fröste erst im Januar und Februar auf, woraufhin auch dort gegrubbert wurde. Dieses Ergebnis legt nahe, dass ein Grubbern bei frostigen Temperaturen im Dezember deutlich bessere Erfolge erzielt als das Grubbern im nächsten Jahr. Weiterführende Versuche müssten das Grubbern im Dezember auf norddeutschen Ackerflächen (auf sandigeren Flächen) auf eine Wirksamkeit hin untersuchen.

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Zerschnittene Kartoffeln laufen doppelt wieder auf.

GLÖZ-Standards berücksichtigen

Ab dem 01.01.2023 ist die Einhaltung der sogenannten Konditionalität Voraussetzung für den Erhalt der Direktzahlung der 1. Säule. Neben den Grundanforderungen an die Betriebsführung (Fachrecht) sind die sogenannten GLÖZ-Standards einzuhalten. GLÖZ 6 beschreibt dabei die Mindestbodenbedeckung in sensibelsten Zeiten als Boden und Erosionsschutzmaßnahme. Grundsätzlich müssen mindestens 80 % der betrieblichen Ackerflächen in der Zeit vom 15. November des Antragsjahres bis zum 15. Januar des darauffolgenden Jahres bedeckt sein. Darüber hinaus gibt es Ausnahmen für zum Beispiel schwere Böden und frühe Kulturen. Bezogen auf den vorliegenden Versuch bedeutet dies, dass ein Wintergrubbern der Flächen gut geplant werden sollte, um erfolgreich durchgeführt zu werden (Detail-, und Ausnahmeregelungen beachten).

Die Fräse zerstörte die Kartoffelknollen zwar intensiv, aber jedes kleinste Kartoffelstück lief in allen fünf Versuchen als neue Kartoffelpflanze auf (siehe Bild). Somit führte der Einsatz der Fräse mit Winkelmessern verglichen mit der Pflugvariante zu keiner Reduktion der Durchwuchskartoffeln. Für den Einsatz der mechanischen Durchwuchskartoffelbekämpfung kann die Fräse den Versuchen zufolge nicht empfohlen werden.

Danksagung gilt der Fördergemeinschaft Deutscher Kartoffelbau, dem Landeskuratorium für pflanzliche Erzeugung Bayern e.V., Andreas Meyer von der Versuchsstation Dethlingen, der TUM mit Prof. Dr. Heinz Bernhardt und den Landwirten für die Förderung und Unterstützung bei der Versuchsdurchführung.

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SCHNELL GELESEN

Die fünf Feldversuche von 2019/2020 verdeutlichten, Durchwuchskartoffeln sind durch die richtig terminierte Bodenbearbeitung signifikant zu reduzieren. Das Grubbern im Dezember auf einem durch den Frost tragfähigen Boden in eine Frostperiode hinein reduziert die Anzahl der Durchwuchskartoffeln und andere ungewollte Beikräuter signifikant. Mehrmaliges Bearbeiten mit dem Grubber vergräbt mehr Knollen, als es an die Oberfläche befördert.

Folgende Punkte sollten letztendlich beachtet werden:

■ Durchwuchskartoffelbekämpfung ganzheitlich im Betrieb betrachten (von der Flächenauswahl für die Kartoffel bis zur Folgekultur nach der Kartoffel)

■ Alle Knollen, die nach der Ernte auf dem Acker verbleiben, möglichst auf die Bodenoberfläche befördern

■ Frostgrubbern im Dezember als Baustein in die Bekämpfungsstrategie mit aufnehmen: Ziel sollte es sein, eine möglichst freie Bodenoberfläche an den Frosttagen zu erhalten.


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