Energiepreisbremsen: Erneuerbare Energien werden jetzt verstärkt zur Kasse gebeten

Die Bundesregierung will Entlastungen von Wärmekunden mit einer Abschöpfung von Erlösen bei erneuerbaren Energien finanzieren. Fast hätte sie die Biogasbranche in den Ruin gestürzt, aber in letzter Minute beigedreht.

EEG: Energiepreisbremsen: Erneuerbare Energien werden jetzt verstärkt zur Kasse gebeten

Heimisches Biogas könnte den Gasmarkt in Deutschland spürbar entlasten. Aber die Bundesregierung lässt diesen Hahn zu.

SCHNELL GELESEN

■ Mit einer Abschöpfung von Erlösen aus erneuerbaren Energien will die Bundesregierung die Strom- und Wärmepreisbremsen finanzieren.

■ Erst auf erheblichen Druck der Branche hat sie von einer rückwirkenden Abschöpfung Abstand genommen.

■ Das Verfahren hat über Wochen zu erheblichem Vertrauensverlust geführt.

■ Anders als angekündigt, will die Bundesregierung heimisches Biogas nicht zur Entlastung der Gaskrise nutzen.

Die Entlastung durch die Strompreisbremse wird teilweise über die Abschöpfung von Zufallsgewinnen im Strommarkt refinanziert. Die Bundesregierung setzt damit die Vorgaben aus der Notfallverordnung (EU) 2022/1854 um. Die Vorgaben aus der EU-Verordnung sind verbindlich und national anzuwenden beziehungsweise umzusetzen.

Die Abschöpfung wird so ausgestaltet, dass einerseits ein angemessener Erlös zum wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen gewährleistetet, andererseits ein substanzieller Beitrag zur Entlastung für die Verbraucher sowie der Wirtschaft geleistet wird. Adressiert werden nur Gewinne in einer Höhe, mit der niemand gerechnet hat.

Die Abschöpfung erfolgt seit dem 1. Dezember 2022 und entspricht damit den Vorgaben des EU-Rechts. Zu diesem Zeitpunkt haben die Mitgliedstaaten nach der EU-Verordnung über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise eine Erlösobergrenze am Strommarkt vorzusehen. Die Laufzeit der Abschöpfung ist zunächst bis zum 30. Juni 2023 befristet, kann aber – im Lichte der Reviews durch die EU-Kommission – zu einem späteren Zeitpunkt durch Rechtsverordnung verlängert werden, höchstens jedoch bis zum 30. April 2024.

Anders, als die Bundesregierung immer kommuniziert hat, ist bei erneuerbaren Energien eine Abschöpfung von Erlösen beschlossen. Das bedeutet: Gestiegene Kosten für Ersatzteile, Maschinen, Wartung sowie höhere Energiepreise spielen dabei keine Rolle. Das hatte für mehrere Wochen für massive Verunsicherungen in der Bioenergiebranche geführt. Dazu kam, dass die Abschöpfung anfangs rückwirkend schon ab März 2022 erwogen war.

Biogasbranche nicht so stark betroffen wie befürchtet

Was der Bundestag jetzt beschlossen hat: Die Abschöpfung von Strommarkterlösen erfolgt erst ab einem Megawatt (1 MW) Bemessungsleistung. Damit wird anders, als die ersten Entwürfe befürchten ließen, nicht die installierte Leistung als Basis für die Ausnahmeregelung genommen. Zur Berechnung der Bemessungsleistung wird die erzeugte Strommenge durch die Jahresstunden (8.760) geteilt. Im Maximum können Betreiber also 8.760 Megawattstunden (MWh) erzeugen. Die Bemessungsleistung wäre in diesem Fall: 8.760 MWh geteilt durch 8.760 h = 1 MW. Das kommt gerade den flexiblen Biogasanlagen zugute. Denn viele Biogasanlagen produzieren nicht mehr rund um die Uhr, sondern nur noch in der Zeit, in der Strom gefragt und teuer ist. Damit haben sie mehr Leistung installiert, produzieren aber nicht mehr rund um die Uhr.

Zudem gibt es einen erhöhten Sicherheitszuschlag von 9 Cent pro Kilowattstunde für Biogasanlagen. Das bedeutet: Bei einer Abschöpfung wird die jeweilige EEG-Vergütung als Basis genommen und 9 Cent hinzuaddiert. Erhält eine Anlage beispielsweise nach EEG 20 Cent pro eingespeiste Kilowattstunde, werden Erlöse erst oberhalb von 29 Cent pro Kilowattstunde abgeschöpft. Damit will die Bundesregierung bei Anlagen mit einer Leistung oberhalb der Bagatellgrenze die jüngste Steigerung der variablen und fixen Betriebskosten kompensieren.

Mit großer Erleichterung haben die meisten Biogasanlagenbetreiber in Deutschland diesen Beschluss des Bundestages zur Kenntnis genommen. „Über 95 Prozent der Anlagen werden aufgrund der Bagatellregelung von der Abschöpfung ausgenommen“, erklärt Dr. Stefan Rauh, Geschäftsführer im Fachverband Biogas. Laut Deutschem Biomasseforschungszentrum (DBFZ) sind jetzt von der Abschöpfung nur noch 188 Anlagen betroffen.

Der Anreiz zur Flexibilisierung ist weg

Mit dem Gesetz zur Strompreisbremse fällt bei den betroffenen großen Biogasanlagen der Anreiz weg, Spitzenlaststrom zu liefern. Denn wer bedarfsgerecht einspeist, wie es die Politik jahrelang gefordert hatte, verliert sogar Geld. Aktuell funktionierende flexible Projekte gehen zurück in den Dauerbetrieb, weil dann die Abschöpfung je kWh erheblich geringer ist als bei Spitzenlasterzeugung, bestätigt Christoph Heitmann von Benas Biogas, der seit 1. Dezember wieder im Dauerbetrieb einspeist, weil er sich Verluste aus dem Flexbetrieb nicht leisten kann.

„Das ganze Gesetzgebungsverfahren hinterlässt den fahlen Beigeschmack, dass das Bundeswirtschaftsministerium Biogas nicht zur Deckung der Residuallast will“, meint Martin Lass, Biogasanlagenbetreiber und Entwickler von Speicherkraftwerken aus Schleswig-Holstein. Passend dazu habe die Bundesnetzagentur jetzt die Höchstwerte bei der Ausschreibung von neuen Wind- und Solarparks erhöht, dafür aber nicht für neue Biogasanlagen. „Dabei sind Biogasanlagen wesentlich stärker von der Inflation und den Kostensteigerungen betroffen als die Windenergie oder die Photovoltaik“, kritisiert er.

EEG: Energiepreisbremsen: Erneuerbare Energien werden jetzt verstärkt zur Kasse gebeten

Flexible Biogasanlagen mit großen Gasspeichern haben im Jahr 2022 von dem gestiegenen Strompreis profitiert und das Geld vielfach in die Anlagentechnik investiert. Dafür werden sie jetzt bestraft.

Drosselung statt Ausweitung

Auch die im Energie-Sicherungsgesetz (EnSiG) im Herbst angeregte Steigerung der Bemessungsleistung ist für Anlagen von knapp unter 1 MW jetzt unwirtschaftlich geworden. Betreiber, die knapp darüber liegen, drosseln sogar ihre Fütterung, um der Abschöpfung zu entgehen. „Denn wer damit über 1 MW installierte Leistung käme, würde bares Geld verlieren“, rechnet Uwe Welteke-Fabricius vom Netzwerk „Flexperten“ vor. Die eigentlich sinnvolle Steigerung würde auf diese Weise bestraft statt belohnt.

Da die höheren Erlöse im Jahr 2022 einiges abfangen konnten, wird sich nach Ansicht von Welteke-Fabricius der Kostenanstieg erst im Jahr 2023 richtig auswirken, wenn die mittleren Stromerlöse nicht wieder die diesjährige Höhe erreichen. Denn viele Betreiber haben 2022 ihre Substrate deutlich teurer bezahlen müssen. Dazu kommen höhere Pachten und Betriebskosten. „Die EEG-Vergütung reicht bei Anlagen ohne Wärmeverkauf oder Fahrplanbetrieb dafür nicht mehr aus. Nur mit Zusatzerlösen aus dem Strom- und Wärmemarkt können Biogasanlagen diese gestiegenen Kosten decken. Ohne sie werden spätestens ab 2024 viele Anlagen auch ohne Erlösabschöpfung unwirtschaftlich“, warnt er.

Biogasrat: EU-Ziele werden konterkariert

Die geplante „Überschusserlösabschöpfung“ für die Stromerzeugung aus Biogasanlagen steht dem erklärten Ziel der Bundesregierung entgegen, durch Investitionen in neue erneuerbare Erzeugungsanlagen und Diversifizierung bestehender Energiequellen für eine höhere Energiesicherheit zu sorgen. „Auch führt sie zu einem massiven Vertrauensverlust in politisch konsistentes Handeln bei Erzeugern/Investoren erneuerbarer Energietechnologien“, kritisiert Janet Hochi, Geschäftsführerin des Verbandes „Biogasrat“. Dringend notwendige Investitionen in eine klimaschützende und flexible erneuerbare Energieversorgung mit Biogas und die Umrüstung bestehender Biogasanlagen auf die Biomethanerzeugung würden blockiert. „Damit konterkariert die geplante Erlösabschöpfung für die Stromerzeugung aus Biogas auch die REPowerEU-Ziele, die bis 2030 europaweit eine Steigerung der Biomethanproduktion auf 35 Milliarden Nm3 pro Jahr vorsehen“, betont sie.

Gleichwohl hätten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit den nun vorliegenden Änderungen des Gesetzentwurfes ein wichtiges Signal an die Biogasbranche mit Blick auf die gesicherte Stromerzeugung aus Biogas gesendet und eine weitere Verschärfung der Energiemangellage verhindert.

Energiepreise – Die geplanten Entlastungen

Der Deutsche Bundestag hat im Dezember Gesetze für die Strom-, Gas und Wärmepreisbremsen verabschiedet. Damit sollen Verbraucher ebenso wie die Wirtschaft entlastet und vor sehr hohen Energiepreisen geschützt werden.

Die Hilfen sollen mit Beginn des neuen Jahres die stark steigenden Energiekosten begrenzen. Die Entlastungen gelten ab März 2023 rückwirkend für die Monate Januar und Februar 2023. Für große industrielle Gasverbraucher beginnt die Auszahlung bereits im Januar.

Die Regelungen sehen vor, dass Strom-, Gas- und Wärmepreise für einen Anteil des Verbrauchs nach oben begrenzt werden und nicht mehr über diese Grenzen hinaus steigen. Die Finanzierung erfolgt aus dem neu ausgerichteten Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Die Preisbremsen schützen alle Haushalte und Unternehmen, genauso wie Krankenhäuser, Pflegeheime, soziale und kulturelle Einrichtungen.

Sie wirken für das gesamte Jahr 2023. Eine Verlängerung bis zum April 2024 ist möglich, müsste dann aber noch gesondert entschieden werden.

Die Energiepreisbremsen sind laut Bundeswirtschaftsministerium notwendig geworden, weil sich in Folge des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine die europäischen Großhandelspreise für Erdgas innerhalb eines Jahres vervielfacht haben. Das hat auch die Preise für Strom und Fernwärme in die Höhe getrieben. Die hohen Energiepreise schlagen sich je nach Vertragsart und Laufzeit unterschiedlich deutlich und unterschiedlich schnell in den Rechnungen für Haushalte und Unternehmen nieder.

Das Gesetz zur Gas- und Wärmepreisbremse

Die Regelungen zu den Strom-, Gas- und Wärmepreisbremsen sind in zwei vom Bundeskanzleramt, dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zusammen erarbeiteten Gesetzen gebündelt. Das Gesetz für die Gas- und Wärmepreisbremse setzt die Empfehlungen der „Unabhängigen Experten-Kommission Gas und Wärme“ um. Es sieht vor, dass für private Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen mit einem Gas- und Wärmeverbrauch bis zu 1,5 Mio. kWh im Jahr sowie für Pflegeeinrichtungen der Gaspreis auf 12 Cent brutto pro Kilowattstunde und für Wärme auf 9,5 Cent brutto pro Kilowattstunde begrenzt wird. Bei Zentralheizungen für mehrere Wohneinheiten müssen die Hausverwaltung oder die Vermieter die Entlastung über die Nebenkostenabrechnung weitergeben.

Diese Deckelung des Preises gilt für 80 Prozent des im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs. Für den Verbrauch, der dieses Kontingent übersteigt, muss weiterhin der vertraglich vereinbarte Preis gezahlt werden. Im März 2023 werden rückwirkend auch die Entlastungsbeträge für Januar und Februar 2023 angerechnet.

Die befristete Gas- und Wärmepreisbremse soll ab Januar 2023 auch der von den hohen Preisen betroffenen Industrie dabei helfen, Produktion und Beschäftigung zu sichern. Der Preis pro Kilowattstunde Gas wird für Industriekunden auf 7 Cent netto gedeckelt. Bei Wärme liegt dieser Preis bei 7,5 Cent netto. Diese gesetzlich festgelegten Preis- obergrenzen gelten für 70 Prozent des Jahresverbrauchs im Jahr 2021.

Die Strompreisbremse

Auch das Gesetz zur Strompreisbremse ist eng an die Empfehlungen der Unabhängigen Experten-Kommission Gas und Wärme angelehnt. Es soll ebenfalls vom 1. März 2023 bis 30. April 2024 gelten. Im März werden auch hier rückwirkend die Entlastungsbeträge für Januar und Februar 2023 angerechnet. Der Strompreis für private Verbraucher sowie kleine Unternehmen (mit einem bisherigen Stromverbrauch von bis zu 30.000 kWh pro Jahr) wird bei 40 ct/kWh brutto, also inklusive aller Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte, begrenzt. Dies gilt für den Basisbedarf von 80 Prozent des vom Netzbetreiber prognostizierten Jahresverbrauchs. Für mittlere und große Unternehmen (mit einem bisherigen Stromverbrauch von mehr als 30.000 kWh pro Jahr) liegt die Grenze bei 13 Cent zuzüglich Steuern, Abgaben und Umlagen für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs. Auch hier werden analog zur Gaspreisbremse über diese Regelungen klare Einsparanreize gesetzt.


Weitere Artikel zum Thema

weitere aktuelle Meldungen lesen