Inder formulieren ambitionierte Ziele

Der indische Reifenhersteller will weiter wachsen: Der Umsatz soll bis 2026 auf zwei Milliarden Dollar verdoppelt werden. Mit welchen Maßnahmen man das erreichen will, präsentierte die Unternehmensführung internationalen Fachjournalisten im indischen Bhuj. Der eilbote war vor Ort dabei.

BKT: Inder formulieren ambitionierte Ziele

Die fertigen Reifen werden visuell kontrolliert, um Lufteinschlüsse auszuschließen.

BKT: Inder formulieren ambitionierte Ziele

Die Unternehmensführung: Lucia Salmaso, Geschäftsführerin BKT Europa, Rajiv Poddar, Mitgeschäftsführer BKT, Arvind Poddar, Geschäftsführer BKT und Dilip Vaidya, Technologiedirektor.

Weit und breit trockene Wüstenlandschaft, ohne Wasser, Strom und Infrastruktur. So sah es vor rund elf Jahren im indischen Bhuj, nahe der pakistanischen Grenze im Norden des Landes, aus. Heute kann man sich das kaum noch vorstellen. Nach Verlegung vieler Kilometer Trinkwasser- und Stromleitungen und umfangreichen Bauarbeiten wuchs das raue Gelände zu einem kleinen Städtchen mit einer modernen Fabrik heran. Die internationalen Fachjournalisten erwartet bei der Pressereise ein akkurat gepflegtes Produktionsgelände mit riesigem Eingangstor. Das Gelände wurde innerhalb von drei Jahren mit rund 100.000 Bäumen begrünt und besitzt eine eigene Infrastruktur: Für die Mitarbeiter gibt es 400 Wohneinheiten, welche in den nächsten Jahren noch auf 1.240 aufgestockt werden sollen. Dort leben die Arbeiter mit deren Familien, die neben einem sicheren Zuhause hier auch Zugang zu Schulen und Bildung haben – in Indien nicht selbstverständlich. Für BKT ist die soziale Verantwortung und der faire Umgang mit Mitarbeitenden ein Kernthema. Neben den Bildungseinrichtungen gibt es ein Freizeitcenter, einen Supermarkt und einen Sportplatz für das tägliche Leben vor Ort sowie ein eigenes Gästehaus.

Als 2012 in Bhuj der erste BKT-Agrarreifen vom Band lief, umfasste das Werk eine Fläche von 123 Hektar. Momentan zählt das Produktionsgelände rund 162 Hektar, 113 sollen in den nächsten zwei Jahren noch hinzukommen.

Produktangebot wächst weiter

Derzeit werden im Werk nahe der pakistanischen Grenze rund 436 Tonnen Reifen pro Tag produziert – es sei noch Potenzial nach oben, erklärt uns der Technologiedirektor Dilip Vaidya auf dem Fabrikrundgang. Trotzdem, wie will das Unternehmen eine Verdopplung des Umsatzes innerhalb von drei Jahren umsetzen? Dafür werfen wir einen genaueren Blick auf BKT Tires: Die Balkrishna Industries Ltd. (kurz BKT Tires) produziert und vertreibt an sieben Standorten in Indien, USA, Italien und Kanada Off-Road-Reifen vor allem für Land- und Baumaschinen sowie die Bergbauindustrie. Das familiengeführte Unternehmen beschäftigte im letzten Jahr 3.624 Mitarbeitende, davon 1.152 in der Fabrik in Bhuj. Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer ist Arvind Poddar. Sein Sohn Rajiv gehört zur mittlerweile dritten Generation und ist derzeit als Mitgeschäftsführer tätig. Für den europäischen Markt zeichnet seit nunmehr elf Jahren Lucia Salmaso als Geschäftsführerin verantwortlich. Mit rund 1.800 unterschiedlichen Modellen und Größen für die Bereiche Agrar, Industrie- und Baumaschinen und ATV bietet BKT eine der weltweit umfassendsten Reifensortimente.

Neben dem Ausbau der Fabrik und der Produktionskapazitäten in diesem Jahr wird auch das Angebot erweitert – vor allem im Bereich der Forst- und Vollgummireifen. So stellte das Unternehmen kürzlich eine neue Serie der Agroforesty Tires vor: sechs Größen für Forwarder und Harvester. Ebenfalls folgt die Serie Forestmax in elf Dimensionen sowie weitere Reifenvarianten für Baumaschinen.

Auch lässt die Beschilderung auf dem Betriebsgelände tief blicken: Ein großes Areal ist bereits für ein neues Werk von Raupenbändern ausgeschildert. Diese werden bisher nur für Traktoren produziert, sollen aber zukünftig auch für selbstfahrende Erntemaschinen kommen. Ein konkretes Datum wurde dafür noch nicht genannt.

Automatisierung im Fokus

Die wichtigsten europäischen Märkte für BKT sind Deutschland, Frankreich und Italien. Im weltweit stark umkämpften Reifenmarkt setzt BKT auf die Verbesserung der Effizienz und Qualität. So werden in Bhuj zurzeit leistungsfähigere, stärker automatisierte Maschinen installiert, die ein schnelleres und präziseres Arbeiten ermöglichen und so die Produktionsmenge und die Qualität des Endprodukts steigern sollen. Auch werde man stärker Prozesse analysieren und optimieren sowie in die Ausbildung der Mitarbeitenden investieren, hieß es beim Rundgang durch das Werk. Rajiv Poddar fasst die Strategie zusammen: „Wie haben die Erfahrung, das Wissen, das Herz und das Potenzial, diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen.“ Außerdem hieß es: „Wir sind süchtig nach Qualität.“ Wie BKT sein Qualitätsversprechen durchsetzt, wird vor Ort gezeigt: In Laboren werden die relevanten Parameter getestet. Unter anderem führt man dort Material-Eingangsprüfungen durch. In den lichtdurchfluteten und modernen Fabrikhallen setzt man bei der Produktion stärker auf automatische Prozesse. Bisher stehen an fast jeder Station trotzdem noch Arbeiter, die beispielsweise Laufstreifen – in einer Misch- anlage hergestellter Gummiwerkstoff in langen Streifen – auf die jeweilige Reifengröße zuschneiden und passgenau platzieren. Die Reifen werden Stück für Stück mit den verschiedenen Gummilagen in Schichten aufgebaut und festgerollt: zuerst die Karkasse, dann der Gürtel und die Laufstreifen. Die Produktion des größten Reifens im Sortiment dauert bis zu zwölf Stunden, danach wird dieser noch rund elf Stunden ausgebacken. Dabei wird der Rohling, der sogenannte Green Tire, unter hohem Druck und hoher Temperatur elastisch gemacht und fließt so in die Formteile der Kochform. Dies erfolgt zum großen Teil mit Wasser und Dampf. Anschließend wird der Reifen der Form entnommen und langsam abgekühlt.

Die fertigen Reifen testet BKT stichprobenartig an fünf Teststationen, davon vier im sogenannten Extrem-Center. Dort werden Reifen unter Dauerbelastung durchgeprüft. Dabei liegt ein Fokus auf der Wärmeentwicklung im Reifen. Laut BKT werden die Reifen rund 120 Stunden geprüft. Einzigartig sei auch eine Prüfung im Neigungswinkel, um unterschiedliche Belastungen zu simulieren. Dafür wird der Reifen in eine Maschine eingespannt, die den Reifen abwechselnd automatisch um fünf Grad in die eine und die andere Richtung kippt.

Die Reifen werden abschließend visuell kontrolliert, um Lufteinschlüsse auszuschließen. Radialreifen werden für eine umfassende Qualitätskontrolle geröntgt. Danach wird in der Praxis geprüft: Auf sechs verschiedenen Strecken werden die Leistungen der Reifen unter anderem auf trockener und nasser Fahrbahn, auf Asphalt, dem Acker und auf abschüssigem Beton getestet. So messen die Ingenieure Parameter wie Traktion, Handling, Komfort, Bodenverdichtung sowie Abrollgeräusche.

Industrieruß aus Bhuj

Zur Umsatzsteigerung soll auch die Erweiterung der Rußproduktionsanlage beitragen. Ruß ist ein pulverförmiger Feststoff, der durch die unvollständige Verbrennung von Erdgas oder Öl entsteht und abhängig von der Qualität zu circa 80 bis 99,5 Prozent aus Kohlenstoff besteht. Den gezielt zur Verwendung als Industrie-Grundstoff hergestellten Ruß bezeichnet man als Industrieruß, im Englischen als Carbon Black. Dieser wird in der Reifenproduktion zum größten Teil als Füllstoff und für die Laufflächen verwendet. Die Reifen erhalten dadurch die gewünschte Härte und Abriebfestigkeit. Die Produktionsstätte dafür wurde 2017 in Betrieb genommen und erzeugte die ersten 65.000 Tonnen Industrieruß pro Jahr. Im Folgejahr stieg die Produktion um 70 Prozent auf 110.000 Tonnen und es wurde die Produktion von Halbaktivruß aufgenommen. Dieser zeichnet sich durch eine höhere Elastizität aus und wird daher hauptsächlich in der Seitenwandmasse verwendet, um die gewünschte Dämpfung und Federung zu erzielen. Das Ziel für das Jahr 2023 liegt bei 198.600 Tonnen. Darüber hinaus plant die Forschungs- und Entwicklungsabteilung, eine dritte Art von Ruß, den „Specialty Carbon Black“, herzustellen. Dieser Farbruß hat im Vergleich zu dem in Gummimischungen verwendeten Ruß spezielle Eigenschaften, zum Beispiel eine optimale Farbbeständigkeit, einen hohen Reinheitsgrad und einen niedrigen Aschegehalt. So eignet er sich unter anderem für die Beimischung bei Farben, Lacken und Kunststoffen. Zukünftig soll die Produktion auf insgesamt 500.000 Tonnen hochgefahren werden, rund ein Drittel davon verkauft der indische Produzent an andere Unternehmen.

BKT: Inder formulieren ambitionierte Ziele

Das ganze BKT Produktionsgelände umfasst in Bhuj derzeit 162 Hektar – weitere 113 sollen in den nächsten zwei Jahren hinzukommen.

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Rund zwölf Stunden dauert die Produktion des größten BKT Reifens aus dem Sortiment. Danach wird er weitere elf Stunden „ausgebacken“.

Indische Landwirtschaft – Kleine Maschinen – große Wirkung

Mit verschiedenen klimatischen Bedingungen und einer Vielzahl an unterschiedlichen Anbaukulturen ist Indien einer der größten landwirtschaftlichen Produzenten weltweit. Gleichzeitig haben nur rund sieben Prozent der Maschinen eine Leistung von über 50 PS.

Im Rahmen der Pressekonferenz für die internationalen Fachjournalisten gab es einen umfassenden Einblick in die indische Landwirtschaft von Dr. CR Mehta vom Icar Government, dem Indian Agriculture Research Institut: Indien ist flächenmäßig der siebtgrößte Staat der Erde und umfasst rund 328 Mio. Hektar. Die Anbaufläche in Indien entspricht momentan rund 140 Mio. Hektar, während die landwirtschaftliche Nutzfläche bei rund 158 Mio. Hektar liegt. Mit 230 Mio. Beschäftigten ist ein Sechstel der insgesamt 1,4 Mrd. Inder in der Landwirtschaft beschäftigt. Rechnet man die vor- und nachgelagerten Bereiche dazu, leben 55 Prozent der indischen Bevölkerung von der Landwirtschaft.

Durch fruchtbares Land und unterschiedliche Klimabedingungen ist die Kultivierung von Obst, Gemüse und Getreide über das ganze Jahr hinweg möglich. So wurden in 2021/2022 342 Mio. Tonnen Gemüse angebaut und 315 Tonnen Getreide produziert. Bei den Hülsenfrüchten lag das Produktionsvolumen bei 27,7 Mio. Tonnen. Zu den Hauptkulturen gehören Reis, Weizen, Mais, Baumwolle und Zuckerrohr.

Dabei sind die Farmen eher klein: 1,08 Hektar beträgt die durchschnittliche Größe eines landwirtschaftlichen Betriebs in Indien. Und nur 4,3 Prozent der indischen Betriebe bewirtschaften über vier Hektar. Zum Vergleich: Laut statistischem Bundesamt lag 2020 in Deutschland die durchschnittliche Größe der Betriebe bei 63 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche.

BKT: Inder formulieren ambitionierte Ziele

Traktoren um die 50 PS dominieren den indischen Markt.

Farmen rüsten technisch auf

Trotz kleiner Betriebsgrößen ist ein Trend zur Mechanisierung festzustellen. Betrug die flächenbezogene Motorisierung im Jahr 1974 noch 0,57 PS/ha liegt man jetzt bei 4,14 PS pro Hektar. Mit 54 Prozent hat ein Großteil der Maschinen ein Leistungsspektrum von 42 bis 50 PS. Rund 28 Prozent liegen noch zwischen 31 und 41 PS. Über 50 PS liegen derzeit nur sieben Prozent.

Die Mechanisierung schreitet voran. Der Anteil an Arbeiten, die mit Hilfe von Maschinen durchgeführt werden, liegt im Durchschnitt bei 47 Prozent. Mit 70 Prozent liegt der höchste Anteil bei der Saatbettbereitung. Im Anbau- und Ernteprozess hat Weizen mit 69 Prozent das höchste Mechanisierungslevel. Technisch am wenigstens weit fortgeschritten ist die mechanische Ernte von Hirse und Zuckerrohr, dort liegt der Wert bei 33 beziehungsweise 35 Prozent.

So liegt laut Dr. CR Mehta die Herausforderung im indischen Mark in den kleinen und fragmentierten Besitzverhältnissen, die die Nutzung von größeren Landmaschinen limitieren. Ein Weg zur Mechanisierung seien Maschinenausleihstationen, so der Wissenschaftler.

SCHNELL GELESEN

■ BKT will seinen Umsatz bis 2026 auf 2 Mrd. Dollar verdoppeln

■ Dafür wird das Werk ausgebaut, aber auch das Produktangebot erweitert:

■ Raupenketten kommen auch für Mähdrescher

■ Nachhaltigkeit und Qualitätskontrolle im Fokus

■ Stärkerer Automatisierungsgrad in der Produktion

■ Eigene Carbon Black Produktion wird ausgebaut

■ Deutschland ist neben Frankreich und Italien einer der wichtigsten europäischen Märkte


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