Megatrend Agrar gewinnt nochmals an Schwung

Die Nachwehen der Corona-Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigen massive Auswirkungen. Wie die gesamte globale Wirtschaft steht auch die Landtechnikbranche vor einer Zeitenwende. Im Gegensatz zu vielen anderen Sparten dürfte sie aber als Gewinner der Veränderungen hervorgehen.

Internationale Landmaschinenindustrie: Megatrend Agrar gewinnt nochmals an Schwung

Ist Indien bald das neue China? Die indische Landmaschinenindustrie brummt – auch im Export erobert man Marktanteile.

„Die besten Jahre kommen erst noch“, kommentierte John C. May die jüngsten Quartalszahlen von Deere & Co. Und damit meinte der Chef des größten Landtechnikherstellers der Welt nicht nur das Unternehmen, das er selbst führt, sondern auch die Aussichten der gesamten Branche. Tatsächlich zeigten die Neun-Monats-Zahlen und die Prognosen für das Gesamtjahr 2022 der großen, börsennotierten Landtechnikfirmen, dass es in diesem Krisenjahr weiter bergauf ging. Auch für 2023 rechnen die Landtechniker mit stabilen bis steigenden Umsätzen.

Die Parameter, nach denen die Unternehmen ihre Beschaffung, Produktion und ihren Absatz künftig ausrichten müssen, haben sich allerdings in den vergangenen elf Monaten noch einmal immens geändert. Noch sind die Lieferkettenprobleme, vor allem durch die Lockdown-Politik Chinas verstärkt, nicht behoben. Zu sehr hatten die meisten Hersteller auf einen immer lieferfähigen und günstigen Produktionsstandort in Fernost mit zuverlässiger Transportlogistik gesetzt und sich damit vom Geschehen in der kommunistischen Volksrepublik abhängig gemacht. Wie schnell und kreativ auch vermeintlich behäbige Großkonzerne dann auf die Strukturänderungen reagierten, hatten viele Marktbeobachter allerdings auch nicht für möglich gehalten.

Abkehr von der China-Strategie

Die anhaltende Lockdown-Politik Pekings, die inzwischen schon dafür gesorgt hat, dass das jahrzehntelange Wirtschaftswachstum im Reich der Mitte annähernd zum Stillstand gekommen ist, schiebt nun die Restrukturierung der vor allem westlichen Landtechnikproduzenten inklusive Japans weiter an. Man sucht sich andere günstige Produktionsstandorte wie Indien und Vietnam oder besinnt sich auf lange bestehende Kooperationen in Niedriglohnländern, die während des jetzt abgeflauten China-Booms vernachlässigt wurden. Ein Beispiel dafür ist die Türkei, wo auch Autohersteller wie Mercedes, Ford oder Fiat schon lange eigene Fertigungen haben, allerdings hauptsächlich für Transporter oder Low-Tech-Automobile. Mehr als 80 Prozent Inflation und eine unberechenbare Politik der Regierung Erdogan sprechen eigentlich nicht für Investments in das Land westlich und östlich des Bosporus, auch die Börse des Landes gehört nicht zu den Gewinnern. Doch zuletzt ist der Aktienkurs von Turk Traktor überraschend und deutlich angesprungen. Grund: Analysten rechnen mit mehr Aufträgen, denn der Case-IH Mutterkonzern CNH ist an einem Werk der Türken zu 37,5 Prozent beteiligt und fertigt dort Farmall A Traktoren. Auch Case Baumaschinen oder New Holland Schlepper made in Turkey, die ebenfalls Turk Traktor fertigt, haben wieder an Export-Chancen, vor allem Richtung Entwicklungs- und Schwellenländer, gewonnen.

Ein deutliches Zeichen für die Strategiewende und die Abkehr von China vollzieht CNH Industrial zum Jahresende. Der Konzern wird den Vertrieb von Baumaschinen in China vollständig einstellen. 2021 beliefen sich die CNH-Umsätze mit Baumaschinen in China noch auf etwa 88 Millionen US-Dollar. Alle anderen bestehenden Aktivitäten von CNH in China sollen zwar von dieser Entscheidung nicht betroffen sein, schließlich hat CNH seit 2001 ein Joint Venture mit der chinesischen SAIC, die zuvor unter der Marke Shanghai Traktoren produzierte und seither die Modelle unter den Marken SNH und New Holland verkauft. Und auf der China Dairy Exhibition im Oktober stellten sie einen neuen Feldhäcksler made in China vor. Doch wie weit CNH künftig noch neueste Technologien ins Reich der Mitte transferieren wird, darüber hat sich das Headquarter in London nicht geäußert. Denn mehr und mehr wird klar, dass die Regierung in Peking einen „China first“-Kurs fährt und auch vor Verstaatlichungen nicht zurückschrecken wird, selbst wenn westliche Partnerunternehmen davon betroffen wären.

Auch beim US-amerikanischen Agco-Konzern, der in der Vergangenheit große Summen in den Ausbau der Fertigung in China investierte, scheint die einstige Begeisterung in Sachen Fernost einem Misstrauen gewichen zu sein. Meldungen zu Erfolgen im Reich der Mitte waren in den Geschäftsberichten aus Duluth in Georgia schon länger nicht mehr zu lesen. Und Agco-Chef Eric Hansotia war bei einem Interview Ende August zum Thema China nicht mehr zu entlocken als der Satz „da machen wir weiter, das läuft schon“. Branchenprimus Deere & Co wird sich zwar sicher nicht aus China zurückziehen, wo in Joint Ventures vor allem Traktoren der unteren PS-Klasse und einfache Mähdrescher in Grün-Gelb gefertigt werden. Das Potenzial des riesigen Marktes China ist einfach zu groß, um darauf verzichten zu können. Doch die im Oktober verkündete Entscheidung, Baumwoll-Ernter statt in China künftig wieder komplett in einem Werk in Louisiana zu bauen, darf als Signal von Deere gewertet werden, entstandene Abhängigkeiten zu reduzieren.

Problemfall Russland

Die andere große Wende für die Landtechniker nach China hat Russlands Präsident Wladimir Putin mit seinem im Februar gestarteten Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöst. Und je länger der Krieg andauert, umso mehr wird deutlich, dass ausgerechnet das riesige Agrarland Russland mit seinem gewaltigen Potenzial für die Modernisierung der Landtechnik, seiner Bedeutung als wichtiger Nahrungslieferant in der Welt, für viele Jahre als wichtiger Käufer ausfallen wird. Schon die westlichen Sanktionen auf den Überfall auf die Krim 2014 hatten in Russland die Investitionen in moderne Landtechnik deutlich gebremst. Putin hatte nämlich mit hohen Einfuhrzöllen auf westliche Produkte reagiert und gehofft, die heimischen Hersteller könnten die Nachfrage der Landwirte ausgleichen. Doch die zeigten weniger Interesse als erwartet an technisch veraltetem und wenig zuverlässigem Gerät von Tichwin, Petra-ZST oder Baltijez, auch Rotselmash aus Weißrussland konnte wenig profitieren.

Entsprechend der Nachfrage fingen westliche Hersteller wie John Deere an, eigene Produktionen in Russland aufzubauen, um die hohen Zölle zu umgehen. Claas hat schon seit 2005 im russischen Krasnodar ein eigenes Werk und baute es vor sieben Jahren für 120 Millionen Euro aus. Seitdem hatte sich die Produktion von Mähdreschern in dem Werk vervierfacht. Doch seit Februar hat sich die Situation dramatisch verschärft. Nicht nur die westlichen Autohersteller verabschiedeten sich von ihren russischen Investitionen und Produktionen. Dass die Landtechnikhersteller nicht auch gleich alle Verbindungen in Putins Autokratie kappten, ist der Tatsache geschuldet, dass auch der Westen kein Interesse hat, Russlands Landwirtschaft als bedeutenden Nahrungslieferanten für viele Länder der Welt lahmzulegen.

Gratwanderung für Lieferanten

Welche Gratwanderung für in Russland montierende Unternehmen wie Claas oder Deere damit verbunden ist, zeigt sich aktuell an den Vorwürfen der Wochenzeitung „Zeit“, die Harsewinkler würden seit Monaten Ausfuhrbeschränkungen umgehen, um ihre Produktion in Krasnodar wieder anlaufen zu lassen. Konkret geht es um Waren, die sanktioniert sind, weil sie Russlands Wirtschaft nützen und Teile, die in Kriegsgerät verbaut werden können. Bei Claas sollen das unter anderem Hydraulik-Zylinder sein. In einem Schreiben an den Westdeutschen Rundfunk WDR teilte das Unternehmen mit, dass die Sanktionspakete der EU ausdrücklich Ausnahmen enthielten. Demnach sei der Export von Mähdreschern und Bausätzen ausgenommen. Trotzdem hat Claas die betroffenen Lieferungen vorerst gestoppt, um sie noch einmal Prüfungen zu unterziehen. Für den vom WDR befragten Juristen und Sanktions-Experten Viktor Winkler ist die Frage der Rechtmäßigkeit nicht eindeutig zu beantworten: „Ich darf ganzheitlich noch etwas liefern, das ist der Mähdrescher, aber darf ich die Einzelteile liefern? Und besonders problematisch wird es dann, wenn ich, so formuliert es ja die ,Zeit‘, diese Teile in anderen verstecke.“

Auch andere Landtechnik-Unternehmen liefern offensichtlich noch Teile nach Russland. So hob Ekotechnika, größter Händler internationaler Landtechnik von Karelien bis Kamtschatka und geleitet vom Deutschen Stefan Dürr, jüngst sogar seine Umsatzerwartungen an. 2022 sollen es statt 200 bis 230 Millionen nun 230 bis 240 Millionen Euro werden. Die positive Entwicklung trotz der Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts sei auf die zu Beginn des Lieferstopps der beiden Ekotechnika-Hauptlieferanten John Deere sowie JCB aus Großbritannien noch vorhandenen großen Bestände an Neumaschinen und das „stabile Ersatzteilgeschäft“ zurückzuführen. Weiter heißt es in der Meldung: „Allerdings konnten erste neue Lieferanten gewonnen werden, die sich den Lieferstopps nicht angeschlossen haben. Im Ersatzteilbereich ergeben sich durch den Rückzug einiger großer Hersteller weitere Chancen.“ Insbesondere im Bereich alternativer Ersatzteile, auch aus russischer Produktion, sehe Ekotechnika großes Potenzial. 

Welche Rolle ehemalige Sowjet-Republiken wie Kasachstan oder Aserbaidschan bei der Versorgung von Russlands Landwirten mit westlicher Agrartechnik spielen, ist schwer einschätzbar. Medienberichte, nach denen Russlands asiatische Nachbarstaaten auffällig mehr Maschinen und Ersatzteile als in den Vorjahren im Westen ordern, die dann den Sanktionen zum Trotz ihren Weg in Putins Reich finden, lassen sich bis jetzt jedenfalls nicht belegen. Und westliche Geheimdienste, die sicher bessere Informationen haben, sollen durchaus nach der Strategie verfahren: Lieber ein paar Technikteile für Mähdrescher oder Traktoren, die dann in russischen Panzern landen, als Hunger-Revolten in instabilen Weltregionen wie Afrika, die Russland oder China zum Ausbau ihrer Macht ausnutzen könnten.

Internationale Landmaschinenindustrie: Megatrend Agrar gewinnt nochmals an Schwung

Die russischen Hersteller allein können die Nachfrage der heimischen Landwirte nicht befriedigen.

Indien, das bessere China

Angesichts der geopolitischen Zeitenwende kommt Indien, dem Land mit der zweitgrößten Bevölkerung der Erde, nun eine neue und gewichtigere Rolle zu. Die Regierung in Delhi agiert geschickt zwischen den neuen Blöcken von Russland und China einerseits und Europa und den USA auf der anderen Seite. Den Herstellern von Agrartechnik bietet das Land für Investitionen vor Ort wie auch dem Export dorthin gleich zwei Vorteile: Indien hat immensen Nachholbedarf bei der Mechanisierung seiner Landwirtschaft. Und es ist eine funktionierende Demokratie und bietet trotz aller bürokratischen Hürden einen funktionierenden Rechtsstaat. Abhishek Bhagat, Direktor der Investmentbank JM Financial und zuständig für Technologie und Digitalisierung, erklärte Ende November auf einer Expertentagung, dass seine Bank den boomenden indischen Markt für Agrartechnik auf 25 Milliarden US-Dollar im Jahr 2025 wachsen sieht. Wichtigster Treiber sei dabei die Digitalisierung, mit der die Verbindung zwischen den Bedürfnissen der einfachen Landwirte, den Agrarhändlern und den Absatzmärkten gelingen könne.

Indien fährt dabei eine Doppelstrategie. Zum einen erzielen die heimischen Technikhersteller wie Mahindra oder Tafe durch die Erweiterung ihrer Produktpaletten – zu den Traktoren kommen immer mehr Anbaugeräte für Saat oder Ernte – beachtliche Umsatzsteigerungen. Das ist ihnen in diesem Jahr auch deshalb gelungen, weil viele ihrer Maschinen noch weitgehend ohne Halbleiter auskommen, deren Mangel in den westlichen Industrieländern Produktionen stillgelegt oder verzögert hat. Gleichzeitig erkennen immer mehr Unternehmen aus dem riesigen indischen Software-Sektor den Agrarbereich als attraktives Geschäftsfeld. Durch die Vernetzung von Daten wie denen der Wetterdienste mit den Erfahrungen der Landwirte vor Ort soll Indiens Agrarwirtschaft auch besser auf die Veränderung der klimatischen Bedingungen, von Hitzewellen und Dürren oder Überschwemmungen bis zu den Folgen von zunehmenden Waldrodungen, umgehen können.

Hochtechnologie auf der einen Seite trifft also auf einfache Mechanisierung auf der anderen Seite. Die Landwirtschaft auf dem Subkontinent ist ein 350 Milliarden Dollar schwerer Sektor, doch so lange Landwirte Schwierigkeiten haben, Betriebsmittel zu beschaffen, Abnehmer für ihre Erzeugnisse zu finden und ihre Flächen nachhaltig zu bewirtschaften, sind die Herausforderungen nicht zu bewältigen. Großkonzerne wie Reliance und die Adani Group bieten den Landwirten zwar einige Dienstleistungen an, doch ihr Engagement im Agrarsektor bleibt weitgehend begrenzt.

Anders als in China mit seinem Fünf-Jahres-Plan der kommunistischen Partei setzt die indische Politik aber auf den privaten Sektor als flexiblen Modernisierer. Banker Abhishek Bhagat ist deshalb gerne bereit, in aufstrebende Start-ups im Agrarbereich zu investieren. Was er bei den vielen App-Entwicklern und Digitalfirmen allerdings noch vermisst, ist ein heimisches „Einhorn“, ein Unternehmen also, das etwa Technologieführerschaft im Precision Farming übernehmen könnte. Denn noch führen hier Produkte aus den USA oder Europa.

Aber mit dem Start-up DeHaat könnte sich das ändern. DeHaat nutzt künstliche Intelligenz, um 1,5 Millionen Landwirten in elf Bundesstaaten, 110.000 Dörfern und mehr als 150 Provinzen in Indien zu helfen, Rohstoffe zu beschaffen, Beratungs- und Kreditservices zu finden und Ernten zu verkaufen. Bereits über 2.000 landwirtschaftliche Institutionen sind an Bord geholt, darunter Rohstoffhersteller, Lebensmittel- und Konsumgüterriesen, Banken und Versicherungsunternehmen. Es arbeitet mit über 10.000 Kleinstunternehmern zusammen, die dem Start-up helfen, ein Labyrinth von Lieferketten auf der letzten Meile zu betreiben. Geldgeber des auf einen Wert von 700 Millionen Dollar geschätzten Unternehmens, das in zwei Jahren schwarze Zahlen schreiben will, sind unter anderen Sofina Ventures aus Belgien und Temasek, die Investmentholding der Regierung aus Singapur.

Digitalisierte Maschinen

In den entwickelten Agrarmärkten Europas und Nordamerikas haben die Mittlerrolle zwischen Landwirten und Abnehmern, die in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern noch fehlt oder schlecht ausgebildet ist, meist Genossenschaften oder Unternehmen wie die Baywa besetzt. Hier geht es in der Landtechnik auch um Digitalisierung, aber meist in direkter Verbindung mit den Maschinen. Entsprechend haben sich die Hersteller schon seit Jahren durch die Übernahme von Start-ups verstärkt. Und die Entwicklung wird noch weitergehen. So verkündete etwa John-Deere-Boss John C.May bei der Vorstellung des jüngsten Geschäftsberichtes: „Wir verpflichten uns, eine völlig autonome und automatisierte Lösung für Mais und Soja in den USA anzubieten.“ Bis 2030 will Deere das schaffen. Angesichts der Schwierigkeiten von Farmern und Bauern, geeignetes Personal zu finden, eine absolut notwendige Entwicklung.

Die Einbindung von Smart Farming-Lösungen in ihre Maschinen wird den Landtechnikern künftig auch wachsende zusätzliche Umsätze und Gewinne generieren. Der Anfang Dezember veröffentlichte Report „Global Smart Plantation Management Systems Industry“ sieht allein das Marktvolumen der smarten Branche bis 2027 auf rund sieben Milliarden US-Dollar jährlich steigen. Die Wachstumsrate für den Bereich Hardware beziffert der Report auf 4,1 Prozent pro Jahr, der Software-Bereich soll sogar um 4,9 Prozent im Jahresschnitt zulegen. Als dauerhaft größten Markt haben die Experten die USA ausgemacht, China soll bis 2027 aber schon auf Platz zwei der Nachfrager von Smart Farming-Technologien stehen, gefolgt von Japan und Kanada, Europa kommt erst danach. Interessant ist auch, dass der Report unter wichtigen Unternehmen des Bereichs neben Deere und hierzulande wenig bekannten US-Unternehmen wie Cropmetrics oder Hidrosoph auch Robert Bosch (Nevonex) nennt.

Megatrend Agrar ist intakt

Der renommierte Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx geht in dem „Zukunftsreport 2023“ seines Instituts auch darauf ein, dass wir gerade bei den in den letzten Jahren als Megatrends definierten Branchen verstärkt durch die Energiekrise und die russische Aggression wohl auch schwere Brüche erleben werden und nennt als Beispiel die Gewinneinbrüche bei den großen Techfirmen wie Meta (Facebook), Apple oder Google. Der Mega-trend Agrar allerdings hat durch die neuen Parameter sogar an Schwung gewonnen, etwa durch die gestiegenen Agrarrohstoffpreise, die die Bedeutung der Landwirtschaft für die Volkswirtschaften wieder sichtbar gemacht haben.

Allen Krisen, Unsicherheiten und Risiken zum Trotz dürfte es also auch 2023 mit der Landtechnik weiter bergauf gehen. Mit dieser sicheren Überzeugung als Basis ist es wohl auch zu begründen, warum ausgerechnet zwei deutsche Top-Manager aus dem Agrarbereich zuletzt massiv öffentliche Kritik an der Wirtschaftspolitik der Ampel-Regierung in Berlin geübt haben. Ihr Zorn trifft allerdings nicht Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, der zuletzt ohnehin nur durch Widerstand gegen die nachhaltige Nutzung von Wildtierressourcen in Afrika oder Tipps für veganes Weihnachtsessen auffiel, sondern seinen grünen Parteifreund Robert Habeck: „Die Ampel ruiniert unser Land“, schimpfte etwa BayWa-Chef Klaus Josef Lutz über die Energiepolitik des Wirtschaftsministers, die auch die für die Landwirte wichtigen erneuerbaren Energien wie Biogas benachteiligt. Und Martin Richenhagen, langjähriger Chef von AGCO, legte bei „n.tv“ gegen Habeck und dessen Verurteilung der neuen US-amerikanischen Subventionen für erneuerbare Energien nach, weil Habeck das längst in Deutschland hätte tun sollen. Richenhagen: „Was er bis jetzt bringt für die Wirtschaft (in Deutschland, Red.) ist eine große Katastrophe.“

Mit seinen Prognosen für die Politik wie die Landtechnikmärkte lag Richenhagen in der Vergangenheit jedenfalls meist richtig. So hatte er im Jahr 2020 zu seinem Abschied als Vorstandschef erklärt: „Die besten Tage für AGCO kommen erst noch.“ Wenn jetzt Deere-Boss John C. May mit seiner optimistischen Einschätzung für die Entwicklung der Landtechnikindustrie ziemlich identisch klingt, ist das doch ein gutes Zeichen.

Internationale Landmaschinenindustrie: Megatrend Agrar gewinnt nochmals an Schwung

Der Autor – Carl Batisweiler

ist leitender Redakteur im FinanzenVerlag (Börsenmedien AG), der €uro am Sonntag, Börse Online und das Magazin €uro herausgibt. Er beschäftigt sich seit rund 25 Jahren mit den Agrarmärkten sowie den an ihnen beteiligten börsennotierten Unternehmen. 

Landtechnik-Aktien – Besser abgeschnitten als andere Branchen

Die Aktien der börsennotierten Landtechnik-Unternehmen konnten sich den Auswirkungen der Corona- Pandemie, Energiepreiskrise und Inflation 2022 nicht ganz entziehen. Doch wer statt auf den breiten Aktienmarkt nur auf Agrartechnik setzte, kann sich nun zu den Gewinnern zählen. Auch die Aussichten der Branche für kommendes Jahr sind gut.

Informationen – Was bedeuten die Empfehlungen?

Bei „Halten“ ist eine Entwicklung des Aktienkurses nahe der allgemeinen Entwicklung der Aktienmärkte zu erwarten.
Bei „Kaufen“ wird eine überproportionale Steigerung des Aktienkurses zu den breiten Aktienindizes erwartet.
„Zielkurs“ ist der Kurs, den die Aktie nach Analysten und anderen Experten auf Sicht von zwölf Monaten erreichen sollte.
„Verkaufen“: Der Kurs der Aktie wird sich schlechter als der breite Markt und nach unten entwickeln.
„Stoppkurs“: Damit sichern sich Anleger gegen allzu große Verluste ab. Fällt der Kurs auf oder unter die Marke, ist eine Neubetrachtung der Wertpapieranalyse notwendig, ein Verkauf meist geboten.
„ISIN“: Nummer des Wertpapiers für den Handel an der Börse.
Aktuelle Informationen im Internet unter www.finanzen.net.
Eine Haftung wird nicht übernommen.
Die Informationen stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
Kursstand 12.12.2022, 10.00 Uhr

Deere & Co (John Deere)

Der globale Platzhirsch unter den Landtechnik-Konzernen hat auch 2022 seine Vormachtstellung in der Branche wieder verteidigt. Mit gut 30 Prozent Kursgewinn liegt die Aktie auf Zwölf-Monats-Sicht im Plus – und ist mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von 15,8 für 2023 immer noch nicht teuer. Auf 27,91 US-Dollar je Aktie schätzen die Analysten kommendes Jahr den Gewinn. Das ist wohl nicht übertrieben, denn allein von August bis Oktober schaffte Deere einen Umsatz von 37 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Weil Deere ein verschobenes Geschäftsjahr hat, das schon im Herbst endet, standen im Gesamtzeitraum ein Umsatz von 52,58 Milliarden US-Dollar und ein Überschuss von 7,13 Milliarden Dollar zu Buche. Weil es Deere gelang, bei den großen Maschinen und im Bereich Smart Farming die inflationsbedingten Kostensteigerungen schnell an die Kunden weiterzugeben, waren diese Sparten besonders profitabel. Aber auch die Ausweitung des Produktangebots auf Straßenbaumaschinen durch den Kauf der deutschen Wirtgen Group vor einigen Jahren zahlt sich aus, weil die Investitionen in Infrastruktur weiter steigen. Rund 2.400 Prozent Kursplus seit 1998, gut 225 Prozent auf Sicht von fünf Jahren bei gleichzeitig guter Dividendenpolitik sprechen für sich. Der springende Hirsch gehört in jedes Landtechnik-Depot.

ISIN: US2441991054
Kurs: 412,25 Euro
Stopp: 360,00 Euro
Ziel: 445,00 Euro

Internationale Landmaschinenindustrie: Megatrend Agrar gewinnt nochmals an Schwung

Agco (Fendt, Massey Ferguson, Valtra, Challenger)

In Sachen Umsatzplus kann Agco 2022 – im dritten Quartal waren es mit 3,1 Milliarden US-Dollar und damit 14,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum – nicht mit den Wettbewerbern Deere und CNH mithalten. Doch der US-Konzern mit seiner deutschen Hightech-Marke Fendt ist auch ein reiner Landtechnik-Hersteller ohne Baumaschinensparte, Forstgeräte oder Gartentechnik. Zudem spielen hier die ungünstigen Währungseffekte eine deutliche Rolle, schließlich produziert Agco nicht nur mit Fendt, sondern auch mit den Mähdreschern in Italien sowie Massey Ferguson in Frankreich im Euro-Raum. Währungsbereinigt wäre der Umsatz um gut 26 Prozent gestiegen. Und das Ergebnis je Aktie für die drei Monate Juli, August und September kann sich deshalb wirklich sehen lassen: 3,18 Dollar nach 2,41 Dollar im Vorjahreszeitraum. Während die Umsätze des Gesamtkonzerns in Europa kaum stiegen, weisen Nordamerika mit plus 18,5 Prozent und Südamerika mit plus 60 Prozent auf Neun-Monats-Sicht deutliche Verbesserungen auf. Weil die Strategie, die margenstarken Fendt-Schlepper verstärkt in Übersee wie Australien, Nord- und Südamerka besonders Großlandwirten anzubieten, funktioniert, hat die Agco-Aktie angesichts der akuellen Bewertung, ein KGV von knapp 11 bei einer Dividendenrendite von vier Prozent, noch großes Potenzial. Kaufen.

ISIN: US0010841023
Kurs: 126,68 Euro
Stopp: 95,00 Euro
Zielkurs: 150 Euro

Internationale Landmaschinenindustrie: Megatrend Agrar gewinnt nochmals an Schwung

CNH Industrial (Case IH, New Holland, Steyr)

Unerwartet gut hat sich der Aktienkurs von CNH Industrial im Jahr 2022 entwickelt. Vergangene Woche stand ein Zwölf-Monats-Plus von mehr als elf Prozent zu Buche. Dabei hatte der aus dem Fiat-Imperium entstandene Konzern seine Lkw- und Motorensparte FPT zum Jahreswechsel unter der Führung des deutschen Chefs Gerrit Marx als Iveco Group gesondert an die Börse gebracht. Zum einen fiel der fällige Kursabschlag geringer aus, als ihn Analysten geschätzt hatten, zum anderen hält CNH (Offroad: Landtechnik und Baumaschinen) noch große Anteile an der Onroad-Sparte Iveco – und deren Aktienkurs hatte sich im Tief halbiert, liegt immer noch gut 40 Prozent unter ihrer Startnotierung. Die Geschäfte von CNH laufen jedenfalls gut, die Landtechnik meldete für Ende September ein Umsatzplus gegenüber dem Vorjahresquartal von 26 Prozent auf 4,5 Milliarden US-Dollar, hauptsächlich getrieben von den Märkten in Nord- und Südamerika. Die Baumaschinensparte legte in diesem Zeitraum ein Plus von 16 Prozent auf 895 Millionen Dollar vor. Für 2023 prognostiziert CNH ein Umsatzwachstum von 16 bis 18 Prozent. Da der Konzern aber bei der Gewinnentwicklung schon über den Schätzungen der Analysten lag, gleichzeitig noch weit unter den Margen der Wettbewerber liegt, sind positive Überraschungen 2023 nicht unwahrscheinlich. Mutige Anleger steigen ein.

ISIN: NL0010545661
Kurs: 14,88 Euro
Stopp: 11,50 Euro
Zielkurs: 18,00 Euro

Internationale Landmaschinenindustrie: Megatrend Agrar gewinnt nochmals an Schwung

Bucher Industries (Kuhn Group)

Während sich viele Unternehmen aus der Schweiz im internationalen Vergleich erstaunlich resistent gegen die Herausforderungen wie Inflation oder Lieferkettenprobleme zeigen, traf dies Bucher Industries wegen seiner internationalen Aufstellung mit Werken in Frankreich, Deutschland oder Amerika durchaus. In der wichtigen Bucher-Sparte Landtechnik vermeldete die Kuhn Group im dritten Quartal eine leichte Abschwächung beim Verkauf an die Landwirte. Ausgedehnte Trockenheit in Teilen Europas sowie Nord- und Südamerika, begleitet von gestiegenen Düngerkosten und Zinsen, werden dafür verantwortlich gemacht. In den ersten neun Monaten 2022 verzeichnete Kuhn dennoch ein Umsatzplus von rund 14 Prozent auf 1,14 Milliarden Franken, dazu kommt ein Auftragsbestand von gut einer Milliarde Franken (plus 21 Prozent). Die anderen Bucher-Sparten – Emhart Glass, Hydraulics sowie Municipal (Kehrmaschinen, Müllfahrzeuge) – entwickelten sich unterschiedlich, der Gesamtkonzern lieferte bis Ende September ein Umsatzplus von elf Prozent und steigerte den Auftragsbestand um gut 27 Prozent. Analysten erwarten für 2023 ein niedrigeres Ergebnis je Aktie als dieses Jahr, ein Investment drängt sich deshalb derzeit bei den Schweizern nicht auf. Beobachten.

ISIN: CH0002432174
Kurs: 392,60 Euro
Stopp: 325,00 Euro
Ziel: 410,00 Euro

Internationale Landmaschinenindustrie: Megatrend Agrar gewinnt nochmals an Schwung

Wacker Neuson (Weidemann, Kramer)

Nur wenige Werte mit Bezug zur Landtechnik sind von den Börsianern in diesem Jahr wegen anfangs revidierter Prognosen so hart abgestraft worden wie die Münchner. Im Tief hatte sich der Kurs auf 12-Monats-Sicht halbiert, aktuell notiert die Aktie noch immer um mehr als ein Drittel unter dem Wert von Dezember 2021. Dabei waren die Zahlen zum dritten Quartal 2022 durchaus positiv. So berichtete Wacker-CEO Karl Tragl für den Umsatz der Landmaschinen, die unter den Marken Kramer und Weidemann verkauft werden, ein Plus von 25,5 Prozent auf 318 Millionen Euro in den zurückliegenden neun Monaten. Der Gesamtumsatz von Baumaschinen und Landtechnik stieg in dieser Zeit zum Vorjahresvergleich um 13 Prozent auf 1,24 Milliarden Euro. Neben dem Hauptmarkt Deutschland sorgten auch die großen europäischen Baumaschinenmärkte Frankreich und Großbritannien für zweistelliges Umsatzwachstum. In der Region Amerikas (Nord und Süd) hielt der positive Umsatztrend der ersten Jahreshälfte an, mit 333 Millionen Euro wurde ein Plus von 37,2 Prozent erwirtschaftet. Die Auftragslage hat sich ebenfalls verbessert und reicht weit über die erste Jahreshälfte 2023 hinaus. Die erhöhte Vorratshaltung und schwierige Beschaffung belasten allerdings noch die Gewinne. Bei einem KGV für 2023 von 8,5 ist die Aktie sehr günstig, eine Dividendenrendite von 5,3 Prozent macht sie zusätzlich attraktiv. Zuletzt sprachen sich vier Analysten für einen Kauf des Papiers aus, ihr durchschnittliches Kursziel liegt bei 26,75 Euro.

ISIN: DE000WACK012
Kurs: 17,41 Euro
Stopp: 13,00 Euro
Zielkurs: 29,50 Euro

Internationale Landmaschinenindustrie: Megatrend Agrar gewinnt nochmals an Schwung

Kubota (Kubota, Kverneland, Escorts)

Der japanische Hersteller von Landtechnik, Baumaschinen, Motoren und Anlagen für die Wasserwirtschaft hat in diesem Jahr seine Beteiligung an dem indischen Traktorhersteller Escorts deutlich erhöht, weil er verstärkt auf den Markt des Subkontinents setzt und von dort aus auch mit den einfachen Maschinen in weiteren Schwellenländern wachsen will. Hätte man vor drei Jahren Aktien von Escorts-Kubota gekauft, wäre vergangene Woche ein Plus von rund 290 Prozent angestanden. Mit der Aktie des Mutterkonzerns hätte ein Anleger in dieser Zeit nichts verdient, binnen einem Jahr machte er sogar ein Minus von fast 30 Prozent. Ungünstige Währungsverhältnisse zum wichtigen US-Markt, den Kubota vor allem mit dort gebauten kleineren Traktoren bedient, dazu noch immens gestiegene Transport- und Energiekosten belasteten die Ergebnisse der Japaner zusätzlich. Im dritten Quartal dieses Jahres stieg der Umsatz – bei etwa gleich gebliebenem Gewinn – allerdings um fast 30 Prozent zum Vorjahresviertel, was für 2023 hoffen lässt. Nachdem viele Großinvestitionen, zum Beispiel in das Werk in Frankreich, fast abgeschlossen sind, ist ein Gewinnsprung in der ersten Hälfte 2023 gut möglich. Immerhin ist das Kubota-Papier mit einem KGV von knapp 12 und einer Dividendenrendite von 2,4 Prozent nun günstig, ein Einstieg könnte lohnen.

ISIN: JP3266400005
Kurs: 13,82 Euro
Stopp: 12,00 Euro
Zielkurs: 20,00 Euro

Internationale Landmaschinenindustrie: Megatrend Agrar gewinnt nochmals an Schwung

Mahindra & Mahindra

Ein Kursplus von 50 Prozent in einem Jahr, auf drei Jahre zog die Notierung um fast 120 Prozent an – wer auf die Aktien des indischen Multi-Konzerns mit starker Landtechniksparte gesetzt hatte, dürfte zufrieden sein. Indiens Wirtschaft wuchs 2022 um mehr als acht Prozent, eine ähnliche Rate wird für das kommende Jahr erwartet. Es ist davon auszugehen, dass die Landwirtschaft , immerhin fast die Hälfte der indischen Bevölkerung arbeitet im landwirtschaftlichen Sektor, angesichts der weltweit nach wie vor hohen Preise für Agrarrohstoffe davon überproportional profitieren wird. Einen Vorgeschmack dazu lieferten die Zahlen von Mahindras Automobil- und Landtechniksparte zum zurückliegenden Quartal. Spartenchef Rajesh Jejurikar verkündete ein Gewinnplus von 46 Prozent zum Vorjahreszeitraum, die Margen liegen bei gut zwölf Prozent. Vor allem der Agrarsektor konnte die durch Überschwemmungen oder Dürre verursachten Absatzdellen des Vorjahres mehr als wettmachen und fuhr sein zweitbestes Quratalsumsatzergebnis überhaupt ein. Jejurikar führt das auch auf die Einführung neuer Modellreihen etwa bei Traktoren und dem Ausbau der Erntetechnik zurück. Das Kurs/Gewinn-Verhältnis ist mit 17,8 für einen Wachstumswert nicht zu hoch. Kaufen.

ISIN: USY541641194
Kurs: 14,30 Euro
Stopp: 9,50 Euro
Zielkurs: 17,50 Euro

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