Nicht selten arbeiten Landmaschinen viele Jahre für Landwirte und Lohnunternehmer. Doch sorgen fortschreitende Vernetzung und Digitalisierung der Maschinen für besondere Herausforderungen in der Softwareentwicklung. Hier gilt es, die immer kürzer werdenden Innovationszyklen in der Maschinensteuerung effizient mit der langen Lebensdauer früherer Serienprodukte in Einklang zu bringen. Der Hersteller Claas setzt zur Sicherstellung eines reibungslosen Maschinenbetriebes die Modellpflege für frühere Maschinen auch nach dem Ende der Produktion für viele Jahre fort. In der Softwareentwicklung bedeutet dies eine Überlappung der Updatezyklen alter und neuer Modelle eines Serienproduktes.
Eine Herausforderung bei der Modellpflege liegt in der hohen Komplexität der Maschinenarchitektur. So sind in einem einzelnen Mähdrescher allein mehr als 20 softwarebasierte Steuergeräte verbaut. Mit diesen werden beispielsweise die Telemetrie geregelt, der Druschprozess optimiert oder die Kabinenelektronik bedient. Aufgrund des kontinuierlichen Feature-Zuwachses sowie der fortwährenden Weiterentwicklung der Maschinen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es im Laufe des Produktlebenszyklus oder darüber hinaus nachträgliche Änderungen an der Software gibt.
Herausforderung: Code effizient vergleichen und zusammenführen
Da die Konfigurationen einzelner Steuergeräte auf Beschreibungen basieren, die auf mehrere Einzeldateien verteilt sein können und einzelne Komponenten mehrfach verwendet werden, ist ein Vergleich der Beschreibungen nur auf logischer Ebene möglich. In der Vergangenheit bedeutete ebendieser Vergleich von Code-Elementen aus verschiedenen Quellen stets einen großen Zeitaufwand, vor allem dann, wenn es bei der Weiterentwicklung von Serienprodukten darum ging, einen möglichst großen Anteil des bestehenden Codes in die Software der Neuentwicklung zu überführen.
Ein Problem, das sich in den letzten Jahren verschärft hatte: „Der Funktionsumfang der Maschinen, den wir in der Softwareentwicklung abbilden müssen, ist in den letzten Jahren stark gewachsen“, erklärt Axel Schröder, Director Advanced Engineering bei der Claas E-Systems GmbH. Neben der Komplexität der Maschinen nehme auch die Änderungsgeschwindigkeit zu. „Wir wollten einen Ansatz entwickeln, der es uns ermöglicht, fortlaufend und mit einem hohen Automatisierungsgrad einen Code zu entwickeln, der sowohl alte als auch neue Produktgenerationen effizient und fehlerfrei up to date hält.“ Hierfür sollte eine Methode geschaffen werden, die den Abgleich und die Zusammenführung von Code-Elementen aus verschiedenen Quellen erleichtert und die Entwicklung von Maschinenapplikationen unterstützt.
Agiles Mindset überzeugt bei der Partnerwahl
Axel Schröder und sein Team beschlossen, das Projekt mit einem Partner zu bestreiten, der konzeptionell und mit Entwicklungsressourcen unterstützt und neben Erfahrung im Agritech-Segment einen agilen Entwicklungsansatz lebt. Die Wahl fiel auf die Slashwhy GmbH & Co. KG, den Osnabrücker Spezialisten für individuelle Softwareentwicklung, mit dem es bereits gemeinsame Projekte gab.
„Für uns war klar, dass wir bei diesem Projekt kein detailliertes Lastenheft formulieren und dann monatelang mit Tunnelblick in die eine Richtung entwickeln wollten“, erklärt Schröder. Ein agiles Vorgehen und der enge, offene und transparente Austausch mit Slashwhy seien ein wesentlicher Faktor für den Projekterfolg gewesen.
Zwei Jahre später wurde das Projekt erfolgreich abgeschlossen. Es wurde gemeinsam ein Modell geschaffen, welches Applikationen beschreibt beziehungsweise die Konfiguration von Softwarebausteinen in späteren Applikationen ermöglicht. Zudem wurde ein Tool entwickelt, mit dem dieses Modell verwaltet werden und für verschiedene Maschinengruppen konfiguriert werden kann.
Vereinfachtes Testing beschleunigt Produktentwicklung
Je geringer die Fehlerquote einer Neuentwicklung zum Start der Felderprobung ist, desto sicherer können alle neuen Features im nächstmöglichen Zyklus validiert und anschließend ausgerollt werden. „Das Tool erzeugt eine höhere Durchgängigkeit von der Spezifikation bis hin zur Code-Entwicklung. Durch die neue Toolkette werden Fehler schneller sichtbar. Wir haben heute insgesamt kürzere Feedback-Zyklen bei Neuentwicklungen, können schneller konkrete Entwürfe zeigen und sind schneller im Testing. Grundsätzlich können wir die Weiterentwicklung von Serienprodukten parallel zum neuen Entwicklungsprojekt betreiben und relativ schlank neue Features integrieren“, beschreibt Schröder.
Für eine digitale Zukunft gerüstet
Gemeinsame Folgeprojekte mit Slashwhy sind bereits in der Umsetzung. Axel Schröder und sein Team stellen sich darauf ein, dass die digitale Vernetzung der Maschinen weiter zunehmen wird, was auch die Komplexität der Software-Architektur sukzessive erhöht. „Die Kundenanforderungen steigen stetig, auch aufgrund der Erfahrungen, die wir alle täglich im privaten Umfeld mit Digitalisierungstrends wie IoT und Smart Home oder bei Features im Pkw machen“, so Schröder.
Neue Funktionen für die Maschine flexibel hinzubuchen oder per Knopfdruck wieder abbestellen, Remote-Updates durchführen, die Maschinenbedienung weiter automatisieren – das wird auch in Traktoren und Landmaschinen weiter Verbreitung finden.