Smarter Assistent für die Futterernte

In der Halmfutter-Ernte sind oft viele Fahrer, Maschinen und Feldstücke beteiligt. Das macht eine kontinuierliche Anlieferung am Silo nicht leichter. Die App Harvest Assist von Pöttinger soll dabei helfen. Wie gut das funktioniert, hat die Innovation Farm in Wieselberg, Österreich, untersucht.

Einsatzbericht: Smarter Assistent  für die Futterernte

Ladewagen können Felder abwechselnd anfahren und damit auf die Gegebenheiten reagieren.

Einsatzbericht: Smarter Assistent  für die Futterernte

Eine schlagkräftige und futterschonende Erntetechnik ist mittlerweile Standard in der Landtechnik. Diese aber mit maximaler Effizienz einzusetzen, ist gerade in kleinstrukturierten Gebieten wie Österreich oder Süddeutschland eine Herausforderung. Die kostenlose App Harvest Assist von Pöttinger, gemeinsam entwickelt mit Farmdok, soll die Planung durch die digitale Koordination während der Ernte unterstützen. Das vorderste Ziel: die Silagequalität durch eine ideal koordinierte Anlieferung am Silo zu optimieren. Welchen Einfluss die App auf die Erntearbeit hat und wie sich diese digitale Lösung auf den gesamten Prozess der Futtereinbringung auswirkt, hat die Innovation Farm in Zusammenarbeit mit Testbetrieben untersucht.

Ziel der Untersuchung

Kurze Erntefenster in Kombination mit hohen Qualitätsansprüchen verlangen allen Beteiligten in der Grünlandernte viel ab. Das Potential der Wertschöpfung aus dem Grundfutter ist hoch, in der Praxis jedoch oft schwierig, dies auch voll auszuschöpfen. Die Grünlandernte soll möglichst rasch über die Bühne gehen, so kann die Qualität durch den richtigen Trockenmassegehalt hochgehalten werden. Die Stundensätze für leistungsstarke und schlagkräftige Maschinengespanne sind dementsprechend hoch. Darum gilt die Devise, die Erntetechnik möglichst effizient einzusetzen. Zur Kostenreduktion sollen mit der App Harvest Assist für Tablets und Smartphones unter anderem auch die Standzeiten und unnötige Fahrten vermieden werden.

Ziel dieser Untersuchung war die Bewertung der App im Praxiseinsatz zum Optimieren der Logistikkette in der Grünlandernte. Durch einen konstanten Massenstrom, also eine konstante Anlieferung – soll die Futterqualität durch eine gleichmäßige Verdichtung am Silo verbessert werden. Zusätzlich soll ein effizienterer Einsatz der Erntemaschinen durch weniger Standzeiten zu einer Kostenreduktion führen. Im Folgenden erklären wir Schritt für Schritt, was in der App zu tun ist und welche Ergebnisse und Eindrücke wir in der Praxis sammeln konnten. Eine Registrierung ist übrigens nicht erforderlich.

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Damit in der Erntekette alles wie am Schnürchen läuft, soll Harvest Assist die Koordination erleichtern.

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Diese Luftbild-Ansicht zeigt die Standorte der einzelnen Abfahrer in Echtzeit.

Das Planen

Der erste Schritt ist das Erstellen einer Gruppe, die alle an der Ernte beteiligten Personen mit der jeweiligen Maschine zusammenfasst. Hierzu ist nach dem kostenlosen Download keine Anmeldung oder Registrierung erforderlich. Man kann gleich mit der Gruppenbenennung und der Auswahl einer Maschine starten. Komfortabel ist hierbei, dass das relevante Pöttinger Grünland-Maschinenportfolio bereits in der App hinterlegt ist. Dennoch ist die App offen für andere Fabrikate, weitere Maschinen lassen sich einfach anlegen – gut so. Die Bildschirmoberfläche ist in die vier Reiter Gruppe, Felder, Karte und Planung gegliedert. Die Planung verlangt vor dem Start vier Schritte. Auch wenn es auf den ersten Blick verwirrend oder nach einem großen Aufwand erscheinen mag, sind die nötigen Einstellungen relativ rasch umgesetzt. Der erste Schritt ist mit der Wahl des Standorts für den Silo am eigenen Hof bereits getan. Schritt zwei ist, weitere Personen über das Versenden eines Links in die Gruppe einzuladen. Im Zuge dessen kann Schritt drei – die Zuteilung eines Ladewagens – gleich miterledigt werden.

Die Eingabe der zu erntenden Flächen kann gegebenenfalls etwas mehr Aufwand sein. Beschränkt man sich auf die Auswahl des Schlages und die Schlagbezeichnung, ist je nach Anzahl der Flächen auch Schritt vier in wenigen Minuten erledigt. Empfehlenswert ist jedoch, zu den Feldern zusätzliche Informationen einzutragen. Gerade die am Hof geläufige Schlagbezeichnung ist ein Muss, da die Orientierung deutlich einfacher wird. Im Zuge dessen kann auch die Geländeeigenschaft „steil“ oder „nass“ gesetzt werden, dies hilft Maschinenführern bei der Erstfahrt.

Die Auswahl der Felder bleibt dabei simpel, es muss lediglich ein Feld angeklickt werden, die Schlaggrenzen werden für Österreich aus der INVEKOS-Datenbank automatisch und anonymisiert generiert. Bei der Nutzung in Deutschland oder anderen europäischen Ländern werden die Konturen des Schlages via Satellitendaten erfasst. Auf Wunsch können die Feldeinfahrt und die Feldgeometrie mit einem weiteren Klick auf die Fläche noch adaptiert werden. Ein Computer bzw. der Import von Flächen ist dafür nicht nötig. Es läuft alles über ein Betriebssystem – Android oder iOS auf Smartphones oder Tablets.

Um den Überblick während der Ernte zu behalten, werden vier Bearbeitungsstadien in verschiedenen Farben angeführt:

■ Nicht bearbeitet

■ In Arbeit Schwader (die App wechselt automatisch zu diesem Feldstatus, sobald man die Fläche mit einem Schwader befährt)

■ Bereit für Ladewagen

■ Ernte abgeschlossen

Noch ein Tipp zu den Feldnamen: Die App lässt sich nicht nur bei der Ladewagenernte einsetzen. Auch die Erntekette für Ackerkulturen, bestehend aus Mähdrescher(n) und Abfuhrgespannen, ließe sich mit Harvest Assist koordinieren. Fügt man etwa eine Ackerkultur zum Namen, z.B. „Hausacker Gerste“ oder „Waldacker Mais in Wieselburg“, kann die App auch außerhalb der Grünlandernte gute Dienste leisten. Die oben genannten Bearbeitungsstadien lassen sich aber nicht ändern.

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In diesem Diagramm werden alle Fuhren des Erntetages dargestellt, wie sie die dynamische Routenplanung von Harvest Assist für eine gleichmäßige Anlieferung vorgeschlagen hat. Der Massenstrom ist dabei konstant.

Echtzeit-Standort bringt‘s

Während der Versuche war der Reiter „Karte“ das am öftesten geöffnete Fenster. Der gute Überblick über die Felder und der Echtzeit-Standort aller an der Ernte beteiligten Personen ist eine große Erleichterung und birgt auch das größte Potential für Einsparungen. Die Testbetriebe, einige Lohnunternehmer und auch das Team der Innovation Farm, haben dieses Werkzeug als das beste eingestuft. Ein Blick auf die App verrät den aktuellen Standort von allen an der Ernte beteiligten Fahrzeugen – man kann die Fläche unkompliziert anfahren. Telefonanrufe wie „Wo bist du gerade?“ oder „Wo geht’s jetzt weiter“ fielen durch die App fast zur Gänze weg, womit der Fokus auf die Maschinenauslastung gelegt werden konnte und nicht auf Dispositionstätigkeiten.

Bevor die App bei allen Fahrern der Erntekette installiert war, kam es bei einem Abfahrer im Feldversuch zu einer zusätzlichen Fahrzeit von etwa 15 Minuten. Bei einem Stundensatz von 100 Euro wären die Zusatzkosten von ca. 25 Euro mit Harvest Assist vermeidbar gewesen. Ist man bereits auf der Straße unterwegs, kann man gleich auf das nächste Feld überstellen, wodurch sich ein unnötiger Weg einsparen und die Staugefahr auf Engstellen reduzieren lässt. Für die richtige Wahl der Feldeinfahrt hilft die gesetzte Markierung. Speziell auf sehr großen Schlägen, beim Anhäckseln von Maisflächen (die App ließe sich also auch in der Silomaisernte gut nutzen) oder bei der Arbeit in der Dunkelheit hilft der eigene Standort bei der Orientierung.

Der Echtzeit-Standort ist mit einer Verzögerung von wenigen Sekunden und der marginalen Abweichung vom DGPS-Signal des Mobilgeräts ausreichend genau. Bei den Praxis- einsätzen lief die App absturzsicher. Trotzdem ist auf einige technische Fehlerquellen Rücksicht zu nehmen. Bei manchen Handys wird die Datenverbindung während des Telefonierens gedrosselt oder ganz unterbrochen. Weitere Fehlerquellen sind möglicherweise Funklöcher, ein beendeter Task, ein ausgeschalteter Standort oder ein leerer Handyakku. Darum sind für die sichere Anwendung ein Plausibilitätscheck des Standorts sowie ein Ladekabel und eine Handyhalterung ratsam. Ist man neu in der Gegend und nicht ortskundig, kann auch die Navigation zum Feld Zeit und somit Geld sparen. Mit einem Klick auf das Feld und unter Einbezug von Google Maps kann man Blindfahrten sicher vermeiden. Aber Achtung: Gewichts- oder Höhenbeschränkungen zeigt Google Maps nicht an.

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Wird eine Fläche mit einem Schwader befahren, wechselt der Feldstatus automatisch zu „In Arbeit Schwader“.

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Zuweisung der Ladewagenfahrer und geschätzte Anzahl der Fuhren. Feld 1 wird durch einen Stern priorisiert.

Kontinuierlicher Gutfluss

Für die Zuteilung mehrerer Schwader oder Ladewagen vor Erntebeginn ist der Reiter „Planung“ zuständig. Mit dem Setzen von Haken lässt sich einteilen, welches Fahrzeug welche Felder bearbeiten soll. Da auch Mehrfachnennungen möglich sind, kann ein Feld vom kleinen wendigen Schwader vorbereitet werden und ein schlagkräftiger Vierkreiselschwader erledigt den Rest. Gleichzeitig können gewisse „Spielregeln“ vordefiniert und dadurch vermieden werden, dass bei der dynamischen Routenführung ein kleiner Ladewagen auf weit entfernte Pachtflächen fährt oder ein schweres, großes Gespann in extreme Hanglagen geschickt wird.

Mit einem Ladewagen hat man gegenüber einer Häckselkette die Möglichkeit, nach jeder Fuhre das Feld zu wechseln. Gerade in solchen Situationen kann die Ladewagen-Ernte ihre Vorteile ausspielen, denn so kann man auf die Auslastung des Walzfahrzeugs am Silo reagieren. Das Ziel ist ein konstanter Massenstrom bei der Anlieferung am Silo. Das Walzfahrzeug muss immer genug Zeit haben, das Futter gleichmäßig zu verteilen und zu verdichten. Dabei passiert oft wegen Zeitdruck die größte Fahrlässigkeit, die dann auch zu Fehlgärungen führen kann. Hier kann die Harvest Assist App unterstützen. Für den Ladewagen wird automatisch eine Route erstellt: alle Felder, die mit dem Status „Bereit für Ladewagen“ versehen sind, schlägt die App abwechselnd vor.

Im Versuch hat sie zuerst ein Feld in Hofnähe empfohlen. So bekommt das Walzfahrzeug gleich etwas Arbeit. Für die zweite Fuhre hat Harvest Assist eine Fläche mit größerer Feld-Hof-Distanz vorgeschlagen. Im weiteren Ernteverlauf wurden abwechselnd die arrondierten Flächen und jene mit längerer Fahrzeit vorgeschlagen. Damit ließ sich tatsächlich vermieden, dass alle Felder mit kurzem Transportweg geblockt geerntet werden und so extrem hohe Erntemengen zu verdichten sind. Ist das Verdichtungsfahrzeug an der Auslastungsgrenze, muss man entweder das Risiko einer schlechteren Verdichtung mit verbundenem Qualitätsverlust in Kauf nehmen oder das Transportgespann muss vor dem Silo warten. Dies führt jedoch wiederum zu unnötigen Mehrkosten.

System hat noch Grenzen

Die Versuche haben gezeigt, dass die Anlieferungsmengen zeitlich gut aufgeteilt waren. Natürlich hat auch diese Anwendung ihre Grenzen. Für die Kalkulation wird lediglich die Luftlinie und keine echte Wegstrecke mit Höhenprofil berücksichtigt. Zudem ergibt sich durch unterschiedliche Erträge und den damit verbundenen Ladezeiten eine natürliche Durchmischung. Zwei entscheidende Gründe für die Ablehnung der vorgeschlagenen Route kamen jedoch von den Testfahrern. Arbeitet man mit einem großvolumigen Ladewagen in Hanglagen, können manche Flächen nur leer angefahren werden. Das Topographiemerkmal „steil“ kann dem jeweiligen Feld zwar gegeben werden, es wird aber nicht in der dynamischen Routenplanung berücksichtigt. Weiter wird für die Routenplanung der Abtrocknungsverlauf einer Fläche nicht berücksichtigt. Das könnte die gewonnene Qualitätssteigerung durch die gleichmäßigere Verdichtung durch zu trockenes oder zu feuchtes Material wieder zunichtemachen. Pöttinger arbeitet aber bereits daran, diese Parameter mit zu integrieren.

Ist die Ernte abgeschlossen, ändert man den Feldstatus ein letztes Mal zu „Ernte abgeschlossen“. Dabei listet die App für jedes Feld die Anzahl der Fuhren und die eingebrachten Kubikmeter. Der Fuhrenzähler birgt jedoch Fehlerquellen. Ein Wendemanöver auf einer arrondierten Fläche hat den Zähler einmalig ausgelöst. Falls ein Wagen erst am nächsten Feld voll wird, erhöht sich die Anzahl der Fuhren trotzdem nur am ersten Feld. Lediglich die Kubikmeter werden separat verbucht. Die Erntemenge in Kubikmeter wird durch das Ertragspotential des Feldes und der am Feld zurückgelegten Wegstrecke errechnet. Ertrag und Trockenmasse muss man dafür zuvor „per Hand“ schätzen und dem richtigen Feld zuweisen. Verschiedene Faktoren und deren Kombinationen könnten somit zu fehlerhaften Ertragsdaten führen. Bis alle nötigen Merkmale implementiert sind, bleibt der Fuhrenzähler nur eine ungefähre Begleitinformation und kann nicht allen Anforderungen gerecht werden.

Fazit aus der Praxis

Die Logistik und Planung der Grünlandernte bieten wohl das größte Potential zur Auslastung eines schlagkräftigen Fuhrparks. Unnötige Standzeiten und Transportwege sind dabei zu reduzieren. Die App Harvest Assist setzt genau dort an. Da sie kostenlos und ohne Registrierung läuft, ist sie durch die einfache Bedienung ein digitales Werkzeug für Jedermann. Man erhält nach Planung und Eingabe der Flächen einen guten Überblick und kann das Arbeitspensum besser abschätzen. Ein Werkzeug, das stetig und aktuell die Schläge, den Erntestatus sowie die an der Ernte Beteiligten darstellt und die gesamte Ernte effizienter macht, ist ein logischer Schritt in der Digitalisierung.

Mithilfe von Harvest Assist konnten wir die Übersicht der zu erntenden Flächen optimieren und so weitere Planungsschritte verbessern. Der Echtzeit-Standort hat in der Grünlanderntekette die telefonische Wegbeschreibungen abgelöst und dadurch auch die Effizienz gesteigert. Die automatische Routenplanung für die Ladewagenernte zum Glätten von Anlieferungsspitzen am Silo funktioniert gut und schlägt abwechselnd Felder in der Nähe und jene mit größerer Feld-Hof-Distanz vor. Routiniers lassen mehrere Faktoren einfließen, wodurch sie wohl besser entscheiden werden, als die Routenplanung. Etwa den Abtrocknungsverlauf berücksichtigt die App noch nicht. Das Fingerspitzengefühl für flexibles Handeln kann sie in mancher Hinsicht noch nicht kompensieren. Kommen jedoch mehrere helfende Hände ins Spiel, bringt die App Vorteile in der Koordination. Speziell Lohnunternehmer sowie Betriebe mit Praktikanten, Aushilfen bzw. nicht ortskundigen Fahrern dürften von dieser App profitieren.

Dieser Beitrag von Georg Ramharter, Andreas Ettlinger und Markus Gansberger entstand im Rahmen der Innovation Farm (www.innovationfarm.at), die von Bund, Ländern und der Europäischen Union im Rahmen des ländlichen Entwicklungsprogrammes LE 14–20 unterstützt wird. Er erschien in Ausgabe 8/2023 der österreichischen Fachzeitschrift Landwirt.

Georg Ramharter und Andreas Ettlinger sind wissenschaftliche Mitarbeiter bei Josephinum Research.

Markus Gansberger lehrt und forscht an der HBLFA Francisco Josephinum/ BLT Wieselburg und leitet den FHWN-Studiengang Agrartechnologie und Digital Farming.

Tipp

Eine längere Version dieses Beitrags finden Sie im Internet unter: www.landwirt-media.com/landtechnik

Neue Maschinen: Mäher, Zetter, Ballenpressen

Zur Saison 2023 bringt Pöttinger ein umfassendes Update für die App Harvest Assist. Dieses muss man neuerlich herunterladen, um es nutzen zu können. Vor allem das Maschinenportfolio haben die Entwickler erweitert. Ab sofort stehen neben den bisher auswählbaren Ladewagen und Schwadern nun auch Mäher, Zetter, Bandschwader und Rundballenpressen zur Verfügung. Auch diese zusätzlichen Arbeitsschritte zeigt die App allen Beteiligten an. Außerdem ist die Anwendung nun auch in den Sprachen Englisch, Französisch, Polnisch und Tschechisch verfügbar.


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