Den Ampfer clever ausgetrickst

Mit sechs Infrarotkameras, Bilderkennungssoftware und 88 einzeln ansteuerbaren Düsen bekämpft die Sensorspritze RumboJet 880 punktgenau Ampfer auf Dauergrünland. Auf smarte Technologie bei der Wiesenpflege setzen aber auch andere Hersteller.

Grünlandpflege: Den Ampfer clever ausgetrickst

Andreas Breher (l.) und Simon Cordella entwickelten die Sensorspritze RumboJet und gründeten das Unternehmen Allgäu Automation.

Grünlandpflege: Den Ampfer clever ausgetrickst

Landwirt Helmut Lemberger: „Saubere Wiesen mit wenig Spritzmittel. Das Ergebnis der selektiven Ampferbekämpfung überzeugt mich.“

Helmut Lemberger aus Eschlkam im Bayerischen Wald hält 40 Milchkühe. Seinen Tieren möchte er natürlich nur bestes Raufutter vorlegen. Ein Hindernis dabei ist der stumpfblättrige Ampfer. Er gehört zu den häufigsten und, wegen des hohen Samenpotenzials, hartnäckigsten Unkräutern im Dauergrünland. Die Pflanze verdrängt nicht nur wertvolle Futtergräser, sondern hat auch negativen Einfluss auf die Konservierung und beeinträchtigt durch sekundäre Inhaltsstoffe die Tiergesundheit.

Doch seit vergangenem Jahr ist in Bayern der flächige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf Dauergrünland generell verboten. Erlaubt ist lediglich eine Einzelpflanzenbehandlung. Bundesweit gilt dies außerdem für Betriebe, die am Kulturlandschaftsprogramm Kulap teilnehmen.

Für den 49-jährigen Lemberger gab die verschärfte Regelung nur den letzten Anstoß, sich nach einem neuen Verfahren zur Ampferbekämpfung auf seinen etwa zwölf Hektar Grünland umzuschauen. „An der herkömmlichen Methode ärgerte mich eigentlich schon immer der hohe Spritzmittelverbrauch und die sich daraus ergebenden Kosten. Außerdem bewirkt die flächige Ausbringung eine Stauchung des Bestands insgesamt. Beim nachfolgenden Schnitt war der Futterertrag stets deutlich geringer“, nennt Lemberger als Gründe. Die Bekämpfungsvariante mit der Rückenspritze sei hier keine wirkliche Lösung. Dies nicht nur, weil es mühsam und zeitraubend sei. Untersuchungen hätten gezeigt, dass beim Handsprühen durch die subjektive Festlegung der Applikationsmenge auf die einzelnen Ampferpflanzen letztlich doch viel mehr Spritzmittel zum Einsatz kommt als tatsächlich nötig wäre.

Grünlandpflege: Den Ampfer clever ausgetrickst

Wird Ampfer nicht rechtzeitig bekämpft, breitet sich das konkurrenzstarke Unkraut schnell aus und beeinflusst die Schmackhaftigkeit und Energieleistung des Grünlands erheblich.

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Die gleichmäßige Ausleuchtung und die Dominanz des roten Lichtspektrums unter der Einhausung erleichtert der Bilderkennungssoftware die Detektion von Ampfer im Grünland.

Bei der Suche nach Alternativen stieß Lemberger im Internet auf das kameragesteuerte Spotsprühgerät RumboJet. Entwickelt haben es der 27-jährige Andreas Breher und der 28-jährige Simon Cordella.

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Jede der sechs Teilbreiten am RumboJet ist mit Multispektralkamera, LED und einem Jobrechner ausgestattet. Die einzeln steuerbaren Spritzdüsen sind im Abstand von 10 cm montiert.

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Die Sensorspritze wird hydraulisch über ein doppeltwirkendes Steuergerät vom Traktor auf eine Transportbreite von 2,97 m zusammengeklappt. Die Transporthöhe beträgt 3,93 m.

Rasterfahndung nach dem Futterverderber

Die beiden Landwirtssöhne lernten sich beim Mechatronik-Studium an der Hochschule Kempten kennen. „Erste Ideen zur automatisierten Einzelpflanzenbekämpfung von Ampfer entstanden bei einer Projektarbeit zum Thema digitale Bilderkennung“, berichtet Breher. Nach dem Bau eines Prototyps, vielen Tests und entsprechenden konstruktiven Anpassungen gründeten sie unmittelbar nach dem Studium die Allgäu Automation GmbH mit Sitz in Oy-Mittelberg. Ende 2020 startete die Serienproduktion des angehängten Geräts mit einer Arbeitsbreite von 8,80 m. Der Name RumboJet entstand aus der Kombination der Begriffe Rumex obtusifolius L.(Stumpfblatt-Ampfer) und Jet für Strahl/Düse.

Die Bekämpfung des Futterverderbers basiert auf dessen Detektion mittels einer Bilderkennungssoftware während der Überfahrt und dem gezielten Besprühen der Ampferblätter mit einem Herbizid. Das Scannen erfolgt durch Multispektralkameras, deren Sichtfeld LED gleichmäßig ausleuchten. Um die bei Arbeitsgeschwindigkeiten bis zu 10 km/h notwendige Bildauswertungsrate von 90 Aufnahmen pro Sekunde zu gewährleisten, arbeitet an jedem der sechs Geräteabschnitte separat ein komplettes Sensorpaket mit Kamera, LED und Jobrechner. Die Spritztechnik basiert auf der 600-Liter-Anbauspritze vom Hersteller Wanner. Alle 10 cm ist an dem Spritzbalken eine einzeln über Magnetventile innerhalb von Sekundenbruchteilen schaltbare 20°-Flachstrahldüse von Lechler montiert, die ursprünglich für Reinigungsaufgaben in der Industrie entwickelt wurde. Die zwei Abschnitte in den äußeren, klappbaren Geräteteilen rechts und links verfügen über jeweils 15 Düsen. Die beiden Balken im Mittelbereich sind etwas kürzer und mit jeweils 14 Düsen bestückt, um die laut StVZO vorgeschriebene Transportbreite von 3 m nicht zu überschreiten. Somit ergeben sich 88 Düsen, verteilt auf eine Arbeitsbreite von 8,80 m.

Die Bauteile zur Erkennung und Bekämpfung des Ampfers sind vollständig mit Planen eingehaust. Dies sorgt für gleichbleibende Lichtverhältnisse im Sichtfeld der Kamera als Voraussetzung für eine präzise Detektion und verhindert zugleich eine Abdrift beim gezielten Sprühen des Pflanzenschutzmittels. „Im Zusammenspiel mit der künstlichen Intelligenz der Bild- erkennungssoftware und den blitzschnell schaltenden Magnetventilen für die Düsen erreichen wir so selbst bei 10 km/h Fahrgeschwindigkeit eine hohe Treffgenauigkeit“, sagt Breher. Die Toleranz in Fahrtrichtung liege bei plus/minus 3 cm. Auch die Wahl der Farbe Rot für die Umhausung sei kein Zufall. Denn die Bildauswertung stütze sich vor allem auf das reflektierte Licht im roten und dem für Menschen nicht sichtbaren infraroten Spektralbereich. Die Ampferblätter mit ihrer charakteristischen Größe und Kontur zeichnen sich dann besonders deutlich von anderen Blattformen, etwa länglichem Gras, ab.

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Der Tank für die Spritzbrühe zur punktgenauen Ampferbekämpfung fasst 600 Liter. Der Verbrauch für die Einzelpflanzenbehandlung liegt laut Hersteller bei durchschnittlich 30 l/ha.

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Die Einzelpflanzenbekämpfung von Ampfer auf Dauergrünland bieten Lohnunternehmer als Dienstleistung an. Mittlerweile auf mehreren Tausend Hektar.

Der Einsatz ist nur alle zwei bis drei Jahre notwendig

Allgäu Automation beziffert die Trefferquote bei der Einzelbekämpfung von Ampfer mit 90 Prozent. An Spritzmittel würden nur noch etwa zehn Prozent der bei einer Flächenbehandlung üblicherweise applizierten Menge von 200 bis 400 l pro Hektar benötigt.

Dies kann Lemberger bestätigen, der den erworbenen RumboJet erstmals im September und Oktober 2021 einsetzte. „Beim Bekämpfungserfolg würde ich sogar von 95 Prozent sprechen. Nach der Überfahrt finde ich eigentlich fast keinen Ampfer ohne benetzte Blätter“, merkt der Landwirt an.

Das Unkraut komme wegen des enormen Samenvorrats zwar immer wieder zum Vorschein, aber man könne davon ausgehen, dass der Wiesennutzer nach einer Einzelpflanzenbehandlung für zwei oder auch drei Jahre seine Ruhe hat. Allerdings müssten dafür die Justiermöglichkeiten der Sensorspritze ausgeschöpft werden. So gelte es, bei den Voreinstellungen am Touch Display die Blattgröße des Ampfers zu beachten, um eine gute Abgrenzung zu anderen Pflanzen wie beispielsweise Löwenzahn zu erreichen. Im Herbst sei auf der Fläche liegendes Laub zu berücksichtigen. „Ich habe da mittlerweile einige Erfahrung gesammelt“, sagt Lemberger. Wenn alles gut vorbereitet und eingestellt ist, schaffe er etwa fünf Hektar in der Stunde.

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Eine Besonderheit der RUMEX-Ampferspritze sind die beweglich gelagerten Spritzbalken für eine bestmögliche Bodenanpassung.

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Brian Fragniere (l.) von Ecorobotix und Sebastian Henrichmann von der Agravis Technik Holding GmbH bei der Vorbereitung der Spotspraying-Anbaufeldspritze ARA für Tests auf der Agravis Future Farm.

Der erfolgreiche Einsatz seiner Neuanschaffung zur Wiesenpflege blieb bei den Nachbarbetrieben nicht unbemerkt. Es entwickelte sich eine Nachfrage. So zieht der RumboJet seither nicht nur auf den Wiesen von Helmut Lemberger seine Runden sondern auch auf insgesamt 200 Hektar Grünland anderer Landwirte im Umkreis.

Zu ihnen gehört Conny Fischer. Die Milchbäuerin bewirtschaftet 40 Hektar Grünland. Auf der Hälfte der Fläche gab sie eine Ampferbekämpfung mit der Sensorspritze in Auftrag. „Das hat super funktioniert. Es ging schnell. Die Wiesen waren sauber. Und das mit einem Bruchteil der Spritzmittelmenge, die wir früher einsetzen mussten“, zeigt sich Fischer mit dem Ergebnis zufrieden. Im folgenden Jahr bekämpfte sie mit dieser Methode den Ampfer auf der anderen Hälfte ihrer Fläche und kündigt an, den RumboJet auch zukünftig einzusetzen.

„Das Interesse an dieser Dienstleistung ist enorm“, bestätigt Lemberger. Es gebe mittlerweile mehr Anfragen, als voraussichtlich über die Saison zu bewältigen seien. Den Preis für die Ampferbekämpfung mit der Sensorspritze berechne er auf der Grundlage von Fläche und Spritzmittelverbrauch, in dem sich der Ampferdruck auf der jeweiligen Wiese widerspiegele.

2021 fertigte Allgäu Automation nach eigener Information 16 RumboJets, die eine Fläche von insgesamt 6.500 Hektar bearbeiteten. Im vergangenen Jahr wurden 20 weitere Seriengeräte ausgeliefert. „Den Preis von 42.400 Euro werden wir aber wegen der stark steigenden Energie- und Rohstoffpreise wohl nicht halten können“, vermutet Geschäftsführer Andreas Breher.

Derweil blicken die beiden Jungunternehmer bereits weiter. So tüfteln sie gegenwärtig an einer Verbesserung der Bildauswertungssoftware. Mit der Sensorspritze soll dann künftig auch eine punktuelle Bekämpfung bestimmter Korbblütler wie dem für Mensch und Tier giftigen Wasser-Kreuzkraut und Jakobs-Kreuzkraut möglich sein.

Die konkrete technische Umsetzung der Einzelpflanzenbehandlung durch die Firmengründer aus Oy-Mittelberg mag einmalig sein. Die Idee an sich ist es nicht. Auf Kameras und Bildauswertung mit künstlicher Intelligenz zur Steuerung der Spritzdüsen für die Ampferbekämpfung setzen auch andere Unternehmen. Zu ihnen gehört die ebenfalls im Allgäu ansässige RUMEX GmbH in Marktoberdorf. Die mit drei Kameras und 90 einzeln ansteuerbaren Düsen bestückte automatische Spritze wird am Frontkraftheber des Traktors befestigt. Die Arbeitsbreite beträgt sechs Meter. Eine Besonderheit der RUMEX-Ampferspritze, deren Name sich ebenfalls von der lateinischen Bezeichnung für Ampfer herleitet, sind die beweglich gelagerten und mit Tasträdern ausgestattten Spritzbalken. „Dies gewährleistet eine gute Bodenanpassung und damit eine gleichbleibende Spritzhöhe. Die äußeren Testräder erleichtern es dem Fahrer außerdem, anhand der Fahrspuren auf der Wiese die bereits bearbeiteten Bereiche zu erkennen“, erläutert dazu RUMEX-Geschäftsführer Michael Thier.

Eine weitere Entwicklung kameragestützter Systeme zur Einzelpflanzenbehandlung ist die Präzisionsfeldspritze ARA von der Schweizer Firma Ecorobotix. Das sechs Meter breite Spotspraying-Anbaugerät ist nicht nur für die selektive Ampferbekämpfung auf Dauergrünland mittels Herbiziden konzipiert, sondern soll sich mit den 165 einzeln schaltbaren Düsen ebenso für die zielgerichtete Applikation von Nutzpflanzen mit Fungiziden und Insektiziden eignen. „Bis zu 90 Prozent der sonst üblichen Menge an Pflanzenschutzmitteln lassen sich damit einsparen“, sagt Sebastian Henrichmann vom Vertriebspartner Agravis.

SCHNELL GELESEN

■ Ampfer mindert den Futterwert von Grünland. Die flächige Ausbringung spezieller Pflanzenschutzmittel mit herkömmlicher Spritztechnik verursacht hohe Kosten, mindert den Gesamtertrag von Wiesen und ist teilweise verboten. Junge Unternehmen entwickeln als Alternative kameragesteuerte Spritzen, die das hartnäckige Unkraut selektiv und daher mit einem Bruchteil der Herbizidmenge bekämpfen. Die Technik ist mittlerweile ausgereift. Da ein Einsatz nur alle zwei bis drei Jahre notwendig ist, rechnen sich die smarten Maschinen aber nur, wenn mehrere Betriebe sie nutzen, etwa als Dienstleistung, oder wenn sie zusätzlich zur Einzelpflanzenbehandlung im Feldbau angewendet werden.

Woru


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