Grünland: Zwischen Klimawandel und Automatisierung

Alles andere als banal ist das Bewirtschaften von Grünland. Vor allem, wenn man sich die bevorstehenden Herausforderungen vor Augen führt. Das wurde auf einer Fachtagung bei Pöttinger in Grieskirchen rund um die Halmfutterernte deutlich. Wir präsentieren eine Auswahl der Referate.

Land.Technik für Profis: Grünland: Zwischen Klimawandel und Automatisierung

Verfahren der Futterernte standen auf der VDI-MEG/DLG Tagung im Fokus.

Land.Technik für Profis: Grünland: Zwischen Klimawandel und Automatisierung

Wenn eine Schnitthöhe von rund 7 cm nicht unterschritten wird, dankt es die Grasnarbe mit einem raschen Wiederaustrieb.

Welch großes Potenzial das professionelle Bewirtschaften von Grünland und Feldfutter bieten und welche nicht minder großen Aufgaben derzeit und künftig vor den Landwirten, Forschern und Landmaschinenherstellern liegen, zeigte sich bei der diesjährigen Tagung „Land.Technik für Profis“. Diese von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und der Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik im VDI (Verein Deutscher Ingenieure) organisierte Veranstaltung stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der Halmfutterernte. Als Gastgeber dieser Mitte Februar abgehaltenen Fachtagung fungierte mit der Firma Pöttinger an ihrem Stammsitz im oberösterreichischen Grieskirchen erstmals ein Landmaschinenhersteller außerhalb Deutschlands.

Frühere und mehr Schnitte

Mehr Effizienz und eine bessere Energieausnutzung sind laut Martin Elsäßer von der Universität Hohenheim aktuelle Stichworte. Mit zunehmender Schlagkraft werden die Maschinen und Geräte auf dem Grünland immer schwerer und die Böden zunehmend verdichtet. Das bewirke im Grünland deutliche Ertragseinbußen und eine reduzierte Aufnahmekapazität für Wasser. Dazu bringt der Klimawandel extreme Dürren oder Regenereignisse mit sich. Hier werden dichte Grünlandbestände ohne Lücken zum Mindern möglicher Erosionsschäden gefordert. Es zeigt sich laut dem Forscher schon jetzt, dass die Vegetationsperiode früher beginnt und länger dauert. Damit werde auch der erste Schnitt früher erfolgen und das Grünland noch im Spätherbst weiter wachsen.

Künftig sei noch mehr als bisher darauf zu achten, die Emissionen bei der Bewirtschaftung der Flächen und der Ausbringung von Wirtschaftsdüngern möglichst zu reduzieren oder gar zu vermeiden. Energieaufwändige Arbeiten sollten, auch im Grünland, möglichst effizient erledigt werden. Neue Techniken, wie z.B. Controlled Traffic Farming oder der Einsatz von satellitengestützter Schnittzeit- oder Ertragsermittlung, könnten laut Elsäßer die Anzahl erforderlicher Feldfahrten reduzieren und das Düngemanagement durch eine exaktere Berechnung der Entzugszahlen verbessern.

Nicht tiefer als 7 cm mähen

Wie sich Effizienz und Nachhaltigkeit in der Grünlandbewirtschaftung vereinbaren lassen, hat der Futterbau-Experte Alfons Göbel in seinem Vortrag skizziert. Er ist selbst Landwirt in der Südeifel und bewirtschaftet dort unter anderem rund 50 ha Dauergrünland. Dabei achtet er darauf, eine minimale Schnitthöhe von 7 cm einzuhalten. Dies sei wichtig, um genug Rest-Assimilationsfläche auf den Flächen und ausreichend Reservestoffe im Grashalm zu belassen. „Das Scheibenmähwerk muss exakt eingestellt sein. Und die Messer müssen scharf sein, sie dürfen die Gräser nicht abreißen, sondern müssen sie abschneiden“, fordert Göbel. Auch der Aufbereiter dürfe nur so intensiv eingesetzt werden, dass er die Blattoberfläche anritzt, nicht etwa zerstört. „Die Feldliegezeiten durch den Einsatz des Aufbereiters sind eher kurz – auch, um das Wetterrisiko, das es in unserer Region immer gibt, zu minimieren.“

Um eine hochwertige Silage zu erzeugen, sei auch das saubere Arbeiten bei der Futterbergung wichtig – konkret ein genau eingestellter Schwader. Abgesehen von einigen nassen Talflächen, auf denen das Gras gezettet werde, würden die Schwade ausschließlich mit dem Feldhäcksler aufgenommen.

Land.Technik für Profis: Grünland: Zwischen Klimawandel und Automatisierung

Über 200 Gäste aus Industrie, Forschung, Beratung und Praxis kamen nach Grieskirchen.

Schätzen oder messen?

Wie genau die Ertrags- und Qualitätsermittlung an modernen Feldhäckslern arbeitet und wie gut der Datentransfer von der Maschine auf den Betrieb läuft, war Gegenstand einer Untersuchung im Rahmen des Projekts DigiMilch der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Denn bisher werden die Erträge und Qualitäten im Grünland und Feldfutterbau meist über alle Flächen geschätzt, wie der LfL-Mitarbeiter Franz Worek ausführte. Betriebs- bzw. flächenindividuelle Ertragspotentiale seien in der Praxis aufgrund des hohen Aufwands nur selten bekannt.

Die Ergebnisse zeigten laut Worek, dass die Ertrags- und Feuchteermittlung am Feldhäcksler sehr gut geeignet ist, um die betriebsindividuellen Erträge mit einer hohen Genauigkeit zu erfassen. Geringe Schwadgrößen und sehr trockene Bedingungen können die Systeme aber auch an ihre Grenzen bringen. Zusätzlich sei eine fortlaufende Erweiterung der Kalibrierkurven notwendig, um Jahres-, Kultur- und Standorteffekte zu minimieren.

Die Inhaltsstoffbestimmung in der Frischmasse hingegen zeigte deutlich höhere Abweichungen in Abhängigkeit vom untersuchten Parameter, wie der LfL-Experte ausführte. Diese Daten können einen ersten Aufschluss über die Erntequalität und das Erntemanagement geben, für Planungen hinsichtlich der Fütterungsstrategie sind die Abweichungen jedoch aktuell zu hoch. Zudem ist der Silierprozess bei diesen Daten nicht berücksichtigt.

Prozesse automatisieren

Während die Automatisierung in der Landwirtschaft generell auf dem Vormarsch ist, hinkt sie im Grünlandsektor noch hinterher – vor allem im Vergleich zum Ackerbau um rund zehn Jahre. Diese Einschätzung und was nötig ist, um das zu ändern, zeigte Gregor Sueck auf. Er ist bei John Deere Direktor für die Entwicklung der Futterernte-Maschinen.

Laut Sueck werde in der Zukunft das Management von Spurführungslinien im Grünland eine wichtige Rolle spielen. Ein konkreter Anwendungsfall ist die Aufnahme von Spurführungslinien während des Mähens oder Schwadens, um das nachfolgende Pressen oder Häckseln weiter zu automatisieren. Die Zusammenarbeit zwischen Traktor und Anbaugerät stelle einen weiteren Baustein zur Automatisierung dar. Insbesondere die Schritte der Nährstoffausbringung, des Pressens und Häckselns bieten dem Branchenkenner zufolge bereits viele Automatisierungsfunktionen, die sowohl durch den Traktor als auch durch die Anbaugeräte oder das Zusammenspiel beider erzielt werden. Die Kombination zwischen Traktor und Ballenpressen habe inzwischen einen hohen Grad an Automatisierung erreicht. NIRS-Sensoren liefern Daten bei der organischen Nährstoffausbringung, um die Traktorgeschwindigkeit so anzupassen, dass Zielwerte erreicht werden.

Des Weiteren stellten im Grünland das Erheben und Nutzen von Daten für Landwirte ein großes Potential dar. Dazu gehört etwa die Ertragserfassung an Feldhäckslern und Ballenpressen. Ebenso das Erfassen von Gewichten und Nährstoffen, um Ausbringkarten für organischen und mineralischen Dünger zu erstellen.

Künstliche Intelligenz?

Die Entscheidungen, wann der richtige Zeitpunkt zum Mähen ist und ob das Erntegut als Silage oder Heu konserviert werden soll, trifft der Landwirt selbst. Ob diese Entscheidungen auch eine Künstliche Intelligenz (KI) treffen kann, hat ein Team rund um Dieter Trautz von der Hochschule Osnabrück untersucht. Durch ein dort entwickeltes, wissensbasiertes Decision Support Systems (DSS) ist es möglich, automatisiert Empfehlungen für den nutzungsabhängigen Erntezeitpunkt von Grünland zu generieren. Das System basiert auf Expertenwissen und nutzt Daten über die Pflanzenhöhe, den Rohfasergehalt, das Wachstumsstadium sowie die aktuelle Wettervorhersage.

2022 erfolgte auf 26 Flächen in West- und Nordwest-Deutschland ein Test dieses Systems. Die Empfehlungen des DSS verglichen die Forscher mit den Entscheidungen des jeweiligen Betriebsleiters. Über die Nutzungsarten hinweg ergab sich eine gute Überstimmung. Bezogen auf die Nutzung wurde die höchste Genauigkeit für intensiv bewirtschaftete Flächen erzielt. Die Empfehlung der Ernteform war in der Regel richtig. Die webbasierte Integration der Wettervorhersage funktioniere gut. Das genutzte lineare Wachstumsmodell für Rohfasergehalt scheint dagegen die Realität nur schlecht abzubilden und sollte durch ein dynamisches Modell ersetzt werden. Weitere Ergänzungen wären ein Minimumwert ab dem die Silageernte möglich ist, sowie ein Maxi- mumwert, ab dem die Nutzungsform Heu statt Silage empfohlen wird. Ebenfalls sollte zukünftig eine Benutzeroberfläche mit leicht nachvollziehbarer Ergebnispräsentation integriert werden. Die Ergänzung weiterer Managementbereiche, wie Düngung oder Narbenpflege wären laut Trautz ebenfalls möglich.

SCHNELL GELESEN

Die derzeit größten Aufgaben rund um die Bewirtschaftung von Grünland sehen die bei der Fachtagung Halmfutterernte versammelten Experten

■ in neuen Strategien zum Anpassen an den Klimawandel wie etwa veränderten Schnittzeitpunkten und -häufigkeiten,
■ im Erfassen der Erträge und Qualitäten in Echtzeit, um die Bestandesführung darauf abzustimmen sowie um diese Daten in der nachfolgenden Tierfütterung nutzen zu können – diese Daten sind die Grundlage für
■ das Entwickeln von automatisierten oder künftig gar autonomen Prozessen.


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