Energiebranche kämpft mit Herausforderungen

Angesichts der aktuellen Energiepreis- und -versorgungskrise hätte die Messe EnergyDecentral in Hannover zur Schau der Hoffnungsträger werden können. Aber wieder einmal gibt es große und kleine Damoklesschwerter, die über der Branche hängen. Fest steht nur: Erzeugung und Vermarktung werden immer vielseitiger.

EnergyDecentral: Energiebranche kämpft mit Herausforderungen

Auf der EnergyDecentral, die parallel zur EuroTier stattfand, diskutierten die Besucher die Zukunft der Bioenergie.

EnergyDecentral: Energiebranche kämpft mit Herausforderungen

Mit rund 240 Ausstellern in überwiegend einer Halle war die Messe EnergyDecentral auch im Jahr 2022 wieder nur die kleine Schwester der EuroTier in Hannover, bei der über 1.800 Unternehmen in 13 Hallen vertreten waren. Dennoch strömten viele Besucher in die Halle 25, um sich über neue Geschäftsmodelle oder Komponenten zur Optimierung der eigenen Anlage zu informieren.

Biogas: Erlösabschöpfung bedroht Branche

Traditionell beherrschen Firmen aus dem Bereich Biogas die vor allem von Landwirten besuchte Energiemesse. Aber es sind längst nicht mehr nur die klassischen Anlagenhersteller, die hier vertreten sind.

Noch produzieren die meisten Anlagen mit Blockheizkraftwerken (BHKW) Strom und Wärme und erhalten dafür die Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). In diesem Jahr ganz klar beherrschend auf den Ständen war die Angst der Anlagenbetreiber und der Firmen vor der geplanten Erlösabschöpfung. Denn die Bundesregierung will im Rahmen der Strompreisbremse rückwirkend ab September Erlöse bei erneuerbaren Energien abschöpfen, die oberhalb der EEG-Vergütung plus einem Puffer von 6 ct/kWh liegen. Bekommt eine Anlage beispielsweise nach dem EEG 20 ct/kWh, soll sie demnach Erlöse zurückzahlen, die die Grenze von 26 ct/kWh überstiegen haben. Die Branche läuft dagegen Sturm, weil die Kosten aufgrund von Rohstoffen, Wartung, Komponenten usw. auf über 10 ct/kWh gestiegen sind. Zudem fordern Verbände wie der Fachverband Biogas, dass Gewinne abgeschöpft werden, nicht der Umsatz.

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Neue BHKW mit hohem Wirkungsgrad sind bei der flexiblen Stromproduktion gefragt, um die gleiche Strommenge in kürzerer Zeit produzieren können als vorher im Dauerbetrieb.

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Biomethan ist als Kraftstoff gefragt: nicht nur in Form von Bio-LNG bei Lkw, sondern auch als komprimiertes Gas in Traktoren.

Neue Ideen für die Flexibilisierung

Unabhängig davon konnten sich die Besucher bei mehreren Stromhändlern über neue Angebote bei der Stromvermarktung informieren. Der flexible Anlagenbetrieb wird dabei immer wichtiger: Mit mehreren großen BHKW, größeren Gasspeichern und sehr großen Wärmepufferspeichern können sie Energie gezielt in den Zeiten produzieren, in denen sie viel kostet. Gibt es viel Wind und Sonne und dementsprechend viel Wind- und Solarstrom im Netz, produzieren flexible Biogasanlagen nur weiter Gas, das im Gasspeicher zwischengelagert wird, aber keinen Strom.

Damit der Gasspeicher nicht übermäßig gefüllt wird, gibt es neue Ansätze, um unter Berücksichtigung des Strombedarfs und der Wetterprognosen die Fütterung anzupassen. Das bedeutet: Wenn zum Beispiel ein Feiertag ansteht und viel Sonne gemeldet ist, würde die Rohstoffzufuhr der Biogasanlage und damit die Gasproduktion nach einem bestimmten Fahrplan gedrosselt. Umgekehrt wird sie rechtzeitig wieder erhöht, damit bei höherem Strombedarf wieder mehr Gas zur Verfügung steht.

Genauso zeigten Stromhändler auf der Messe neue Vermarktungsmöglichkeiten für den Strom oder neue Erlösoptionen. Der Markt bleibt sehr dynamisch.

Biomethan als Alternative

Für Anlagen, die ans Ende ihrer EEG-Vergütung kommen, gibt es mit der Produktion von Biomethan eine Alternative zur Stromproduktion. Die Anlagen rüsten dann von dem BHKW auf eine Gasaufbereitung um. Sie entfernt aus dem Rohbiogas vor allem das enthaltene CO₂. Damit steigt der Methangehalt im Biogas von etwa 50 bis 55 % auf 98 % und höher. Hier setzt sich die Membrantechnik immer weiter durch, die auch für kleinere Biogasanlagen wirtschaftlich interessant ist. Entsprechend waren auf der Messe mehrere Aussteller mit Membran-Aufbereitungsverfahren zu sehen.

Genauso berichteten einige Firmen, dass immer mehr Anlagenzusammenschlüsse geplant sind, bei denen mehrere Biogasanlagen ihr Gas über eine Leitung zu einer gemeinsamen Aufbereitung leiten. Mit diesem Vorgehen sind größere Aufbereitungsanlagen möglich, was die Wirtschaftlichkeit erhöht.

Das so entstehende Biomethan wird entweder als Erdgasersatz ins Gasnetz eingespeist oder zu Bio-LNG als Kraftstoff für den Schwerlastverkehr verflüssigt. Ein weiteres Geschäftsfeld wird die Verflüssigung und Vermarktung des abgetrennten CO₂, das sich zum Beispiel in der Industrie als klimafreundliche Alternative zu fossilem CO₂ einsetzen lässt. Auch hierzu gab es mehrere Aussteller, die Verflüssigungsanlagen anbieten.

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Um faserige Substrate wie Mist oder Gras vergären zu können, sind Zerkleinerungseinheiten gefragt.

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Auf der Messe waren insgesamt drei Hersteller von Holzgasanlagen vertreten. Die Anlagen vergasen Hackschnitzel. Das Gas lässt sich wie Biogas im BHKW nutzen.

Ansätze für den Substratwechsel

Aus verschiedenen Gründen nimmt der Maiseinsatz immer weiter ab. Das ist nicht nur von der Politik im EEG mit dem „Maisdeckel“ angesetzt, bei dem Anlagenbetreiber nur noch 40 % Mais in der Ration einsetzen dürfen. Auch der sehr hohe Preis in diesem Jahr forciert den Umstieg. Dazu kommt, dass Biomethan auf Basis von Gülle und Mist eine höhere Treibhausgasminderung erreichen kann. Das liegt an einer EU-Richtlinie, die die entsprechenden Zahlen vorgibt. Das führt – sehr vereinfacht dargestellt – dazu, dass Biomethan aus Gülle und Mist bei Unternehmen wie Mineralölkonzernen oder Speditionen sehr gefragt ist.

Für den Einsatz von Mist muss die Anlage aber umgerüstet werden. Denn sonst kommt es zu Schwimmschichten und anderen Problemen, die bei den ursprünglich auf Mais ausgelegten Anlagen selten vorkommen. Auf vielen Ständen in Hannover waren daher Anlagen zur Zerkleinerung von Mist, aber auch anderen Alternativen wie Stroh, Gras, Zwischenfrüchte usw. zu sehen. Genauso nimmt der Flüssigeintrag zu, bei dem das Material mit Gülle oder Fermenterflüssigkeit angemaischt und dann als Brei in die Anlage gepumpt wird.

Auch im Fermenter ändert sich die Technik: Viele Hersteller präsentierten langsam laufende Langachsrührwerke und entsprechende Wartungskonzepte als Alternative zu den früher überwiegenden schnelllaufenden Tauchmotorrührwerken.

Weitere Verbesserungen der Rühr- und Pumpfähigkeit beim Einsatz von schwierigen Substraten bringt der Einsatz von Zusatzstoffen wie Algenprodukte oder Enzyme. Sie werden immer stärker auf die entsprechenden Rohstoffe wie Gras angepasst. Zudem wird die Dosiertechnik professioneller und sicherer.

Nach dem Vorbild der Natur wird auch das Wiederkäuprinzip beliebter. Denn der Abbau von Substraten wie Gras oder Mist dauert länger als der von Mais. Um zu verhindern, dass viel unverdautes Material in das Endlager gelangt und aufs Feld ausgebracht wird, lässt sich eine Nachzerkleinerung an den Fermenter oder Nachgärer anschließen – entweder in Form von rotierenden Messern oder Ultraschall. Sie bearbeitet nur das Material, das noch nicht abgebaut ist, und führt es wieder in den Fermenter zurück.

Daneben nimmt der Trend zur Anlagenoptimierung zu, wie auf der Messe zu sehen war. Neue Sensoren bei der Gasanalyse oder Sensoren im Fermenter, die die Fließgeschwindigkeit messen, können Störungen schneller anzeigen. Dazu kommen neue Servicedienstleistungen wie die Umrüstung von Zündstrahl- auf Gasmotoren oder die Generalüberholung von BHKW. Zukunftsweisend war auch ein Hersteller, der eine Brennstoffzelle in Kombination mit einer Elektrolyse in Containerbauweise angeboten hat. Beide Betriebsarten lassen sich umschalten. Das bedeutet: In Zeiten von hohem Stromangebot kann die Anlage aus Biogas Strom und reines CO₂ produzieren, das sich in der Industrie verkaufen lässt. Ist dagegen viel Strom im Netz, wird dieser genutzt, um in dem Container Wasserstoff zu erzeugen.

Holzgas für den Selbstverbrauch

Eingestreut zwischen den vielen Unternehmen aus der Biogasbranche waren auch drei Hersteller von Holzgasanlagen. Holzgas entsteht durch die Vergasung von Hackschnitzeln. Das entstehende Gas lässt sich wie Biogas in einem Blockheizkraftwerk verbrennen und damit Strom und Wärme erzeugen. Da das EEG seit Jahren wenig attraktiv für den Strom aus Holzgas ist, sind viele Anlagen mehr im Ausland als in Deutschland entstanden.

Doch das ändert sich. Seit dem Anstieg der Strom- und Wärmepreise nimmt das Interesse von Landwirten und Kommunen an Holzgasanlagen wieder zu, berichteten die Hersteller.

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Die Aussteller zeigten in Hannover auch neue Einbringsysteme für schwierige Substrate wie Mist.

Solar- und Windparks

In diesem Jahr waren zudem außergewöhnlich viele Projektierer von Solar- und Windparks auf der EnergyDecentral vertreten. Sie haben anscheinend erkannt, wie zentral die Rolle der Landwirtschaft beim Ausbau dieser Technologien ist. Ihr Fokus: Pachten von Flächen, um darauf Anlagen zu errichten und zu betreiben. Allein in Halle 25 gab es 14 Unternehmen zur Windenergie und 28 zu Photovoltaik, wobei einige Projektierer beide Techniken im Portfolio haben. Bei den Solaranlagenfirmen waren zudem Anbieter von Dachanlagen dabei.

Der Trend nimmt zu, Wind- und Solarparks auf einer Fläche zu kombinieren und mit einer Wasserstoffproduktion oder einer Batterie zu verbinden. Damit lässt sich der Strom auch in den Zeiten nutzen, in denen das Netz voll beziehungsweise der Verbrauch gering ist.

Neben den klassischen Solarparkprojektierern waren auch erstmals drei Anbieter von Agri-Photovoltaikanlagen vertreten. Bei dieser Erzeugung werden die Module über oder neben landwirtschaftlich genutzten Flächen installiert, um Acker- beziehungsweise Gemüsebau mit der Solarstromproduktion zu verbinden. Die Module können aber auch als Hagelschutz in Beeren, Wein oder Hopfen dienen sowie als Wetterschutz in der Tierhaltung fungieren. Senkrecht errichtete Module übernehmen zum Beispiel auf Grünland die Funktion von Zäunen oder Windschutzhecken.

Fazit

■ Noch immer haben politische Vorgaben großen Einfluss auf die Investition in bestimmten Bereichen.

■ Die hohen Energiepreise im vergangenen Jahr (Strom, Wärme, Gas) sorgen aber zusammen mit dem wachsenden Vertrauensverlust der Betreiber in die Politik dafür, dass sich Lösungen immer stärker an den Märkten orientieren.

■ Im Klartext: Haben früher das EEG oder andere Fördervorgaben Größe, Bauart und Rohstoffe bei den Anlagen bestimmt, steht heute stärker der Bedarf im Vordergrund.

■ Die vielen gesetzgeberischen Einschränkungen bei der Stromerzeugung sorgen dafür, dass sich die Biomethanproduktion für den Kraftstoffmarkt als Alternative stärker durchsetzt.

■ Als Rohstoffe kommen dafür vor allem Gülle und Mist, aber auch andere Reststoffe infrage. Die Nachfrage danach hat so stark zugenommen, dass selbst in Veredelungsregionen klassische Güllebörsen zur „Entsorgung“ kaum noch gefragt sind.

■ Neben Biogas spielen Wind- und Solarstrom in der Landwirtschaft eine große Rolle. Die Flächenbesitzer sind hier vor allem als Verpächter gefragt.

■ Es gibt eine Renaissance der Holzkraft, die vor allem zur Eigenversorgung gefragt ist.


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