Das Ahrtal erfindet sich nach Flutkatastrophe neu

Im Juli 2021 veränderte die Flutnacht das Leben im Ahrtal. Von den Schäden betroffen war unter anderem der Landtechnikbetrieb Willerscheid, über den wir damals berichteten. Der eilbote hat ihn erneut besucht und gefragt, wie die Situation heute ist.

Rückblick: Das Ahrtal erfindet sich nach Flutkatastrophe neu

In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2021 richtete die Flut massive Schäden im Betrieb Willerscheid an.

Rückblick: Das Ahrtal erfindet sich nach Flutkatastrophe neu

Udo Willerscheid (li.) mit Jan Fabian Günther, der damals als freiwilliger Helfer die Aufräumarbeiten unterstützte.

Eineinhalb Jahre ist es nun her, dass die Jahrhundertflut das Leben der Menschen im Ahrtal veränderte. Über Nacht zerstörten die Wassermassen auch den Landtechnikbetrieb Willerscheid in Ahrweiler. Der eilbote hat den Betrieb nach dem Unglück besucht und in der Ausgabe 37/2021 berichtet. Wie geht es Udo Willerscheid heute? Auch das wollten wir wissen und haben mit dem Landtechnikhändler erneut gesprochen.

Die Schäden der Nacht sind längst aufgenommen, der Wiederaufbau ist in vollem Gange und in vielen Teilen sogar schon abgeschlossen. Unwiederbringlich verloren gegangen sind im Bereich der Ahr 20 Hektar Weinberge. Sie werden auch nicht mehr angelegt und fehlen den ortsansässigen Winzern.

Nach der mehr oder weniger improvisierten Ernte im Katas-trophenjahr konnten die Ahrtalwinzer im Herbst 2022 eine traumhaft gute Ernte einfahren. In den vom Schlamm befreiten Kellern und Fässern reift ein guter Jahrgang heran. Auch in den Hallen von Udo Willerscheid läuft seit einem dreiviertel Jahr alles wieder nach Plan. Das Büro ist komplett funktionstüchtig, auch die Metallverarbeitung funktioniert störungsfrei. Seine 16 Mitarbeiter konnte Willerscheid alle weiter beschäftigen. Ähnliches gilt für andere Handwerksbetriebe und Unternehmen, die für die Infrastruktur im Tal überlebenswichtig sind. Die freiwilligen Helfer der ersten Stunde werden – Gott sei Dank – nicht mehr gebraucht. Das Tal trägt sich wieder selbst.

Um bis hierhin zu kommen, hat es enorme Kräfte gebraucht. „Wir gehen alle auf dem Zahnfleisch“, sagt Willerscheid. „Über Monate hinweg waren 16-Stunden-Tage oder auch mehr Normalzustand.“ Reparaturen und Ersatzbeschaffungen aller Art standen dabei im Vordergrund. Willerscheid, selbst in der Aufbauphase, wurde für seine Kunden, die kurzfristig Gebrauchtmaschinen aller Art nachfragten, zum Vermittler. Die gute Vernetzung in der Händlerbranche war und ist dabei Gold wert. Gleichzeitig musste er seinen eigenen Maschinen- und Gerätepark wieder aufbauen. Inzwischen laufen auch viele Antragsverfahren auf Entschädigung. Sobald die Gelder fließen, können Willerscheids Kunden auch Neumaschinen ordern.

„Unmittelbar nach der Flut und auch noch Wochen danach gab es viel Kritik, weil die Förderung stockte. Auch die Spendengelder kamen nicht zeitnah dort an, wo sie gebraucht wurden“, erinnert sich Willerscheid. „Das hat sich verändert. Inzwischen läuft die Förderung richtig gut.“ Erst die Wasserflut, dann die Gutachten- und Antragsflut, das musste wohl erst geübt und bewältigt werden. Die Winzer erhielten in dieser heißen Phase sehr viel Unterstützung vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR).

Die Abwicklung und Zahlung der Gelder, auch die für Udo Willerscheid, läuft über die Investitions- und Strukturbank (ISB) Rheinland-Pfalz. Mit Blick auf mögliche Versicherungsleistungen musste Willerscheid eine traurige Erfahrung machen. Er hatte es teilweise verpasst, die Versicherungssummen für das Inventar im Laufe der Jahre ans eigene Wachstum anzupassen. Das Geld fehlt heute. „Aus meiner Erfahrung heraus kann ich es nur jedem Unternehmen raten, die Versicherungsmodalitäten in der Wiedervorlage zu halten, um Unterdeckungen zu vermeiden. Was leider schnell im arbeitsreichen Alltag vergessen wird.“

Insgesamt schaut Udo Willerscheid positiv in die Zukunft. „Das Tal hat große Schritte nach vorne gemacht“, urteilt er heute. „Das Tal verändert sich. Es wird jünger und moderner. In fünf Jahren haben wir hier eine der modernsten Infrastrukturen etabliert, zukunftsorientiert und wunderschön für die nächste Generation.“


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